Zusammen wohnen

SMAQ Architektur und Stadt
29. setembro 2021
Foto: Schnepp Renou
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Bauaufgabe bestand in einer Nachverdichtung der inneren Peripherie durch einen Wohnungsbau mit 63 Wohneinheiten. Das Grundstück ist untypisch, da es bezüglich der Haupterschließung in der zweiten Reihe eines sehr heterogenen Blocks liegt. Die Bauaufgabe ließ sich deshalb auch nicht mit klassischen städtischen straßenständigen Typologien beantworten. Ausgangspunkt war stattdessen die Typologie des freistehenden Punkthauses als vier viergeschossige Kuben, die aufgrund des Grundstückszuschnitts eng zusammengerückt werden mussten. Was zur Formulierung einer ungewöhnlichen und prägnanten Konfiguration mit teilweise verschmelzenden Kuben geführt hat. 

Außerdem war die Nutzer*innen-Mischung durch den Mix von Eigentums- und Mietformen besonders. Die Verbindung von bezahlbaren Mietwohnungen (40% öffentlich gefördert, 60% für mittlere Einkommensschichten), Eigentumswohnungen und einem inklusiven, generationsübergreifendem Wohnverein bot die Möglichkeit zur Bildung eines sozial integrativ wirkenden Mikro-Quartiers, das in der Anmutung bewusst nicht zwischen Wohnverein, Wohnungseigentum und sozial-gefördertem Wohnungsbau unterscheidet.

Ein weiterer besonderer Aspekt der bereits in der Wettbewerbsauslobung formuliert wurde, ist Zukunftsoffenheit durch Schaltbarkeit und Flexibilität der Wohnungszuschnitte. Die ringförmige Grundrisstypologie um einen von oben belichteten Treppenraum mit dienender Zone aus Nebenräumen und Schächten ermöglicht flexible Wohnungsgrundrisse entlang der Fassaden.

Foto: Schnepp Renou
Foto: Schnepp Renou
Foto: Schnepp Renou
Foto: Schnepp Renou
Foto: Schnepp Renou
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Dem Projekt liegen viele – auch widersprüchliche – Inspirationen zugrunde. Die Kolonnade als städtisches Motiv ist vermutlich das Wichtigste. Sie bildet das Rückgrat einer Mikrourbanität in der inneren Peripherie. Die Kolonnade verbindet Hofräume und Eingänge der Baukörper miteinander und ist witterungsgeschützter Treffpunkt für informelle Begegnungen der heterogenen Bewohnerschaft.

Andere Ausgangspunkte fanden wir bei Sol LeWitt im Umgang mit dem Raster als durchdringende Ordnung, aber auch im informellen Bauen mit der Fähigkeit Fehler in der Systematik und typologische Uneindeutigkeiten als Raum- und nutzungsbildende Chance zu nutzen. 

Ein weiterer Impuls sind die Backsteinbauten der 1980er- und 1990er-Jahre der Umgebung, nicht immer unbedingt schön, jedoch überzeugend in ihrer Handwerklichkeit, Solidität und ihrer Fähigkeit zu altern.

Essen ist fertig! (Foto: Schnepp Renou)
Zugang des nord-westlichen Gartenhofs am Ende der Kolonnade (Foto: Schnepp Renou)
Nachbarschaft und Materialkontrast (Foto: Schnepp Renou)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

In Reaktion auf die vorgefundene disperse Fragmentierung der inneren Peripherie formuliert das Ensemble durch seine prägnante Form raumbildend ein Gravitationsfeld. Dazu sind vier kompakte Baukörper frei im Raum zwischen dem Gebäudebestand platziert und so aneinander gerückt, dass drei von ihnen zum Teil miteinander verschmelzen und im Zusammenspiel offene gemeinschaftliche Hofräume formulieren. Die Umgebung mit ihren ein- und zweigeschossigen Einfamilienhäusern sowie Geschosswohnungsbauten der Siebziger und Neunziger Jahre und den verbliebenen Gebäuden der Gärtnerei wird als Begrenzung der neu geschaffenen Räume einbezogen. 

In Hinblick auf die Durchlässigkeit des Ensembles ist einer der vier Kuben, aus denen sich das Ensemble zusammensetzt, von den übrigen etwas abgerückt angeordnet. Dadurch bietet sich eine öffentlich nutzbare Abkürzung für die umgebene Nachbarschaft durch das Ensemble zu der im Block liegenden Schule. 

In der Materialität fügt sich das Gebäudeensemble in die durch Ziegel geprägte Umgebung ein, formuliert jedoch durch die klare kubische Form eine Eigenständigkeit.

Fassadentextur wird durch das wandernde Sonnenlicht zur Geltung gebracht (Foto: Schnepp Renou)
Treppenhaus im farblichen Komplementärkontrast zur Gebäudehülle (Foto: Schnepp Renou)
Wohnen im Grünen (Foto: Schnepp Renou)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Der Wohnungsmix war durch den Auftraggeber in der Wettbewerbsauslobung vorgegeben. Die Kubatur und der strukturelle Ansatz wurden im Wettbewerb erarbeitet und blieben bis zum Einzug der Bewohner stabiles Gerüst. Spannend war im Prozess, dass eine inklusive Wohngruppe, die schon beim Grundstückserwerb, das heißt bevor es konkrete Pläne gab, ihr Interesse bekundete hatte, nach der Wettbewerbsentscheidung das mittlere Haus nutzen wollte. Die Zusammensetzung der Wohngruppe „mittendrin“ entwickelte sich während der Planungsphase. Grundrisse und Wohnungsschaltungen konnten iterativ angepasst werden. Die Wohngruppe ist ein Gewinn für die gesamte Nachbarschaft, sie organisiert Aktivitäten und Feste an denen auch die BewohnerInnen der näheren Umgebung teilnehmen. 

Im Dialog mit der Nachbarschaft der inneren Peripherie (Foto: Schnepp Renou)
Quartierseingangsplatz (Foto: Schnepp Renou)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Der intensiv rote Ziegel prägt das Ensemble und trägt maßgeblich zu dessen Ausstrahlung bei. Durch die Materialität fügt sich das Gebäudeensemble in die durch Ziegel geprägte Umgebung ein und bekundet eine Verwandtschaft mit ihr. Die Verfugung der Vormauerziegel im Rot der Ziegel stärkt den monolithischen Ausdruck der Baukörper und bringt die Texturierung der Fassaden, mit eingerückten, geschosshohen Feldern und herausgerückte Kopfsteinen, durch das mit der Sonne wandernden Schattenspielen zur Geltung. 

Alle Fassaden sind aus ähnlichen Elementen komponiert, ohne dass es jedoch zwei identische Aufrisse gibt. Ein stabiler Rahmen, als flexibles Raumgerüst gedacht, mit darin verschieblich wirkenden Paneelen, kommuniziert die Flexibilität und Schaltbarkeit der Wohnungen für eine zukunftsoffene Nutzer*innen-Mischung. 

Die Fassadengestaltung in einheitlicher Farbe und Textur unterscheidet bewusst nicht zwischen Eigentumswohnungen und sozial-geförderten Wohnungen.

Strukturplan Hannover-Südstadt am Maschsee mit Gebäudeensemble (Zeichnung: SMAQ)
Situationsplan – Gebäudeensemble mit heterogener Nachbarbebauung (Zeichnung: SMAQ)
Gebäudeensemble im Kontext der inneren Peripherie (Zeichnung: SMAQ)
Morphologische Herleitung (Zeichnung: SMAQ)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: SMAQ)
Grundriss Regelgeschoss (Zeichnung: SMAQ)
Längsschnitt (Zeichnung: SMAQ)
Baukörper (Zeichnung: SMAQ)
Gebäudestrukturelles Konzept – Flexibilität für die Wohnungsaufteilung (Zeichnung: SMAQ)
Fassadenschnitt und Fassadenansichtsdetail (Zeichnung: SMAQ)
Wohnungsbau Agnes-Hundoegger-Weg in Hannover
2020
Agnes-Hundoegger-Weg 9-12
30173 Hannover

Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Theo Gerlach Wohnungsbau-Unternehmen GmbH & Co. KG, Hannover
 
Architektur
SMAQ Architektur und Stadt, Berlin
Partner*innen: Sabine Müller und Andreas Quednau
Projektleitung Realisierung: Daniel Gross
Projektteam Wettbewerb: Niccolò Cozzi, Silke Heydasch, Jorge Valiente Oriol
Projektteam Realisierung: Daniel Gross, Desislav Drenski, Lisa Thrainer, Lorenzo Ciccu, Aryn Machell
 
Fachplaner
Landschaftsarchitektur: lad+, Hannover
Tragwerksplanung: Furche Geiger Zimmermann, Hannover
Energiebilanzierung: Büro für Bauphysik, Hannover
Haustechnik: IKS Ingenieure, Braunschweig
Akustik: GTA – Gesellschaft für technische Akustik, Hannover

Bauleitung
b+k architekten, Hannover

Ausführende Firmen
Rohbau: Tannheiser GmbH, Neustadt
Dacharbeiten: Holzapfel GmbH, Hannover
Fenster HO Schlüter, Lübz
Trockenbau: Heinz Mänz, Hannover
Innenputz: Beka Bau GmbH, Garbsen
Malerarbeiten: Bernd Wöbbekind GmbH, Langenhagen

Hersteller
Ziegel: Deppe Backstein-Keramik GmbH
 
Energiestandard
KfW Effizienzhaus 55
 
Bruttogeschossfläche
8.929 m² inkl. Tiefgarage

Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
Deutscher Architekturpreis 2021
Niedersächsischer Staatspreis 2020
Deutscher Ziegelpreis 2021 (Anerkennung)

Fotos
Schnepp Renou

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