Kuppelbauwerk mit Exoskelett

PASD Feldmeier • Wrede Architekten
4. novembro 2020
Vogelperspektive (Visualisierung: PASD)
Der Zoo Hannover beabsichtigt eine neue Elefantenhalle mit dazu gehörenden Außenanlagen zu realisieren. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Jürgen Wrede: Ein Besuch im Zoo Hannover ist ein Erlebnis – daher auch der Name „Erlebniszoo Hannover“. Der zurzeit vorhandene Elefantenkuhstall wird als Teil einer indischen Tempelanlage mit verlassenem Maharadscha-Palast präsentiert. Hier erlebt der Besucher unmittelbar diese exotische, indische Kulturwelt in Verbindung mit den indischen Elefanten. 

Es bestand der Wunsch, die derzeitigen Haltungsbedingungen der Elefanten und die Größe der Außenanlagen zu verbessern beziehungsweise auszubauen. Eine Vergesellschaftung mit anderen Tieren zum Beispiel mit den Wildrindern, die es in freier Natur selbstverständlich gibt, ist dort schon aus Platzgründen nicht möglich. Es wurde mehr Raum und Auslauf für die Tiere benötigt. Eine Neustrukturierung des Geländes und die Einbindung einer neuen Warmhalle in das Gelände waren erforderlich. Unsere Entscheidung bei diesem Wettbewerb mitzumachen, ist auch aus dem Wunsch entstanden, hier das Tierwohl weiter verbessern zu können. Nicht nur für Menschen zu planen, sondern sich in das Leben von indischen Elefantenfamilien hineinzuversetzen – das war für uns eine spannende Herausforderung.

Elefantenstall im Dschungelpalast mit neuem Wasserbecken, dahinter die neue Warmhalle. (Visualisierung: PASD)  
Wie organisieren Sie die Elefantenhalle und deren Außenanlagen?

Stefan Burkard: Der Neubau der Elefantenhalle entwickelte sich nicht zuerst aus der Organisation der funktionalen Abläufe, sondern ist zu 100 Prozent aus dem Thema Dschungel mit all seiner Mystik und Faszination entstanden. Diese mystische Elefantenwelt wollten wir mit unserem Entwurf inszenieren. Elefanten sind wunderbare soziale Tiere, von denen wir Menschen viel lernen können. Der Besucher soll die neue Anlage auf dem Gesamtgelände wie eine durch das Dschungelgrün, mit meandernden Bewegungen kriechende Schlange erleben. Das schafft Überraschungen in der Abfolge der Erlebnisräume, sowohl bei den Besuchern als auch für die Tiere. 

Durch die Verortung der neuen Halle direkt hinter dem alten Elefantenkuhstall, können die kleinen Auslaufflächen zu neuen größeren Außenflächen zusammengeschaltet werden und diese sind dann über die neue Warmhalle variabel auch von den Tieren zu nutzen. Die Gehege der Roten Pandas und der Wildrinderbereich schließen nun unmittelbar an die Halle an. Dies schafft Erlebnisdichte im Sinne von Biodiversität. Das asiatische Süßwasserzierfischbecken im Inneren der Halle wird diesen Effekt noch steigern.

Für die Elefanten entsteht so ein größeres erlebbares Gesamtgelände, in dem sie sich selbständig bewegen können. Insbesondere für den Winter bringt die Warmhalle für die Elefanten eine neue Qualität. Zurzeit können sie nur in ihren Einzelboxen die kalten Tage im Winter verbringen.

Erdgeschoss (Visualisierung: PASD) 
Konzeptentwicklung / Herleitung (Visualisierung: PASD)  
Ansicht (Visualisierung: PASD) 
Schnitt (Visualisierung: PASD)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

SB: Wir haben die Aufgabe mit Ihrer Vorgeschichte weiterentwickelt und ein Kuppelbauwerk mit Exoskelett erfunden, das eine „wiederentdeckte alte Ganesha-Elefantentempelanlage“ überspannt. Mit einem Durchmesser von 31 Metern besitzt es die gleiche Größe wie der innere Steinkreis der Tempelanlage von Stonehenge. Berühmte Kulturbauten der Menschheit, wie zum Beispiel St. Pauls Cathedral oder die Hagia Sophia, besitzen ähnlich große Kuppeln. Nicht zuletzt die Kuppel vom Hannover Congress Centrum, in Sichtweite zum neuen Elefantenhaus, hat uns zu dieser Analogie bewogen. 

Die neue Exoskelett-Kuppel, transparent ausgefacht mit bambusblattbedruckten Folienkissen, bildet so nun den thematischen Schwerpunkt der Gesamtanlage. Sie wird so in die neue Dschungelwelt eingebunden, dass außer ihr keine neuen anderen hochbaulichen Anlagen wahrnehmbar sein werden. Alles wird begrünt und ist offensichtlich von der Natur zurückerobert worden. Lediglich Reste des ehemaligen Elefantentempels werden als Ruinen das Grün durchdringen. Die Architektur in den Dschungel einzubinden und mit der mystischen Vorgeschichte um den Elefantenpalast zu kombinieren, das war unser Thema - Storytelling gehört auch zur Architektur.

Innenraum mit Ein-, Durch- und Ausblicken (Visualisierung: PASD) 
Exoskelett Kuppel-Innenraum (Visualisierung: PASD)
Neuer Eingang zur Warmhalle (Visualisierung: PASD)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

SB: Die Materialstrategie entwickelt sich ebenfalls aus dem Naturkonzept. Wir versuchen, so nahe wie möglich, den natürlichen Bedürfnissen der Tiere zu entsprechen. Materialien wie Holz, Bambus und Stein sind selbstverständlich. Die Herausforderung besteht darin, das echte Naturerlebnis mit den nötigen technischen Erfordernissen zu kombinieren. Für einen erwachsenen Elefantenbullen mit einer Rüsselgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometern muss dann auch ein Rammschutz mit sechs Tonnen Anpralllast gebaut werden. Da ist Stahlbeton die richtige Wahl. Wie schon auf dem Zoogelände in anderen Bereichen umgesetzt, werden im Elefantenbereich erlebnisreiche Wege entstehen: Kunstfelsmodulationen werden da eingesetzt, wo es erforderlich ist. Höhlenartige, zugegrünte Durchgänge führen in die lichtdurchflutete Elefantenkuppel. Als Architekten wollen wir auch bei der Materialität Nachhaltigkeit im Sinne von C2C (cradle to cradle) erreichen.

Detailschnitt (Zeichnung: PASD)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

JW: Allen Corona-Unwegbarkeiten zum Trotz ist der politische Wille zur Umsetzung dieses Projektes vorhanden. Wann und wie das geschehen kann, werden wir nun gemeinsam im Planungsteam zusammen mit dem Zoo Hannover erarbeiten. Wir hoffen aber, dass wir zum Wohle aller, besonders aber für die Elefanten, zu einer zügigen Umsetzung dieses Projektes kommen werden. 

Transparentes Kuppelbauwerk (Visualisierung: PASD)
Neubau Elefantenlaufanlage im Erlebnis Zoo Hannover
Internationaler, nichtoffener Wettbewerb
 
Auslober/Bauherr: Zoo Hannover GmbH, Hannover
Betreuer: Kleine + Assoziierte Architekten BDA, Hannover
 
Jury
Prof. Ingrid Burgstaller, Vors. | Martin Diekmann | Natascha Meuser | Brigitte Nieße | Simon Thamm | Sebastian Gädke, Eva Kaltenbach | Annette Malkus-Butz | Hans-Dieter Neuer
 
1. Preis
Architekt: PASD Feldmeier • Wrede Architekten BDA, Hagen, Hamburg, Berlin, Heidelberg, Köln
Landschaftsarchitekt: Büro Drecker, Bottrop-Kirchhellen, Halle, Hannover
Bauingenieur: HEG Beratende Ingenieure GmbH, Dortmund, Berlin
TGA-Fachplaner: FIN - Future is Now Kuster Energielösungen GmbH, Anif (AT)
 
2. Preis
Architekt: Gössler Kinz Kerber Schippmann Architekten, Berlin, Hamburg
Architekt: Lionhouse Architects, Rotterdam (NL)
Bauingenieur: Wetzel & von Seht, Hamburg, Berlin
TGA-Fachplaner: IWP-Ingenieure Schaller • Warnke • Peters • Partnerschaft, Elmshorn

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