DAM Preis 2023 als Plädoyer fürs Weiterbauen

Manuel Pestalozzi
30. janeiro 2023
Die feingliedrige Architektur des Bestandes wurde in der Erweiterung des Landratsamtes Starnberg erneut angewendet. (Foto: Aldo Amoretti) 

Seit 2007 werden mit dem DAM Preis jährlich herausragende Bauten in Deutschland ausgezeichnet. Dieses Jahr wurde der Preis vom Deutschen Architekturmuseum (DAM) bereits zum siebten Mal in enger Zusammenarbeit mit JUNG als Kooperationspartner vergeben. Eine Expertenjury unter dem Vorsitzenden Martin Haas bestimmte aus den hundert Eingaben der Longlist 23 Projekte für die engere Wahl der Shortlist zum DAM Preis 2023. Eine Gemeinsamkeit zeichnete sich bei den Bewerbungen in diesem Selektionsprozess bereits ab: Am Thema Nachhaltigkeit kommt kaum noch ein Vorhaben vorbei, wie es die Verantwortlichen formulierten. Weitere gesellschaftliche Architektur-Trends ließen sich anhand der Auswahl erkennen: Die Debatte um die Bedeutung des öffentlichen Raums weitet sich aus, es wird verstärkt mit flexiblen Wohnformen experimentiert. Und vor dem dem Hintergrund der Mobilitätswende gewinnen Verkehrsinfrastrukturprojekte an Bedeutung, die über ihre Funktion hinaus auch Aufenthaltsqualität versprechen. Fünf Finalistenprojekte wurden von der Jury Anfang September 2022 vor Ort begutachtet. Das Rennen machte schließlich die Erweiterung des Landratsamt Starnberg in Bayern des Büros Auer Weber, Stuttgart und München.

Die bestehende Anlage wurde weiter nach Westen ausgedehnt. (Foto: Aldo Amoretti)
Am eigenen Werk Hand anlegen

Die Geschichte des Siegerprojektes ist auch eine Geschichte der Rückkehr zu einem früheren Werk. Die Architekten Fritz Auer und Carlo Weber nahmen 1982 am Wettbewerb für das Landratsamt Starnberg teil. Fritz Auer erinnert sich, dass wesentliche Inspirationen für die städtebauliche Organisation von seiner Japanreise stammten, bei der er sich die Katsura-Villa – den kaiserlichen Nebenpalast – aus dem 17. Jahrhundert in Kyoto angeschaut hatte. Dessen horizontale Verteilung der Baumassen und die Staffelung der Baukörper, welche damit ihr sehr großes Volumen geschickt verbargen, die Zweigeschossigkeit mit umlaufenden Veranden im Obergeschoss, die Dachüberhänge und die sanft geneigten Dächer schienen ihm auch geeignete Mittel für das Grundstück in Starnberg zu sein. Der Entwurf in Form zweigeschossiger Pavillons mit umlaufenden Fluchtbalkonen und einem Wasserbecken sowie fingerartigen Höfen wurde von 1985–1987 realisiert. Er erlaubte eine enge Verzahnung des Landratsamts mit der Nachbarschaft.

Die Erweiterung wurde im Sinne des ursprünglichen Konzepts wieder von Auer Weber vorgenommen. Sie führt das modulare Konzept im Westen weiter. Dabei wurde additiv die im Bestand vorgezeichnete Figur aus Flügelbauten um eine Atriumhalle verdoppelt. Gestalterisch gleichen sich der Bestand und die Erweiterungen weitgehend. Der Übergang zwischen Alt und Neu ist fließend, die Fassaden und Einbauten sind neu, liegen aber teilweise noch unter dem alten Dach. Erkenntnisse aus der Betriebszeit hatten Einfluss auf die Erweiterung: So ist das Holz der äußeren, neuen Tragstützen nicht mehr natürlich belassen, sondern in dem Grauton lasiert, der der Patina der alten Tragstützen entspricht. 

Im Vergleich der Atrien ist die Interpretation und Weiterentwicklung der damals lässig verspielten Details hochspannend anzuschauen, urteilte die DAM Preis-Jury: Keine Spiegelungen unter den Decken, keine ulkigen Roste im Geländer an den Ecken, keine rhetorischen Glasdurchbrüche und keine mintgrünen Farbakzente an den Geländern mehr. Stattdessen herrsche eine schnörkellosere und klarere Architektursprache in den Details, die die Feinheit der bestehenden Anlage aufnehme, aber „professioneller und damit weniger warmherzig“ erscheine. Die Gebäudetechnik entspricht dem aktuellen Standard, die den Neubau zu einem CO2-neutralen KfW-Effizienzhaus 55 macht. Die Jury freute sich darüber, dass bei diesem Projekt Bestandsbauten erhalten und erweitert wurden. Das sei nicht selbstverständlich – im Gegenteil würden besonders Bauten der Siebziger- und Achtzigerjahre skeptisch betrachtet, was ihre Zukunftsfähigkeit angeht. „Es ist so wohltuend, endlich ein gelungenes Bauwerk zu finden, das von seinen Nutzern geliebt und von seinen Architekten nach über 30 Jahren ‚einfach’ weitergebaut wird“, meinte DAM-Direktor und Jurymitglied Peter Cachola Schmal.

Dem DAM Preis 2023 ist im DAM Ostend, Henschelstr. 18, 60314 Frankfurt am Main, eine Ausstellung gewidmet. Sie kann bis am 1. Mai 2023 besucht werden.

Die Erinnerung an japanische Architektur hat weiterhin einen prägenden Einfluss. (Foto: Aldo Amoretti)

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