Stadtprojektionen

Susanna Koeberle
20. september 2020
Die Projektion „Fluidum III“ von Biglerweibel auf den Umkleidekabinen des Familienbads der Drei Weieren. (Foto: Stadtprojektionen)

Während ihres Studiums der Kunstgeschichte entdeckten Anna Vetsch und Nina Keel ihr gemeinsames Interesse am öffentlichen Raum. Da sie beiden aus der Ostschweiz stammen, beschlossen sie, ihr gemeinsames Projekt „Stadtprojektionen“ in St.Gallen zu realisieren. Wichtig war ihnen, einen Raum zu bespielen, den sie gut kannten. Utopien baut man am besten auf solidem Grund. Die beiden Fachfrauen verstehen ihre Initiative als experimentellen Dialog mit der gebauten Umgebung. Sie sind überzeugt, dass der künstlerische Blick auf den städtischen Raum diesen auch verändern und damit letztlich zu einer Form der Mitgestaltung animieren kann. Schon für die erste Ausgabe im Jahr 2016 arbeiteten die beiden Kuratorinnen eng mit den eingeladen Künstler*innen zusammen, die für den mehrtägigen nächtlichen Kunstevent ortsspezifische Interventionen in verschiedenen Quartieren der Stadt St.Gallen entwickelten. 

Der sogenannte Manneweiher ist eines von drei Gewässern, die für die diesjährige Ausgabe als Schauplätze gewählt wurden. (Foto: Stadtprojektionen)

Mittlerweile haben Vetsch und Keel einen Verein gegründet und die Abläufe sowie die technische Umsetzung professionalisiert. Da die nächtlichen Projektionen den öffentlichen Raum einnehmen, bedürfen sie verschiedener Bewilligungen; die Kuratorinnen arbeiten diesbezüglich mit der Stadtpolizei St.Gallen zusammen. Auch Kanton und Stadt haben von Anfang an mitgespielt. Der Austausch mit den Bewohner*innen, bei welchen die Beamer jeweils aufgestellt werden, ist grundlegend. Er bedeutet zugleich gegenseitige Vermittlung von Wissen um Bauten und deren Nutzung.

Die Filmcollage „Densen“ von Anna Linder (Foto: Anna Linder)

Um ein solches Unterfangen umzusetzen, braucht man aber in erster Linie eine gute Kenntnis der Kunstszene. Diese beobachten die beiden Kunsthistorikerinnen sehr genau und können für ihr Projekt auf einen Pool von spannenden Positionen zurückgreifen. Für die diesjährige Ausgabe von „Stadtprojektionen“ konnten sie wieder mehrere Kunstschaffende gewinnen. Diesmal ist die Ausgangslage eine neue, denn die Badehüsli vom Anfang des 20. Jahrhunderts bieten eine andere Form der Projektionsfläche (im doppelten Wortsinn). Anders als im städtischen Raum, der viel heterogener gestaltet ist, wirken die Badepavillons fast wie unbeschriebene Blätter. Auch die Nutzung der Gegend ist eine andere, denn diese findet vornehmlich tagsüber statt. Umso mehr ermöglicht die nächtliche Relektüre durch die Kunstwerke einen unkonventionellen Blick auf dieses Naherholungsgebiet. 

Auch der geschichtliche Hintergrund der drei Weiher ist übrigens spannend und schafft einen guten Nährboden für die Auseinandersetzung damit. Die Kuratorinnen gehen behutsam auf die architektonischen Eigenheiten der Bauten ein. So ergeben Projektionen an Stegen, auskragenden Dächern, Umkleidekabinen und Unterseiten von Brücken ein anregendes Gesamtbild. Einige Arbeiten nehmen sinnigerweise das Thema Wasser und Körper auf. Die vierzehn Werke sind alle in Gehdistanz positioniert und regen zu einem schönen und inspirierenden Nachtspaziergang in lauschiger Umgebung an. 

Installationsansicht einer Arbeit von Maya Rochat, die sie für die dritte Ausgabe von „Stadtprojektionen“ entwickelt hat. (Foto: Stadtprojektionen)

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