Millennium-Areal Frankfurt

Ferdinand Heide Architekt
6. april 2022
Blick von Süden (Visualisierung: Nightnurse Images)
Der Auslober plant auf dem „Millennium-Areal“ zwischen Osloer Straße und Hohenstaufenstraße ein gemischt genutztes Ensemble aus zwei Hochhäusern mit einer Höhe von circa 260 m und 150 m sowie einer Blockrandbebauung. Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung?

F: Im Zentrum der Stadt und in Nachbarschaft zum Westend, Europaviertel und Messegelände waren auf einem 8.700 Quadratmeter kleinen Grundstück nicht nur zwei beachtliche Türme, sondern eine große Zahl unterschiedlicher Wohnungen, sowie in einer Sockelbebauung, eine Kita, öffentliche und halböffentliche Nutzungen unterzubringen. Wir haben diese Aufgabe als kleines Quartier interpretiert, das mit dem angrenzenden Stadtraum optimal verwoben sein sollte und sich als Teil des Hochhauspulks aus vier weiteren – in unmittelbarer Nähe stehenden – Hochhäusern versteht. 

L: Wegen des hohen Flächenbedarfs und der großen Baumassen rücken die Gebäude sehr nah zusammen. Somit musste eine Figur/ein Konzept gefunden werden, wie man nicht nur gegenüber den Nachbarn, sondern insbesondere untereinander beide neue Türme so anordnet, dass ein größtmöglicher Zwischenraum und bestmögliche Ausblicke und Orientierungen für die Wohnungen und die Büros entstehen. Die Sockelbebauung und neue Platzflächen komplettieren die Figur und die angrenzende Blockstruktur.

Lageplan (Zeichnung: Ferdinand Heide Architekt)
Gab es Bezugsbilder, die Sie im Entwurf umsetzen wollten?

F: Es gibt weniger ein Bezugsbild, aber die Grundlage für den Entwurf ist sicherlich der Wunsch nach Modifikation der Planung, die unter dem Titel Millennium Tower im Jahr 2000 für das Grundstück aufgelegt wurde. Damals ging es – auf Grundlage des Hochhausrahmenplanes – um einen mächtigen solitären Turm von 365m Höhe, der dann aus vielerlei Gründen nicht weiterverfolgt wurde. Das neue Konzept und das Ensemble aus zwei niedrigeren, wesentlich schlankeren Türmen setzt 20 Jahre später neue städtebauliche Gewichtungen und auf Diversität, Nachhaltigkeit und den spannungsreichen Dialog im Ensemble.

L: Wir haben das Projekt und den Wettbewerb Millennium-Areal von Beginn an als eine städtebauliche und hochbauliche Herausforderung gesehen. Uns war bewusst, dass bei dieser herausragenden Aufgabe der Weg zum Erfolg nur über einen Entwurf führen kann, der die Belange der Stadt – die Einfügung in das nähere Umfeld und in die Skyline – genauso gut löst wie die Frage nach den besten Grundrissen und nach der effizientesten Konstruktion. 

Blockrandbildung, Abstand, Morphologie, Freiflächen, Platzfolgen, Windkomfort (Piktogramme: Ferdinand Heide Architekt)
Wie organisieren Sie die beiden Hochhäuser?

F: Die beiden Hochhäuser werden im vorgegebenen Baufenster so weit auseinander geschoben wie möglich und dort, wo sie sich dennoch recht nahe gegenüberstehen, so aufgedreht, dass ein größtmöglicher Zwischenraum, eine Südausrichtung und eine gute Besonnung der dazwischen liegenden Freiflächen gegeben ist. Die Drehung verleiht den Türmen und der Figur eine Signifikanz und Komplexität, die nicht nur im unmittelbaren Umfeld spannungsreiche Durch- und Ausblicke verspricht. Die weithin sichtbare öffentliche Spitze von Tower A wird die Skyline in besonderer Weise bereichern.

L: Die Türme spannen durch ihre Anordnung sowohl eine Antrittsplaza, als auch einen Quartiersplatz auf. Von beiden Plätzen wird über große Freitreppen der öffentliche Sockel des Tower A erschlossen. Terrassen und öffentliche Nutzungen machen über mehrere Geschosse den Sockel attraktiv und beleben das Quartier.

Öffentlicher Raum (Visualisierung: Nightnurse Images)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Ferdinand Heide Architekt)
Gab es Vorgaben zu Büro- und Wohnstandards?

F: Die Auslobung bildete sehr präzise nicht nur die Erfahrungen ab, die der Bauherr bei ähnlichen Projekten in den letzten Jahrzehnten gewonnen hat, sondern auch die Wünsche und Erwartungen der Stadt Frankfurt, die sie mit einem Projekt dieser Größe und Bedeutung verbindet. Das heißt den Wunsch nach vielen – auch geförderten – Wohnungen, nach einem urbanen Stadtraum, nach Freiflächen und nach Sondernutzungen wie Kita, Gastronomie und Kultur. Über die dezidierten Nutzungsvorgaben hinaus nahmen wir uns zusätzlich Freiheiten zur Interpretation. Beispielsweise haben wir die Vorgabe nach einer öffentlichen Aussichts­plattform in eine imposante Skyhall mit vorgelagerter Terrasse umformuliert: Zu einem spektakulären öffentlichen Raum, der die Spitze von Tower A in Form einer Himmelleiter bildet. 

L: Der Wunsch des Auslobers nach einer segmentierten Erschließung paketweise gestapelter Büroflächen findet in unserem Entwurf mit ablesbaren und begrünten Skylobbies eine besondere Ausprägung. Konkrete Vorgaben zu den Nutzungen, zur Integration eines Hotels in großer Höhe oder zu Sondernutzungen im Sockel waren immer mit der Maßgabe nach Flexibilität und Anpassung nach Bedarf verbunden. Das zeigen auch die Grundrisse, die verschiedene Wohn- und Bürokonzepte ermöglichen.

Wohnturm und Büroturm (Visualisierung: Nightnurse Images)
Straßenansicht (Visualisierung: Nightnurse Images)
Grundriss Regelgeschoss (Zeichnung: Ferdinand Heide Architekt)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

F: Wie bei allen Entwürfen suchten wir auch hier nach einem kohärenten Ganzen, einer Synthese von Ort, Figur, Konstruktion und Anmutung. Gerade in dem Ensemble, in dem Nebeneinander eines feingliedrigen Wohnturms mit zahllosen Loggien, Vor- und Rücksprüngen und den mächtig aufragenden verdrehten Volumen des Büroturmes sehen wir die größte architektonische Herausforderung. Die geschossweise verspringenden Deckenflächen generieren als Vorsprünge oder Auskragungen eine enorme Plastizität. In den unteren Geschossen ist die Verdrehung derart groß, dass intensiv nutz- und begrünbare Terrassen entstehen.

L: Auch bei diesem Entwurf ging es nicht um ein spezielles architektonisches Thema. Vielmehr ging es darum, auf eine komplexe Aufgabenstellung eine architektonische Antwort zu finden und zu formulieren, die sowohl das wiedergibt, was sich die Auftraggeber wünschen, als auch das, was dem Quartier, der Stadt und den Nutzern gerecht wird.

Schnitt (Zeichnung: Ferdinand Heide Architekt)
Welche Besonderheiten hinsichtlich Material und Energieeffizienz zeichnen Ihren Vorschlag aus?

L: Konzeptionelle Ansätze zu Nachhaltigkeit und Energieeffizienz stellen einen nicht unwesentlichen Teil der Entwurfskonzeption dar. Beginnend mit Überlegungen nach einer in dieser Hinsicht optimierten Konstruktion und Hülle bis hin zu konkreten Vorschlägen zur Nutzung regenerativer Energien. Als integraler Bestandteil der Süd- und Westfassade von Tower A sehen wir in jedem dritten Fassadenfeld ein bündiges geschosshohes PV- Modul vor. In Summe addieren sich diese bei dieser Gebäudehöhe und Exponierung zusammen mit den PV-Elementen auf den Dächern zu einer Anlage, die einen nicht unerheblichen Anteil zur Stromversorgung beitragen kann. 

F: Im Team mit den Fachingenieuren wurden Überlegungen angestellt, wie man mit großen Wasserspeichern in Tanks oder in den zahllosen Bohrpfählen, die ohnehin zur Gründung erforderlich sind, die Effizienz und Nachhaltigkeit von Deckenkühlsystemen wesentlich verbessern könnte. Die konventionellen eigenständigen Sockelbauten sind wegen der nachhaltigeren Erstellung als Holzhybrid- Konstruktionen angedacht. Aber auch, weil die elementierte vorgefertigte Bauweise auf der kleinen Baufläche und nachlaufend zur Erstellung der Türme große Vorteile verspricht. Gleichzeitig wurden im Wettbewerb für die Primär-Konstruktionen und Deckensysteme von Tower A diverse Optimierungen zur Reduzierung von Betonmasse aufgezeigt.

Detail (Zeichnung: Ferdinand Heide Architekt)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

F: Das Projekt wird mit großer Sorgfalt und Gründlichkeit vorbereitet und angegangen. Im Moment denkt der Auslober an eine Fertigstellung um 2030. In der Überzeugung, dass sich nach der aktuellen Krise unsere Städte wieder erholen beziehungsweise anpassen und ihre elementaren Qualitäten – Vielfalt, Dichte und stadträumliche Prägung – weiterhin Bestand haben werden, kann man auch für dieses Projekt zuversichtlich sein, dass es einen positiven Beitrag zur Stadtentwicklung Frankfurts beitragen wird: Als hochverdichteter Stadtraum zum Arbeiten und Wohnen, mit einer hervorragenden öffentlichen Verkehrsanbindung und als Bindeglied zwischen dem monostrukturiertem Messegelände und den angrenzenden neuen und alten Stadtteilen.

Skyhall (Visualisierung: Nightnurse Images)
Millennium-Areal in Frankfurt am Main
Einladungswettbewerb
 
Auslobung: CA Immo Frankfurt Alpha GmbH, Frankfurt am Main
Betreuung: a:dk architekten datz kullmann, Mainz
 
Jury
Prof. Johann Eisele, Darmstadt, Vors. | Torsten Becker, Frankfurt am Main | Martin Hunscher, Stadt Frankfurt am Main | Markus Radermacher, Stadt Frankfurt am Main | Jórunn Ragnarsdóttir, Stuttgart | Christoph Jakoby, CA Immo, Frankfurt am Main | Mike Josef, Stadtrat, Frankfurt am Main | Michael Morgan, CA Immo, Frankfurt am Main | Matthias Schmidt, CA Immo, Berlin
 
1. Preis
Ferdinand Heide Architekt Planungsgesellschaft mbH, Frankfurt/Main
Ferdinand Heide, Lorenz Heide
Mitarbeit: Philipp Sontach, Kim Hübner, Vjekoslav Buha, Sandrina Schliemann, Daniel Glebe, Claudia Zimmermann, Frank Heinen
Tragwerk: SWECO GmbH
TGA: INOVIS Ingenieure GmbH
Fassade: Priedemann Fassadenber. GmbH
Fassadenberatung: Hywin
Brandschutz: IBC Ingenieurbau-Consult
Visualisierungen: Nightnurse Images AG
Modell: SCALE Architekturmodelle
Energy Efficiency: Lemon Consult AG
Wind Engineering: Wacker-Ingenieure GmbH
Aufzugsplanung: Jappsen Ingenieure GmbH
 
2. Preis
COBE Copenhagen, Nordhavn
Dan Stubbergaard
Mitarbeit: Ulrich Pohl, Tonny Jensen, Birk Folke Daugaard, Mark Aron Thomsen, Leonie Johann, Shuting Zhang, Caroline Nagel, Max Neumeister
Landschaftarchitektin: Karoline Liedtke
Modell: Lauren Catterson
Fachberater: Werner Sobek, Frankfurt
TGA/Energie: ZWP Ingenieur AG

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