Passage Kino im Hier und Jetzt

Manuel Pestalozzi
18. abril 2022
Das Motiv der Rundbögen in der Fassade wurde bei der Gestaltung der Bar aufgenommen. (Foto: © Marcus Wend)

Ursprünglich war im 1909 fertiggestellten Rixdorfer Gesellschaftshaus an der damaligen Bergstraße, heute Karl-Marx-Straße, an der Passage zur Richardstraße ein Theater vorgesehen. Es wurde schließlich – einer neuen Technik sei Dank – 1910 als Kinematographentheater eröffnet, hieß in dieser Funktion einige Zeit Schau-Burg, anschließend Passage-Lichtspiele. Den Krieg überstand die Liegenschaft ohne große Schäden, der Kinobetrieb wurde ziemlich nahtlos bis 1968 weitergeführt. Nach einer Periode als Gebrauchtmöbellager fand Ende der 1980er-Jahre eine historisch getreue Instandsetzung des Theatersaals durch den Architekten Wolfgang Claussen statt. Der historische Kinosaal wurde durch vier zusätzliche, kleinere Vorführräume ergänzt.

Das Foyer wird zum Treffpunkt des Publikums. (Plan: Batek Architekten)

Die Betreiberin Yorck Kino Gruppe beauftragte Batek Architekten aus Berlin damit, im heutigen Passage Kino die Schönheit des bestehenden Interieurs wieder zum Leuchten zu bringen und es an die Anforderungen heutiger Kinobesucher*innen anzupassen. Bei ihrer Intervention ließ sich das Entwurfsteam inspirieren von den großen Rundbogenfenstern vor dem historischen Saal 1, die ein prägendes Merkmal der Anlage sind. Diese Form wurde bei der Gestaltung der neuen Bar aufgenommen. Der rotbraune Erdton des unter Denkmalschutz stehenden Linoleumbodens im Foyer bestimmt das neue Farbkonzept: Bei der Bar überrascht pistaziengrün, die Einbauten linkerhand sind in hellem Naturkork gehalten. Diese Oberflächen bieten die Möglichkeit, Kinoplakate und Aushänge anzuheften und schirmen das sich dahinter befindliche Getränkelager und einen Personalraum ab. Im Sinne eines ressourcenschonenden Ansatzes wurden Teile der Corten-Stahlverkleidung der ursprünglichen Bar upgecycelt und wieder verbaut. Auch die bereits vorhandenen Messingstrahler und der historische Stuck blieben nach einer Aufarbeitung erhalten und sind Teil des neuen Gesamtkonzeptes.

Die neuen Einbauten heben sich diskret vom historischen Dekor ab. (Foto: © Marcus Wend)

In den beiden kleinen Kinosälen wurden neue Podeste installiert, um eine optimale Sicht zu gewähren. Wenn die ästhetischen Eingriffe hier auch grundsätzlicher waren, so blieben sie doch ganz dem Charme des klassischen Kinovergnügens verpflichtet. Ein Saal wurde in edlem dunkelblauen Faltenstoff verkleidet, im Kontrast dazu stehen die neuen gelben Sitzreihen. Der andere Saal ist eine moderne Interpretation des klassischen Kinosaals in verschiedenen Rotabstufungen mit senkrechten Leuchtstreifen. So wie das Erdgeschoss des neoklassizistischen Baus einen Durchgang zwischen Karl-Marx-Straße und Richardstraße bildet, schafften es die stilvollen Interventionen, eine Verbindung zwischen dem Glamour eines der ältesten Lichtspielhäuser Berlins und dem Kinoerlebnis im Hier und Jetzt herzustellen.

Weiche und harte Oberflächen, Kanten und Rundungen bilden Gegensätze, die in einer ausgewogenen Balance zusammenfinden. (Foto: © Marcus Wend)

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