Spolie auf Reisen

Manuel Pestalozzi
12. novembro 2019
Im Turmhaus des Sächsischen Landtags liegt der Boden des originalen Barcelona-Pavillons von Ludwig Mies van der Rohe. (Foto: Steffen Giersch)

Spolienarchitektur ist eine frühe Form des Urban Mining; Bauelemente sind zwar in Gebrauch, der Einsatzort ist aber immer auch ein „Zwischenlager“, von dem es bei Bedarf entfernt werden kann – auf dass es sich an einem anderen Ort nützlich macht. Eine Überraschung bot sich diesbezüglich neulich wohl nicht wenigen Besucherinnen und Besuchern des Sächsischen Landtags in Dresden: Handwerker lösten eine Naturstein-Bodenplatte aus dem Vestibül und trugen sie fort. Es ist nicht irgendeine Bodenplatte, sie kam einst im Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona zum Einsatz – dem epochalen Barcelona-Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe.

Es handelt sich also um eine Edel-Spolie, die fortan wohl nicht mehr unter irgendwelche Füsse gerät. Das geschichtsträchtige Stück wird im Mies-van-der-Rohe-Haus in Aachen, dem Geburtsort des Architekten, zu bestaunen sein – als großzügige Dauerleihgabe der Sachsen. Die Mitteilung des Sächsischen Landtags weiß auch einiges über die Vorgeschichte der Platte und seiner Nachbarinnen zu berichten: Nach der Demontage des Pavillons in der katalonischen Kapitale lagerten die Platten im Hamburger Hafen, 1931 wurden sie zur Verwendung im Turmhaus des Landesfinanzamts nach Dresden verfrachtet. „Später lief die SED-Bezirksleitung über die Bodenplatten, heute gehen demokratisch gewählte Abgeordnete und unzählige Besucher darüber“, so der Landtagspräsident Dr. Matthias Rößler. Das „kleine Loch im Landtagsboden“ ist inzwischen wieder gefüllt – zu gerne wüsste man, womit. „Künftig werden wir mit einer Messingbeschilderung im Boden auf das historische Fundament im Landtag hinweisen“, kündigte Rößler an.

Steinmetz Stefan Müller und sein Mitarbeiter Kai Stolle hoben die Platte am 9. November 2019 aus ihrem Bett. (Foto: SLT/Millauer)

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