Etabliert: ArchitekturWerkstatt

Elias Baumgarten
11. september 2020
Foto © ArchitekturWerkstatt St.Gallen

2017 nahmen die ersten Student*innen die Architekturausbildung in St.Gallen auf. Gleichzeitig wurde auch in Chur ein neues Programm für künftige Architekt*innen aufgelegt. Dies war nicht unumstritten, Möglichkeiten in der Schweiz Architektur zu studieren gebe es bereits genug, hieß es. Doch die Erweiterung des Angebots zahlt sich aus: Die neue Konkurrenz lässt die Qualität der Lehre allerorts weiter steigen. Und längst müssen sich die ehrgeizigen Schweizer Fachhochschulen nicht mehr hinter den Universitäten verstecken, wie beispielsweise das durchwegs hohe Niveau der Arbeiten an der ersten schulübergreifenden Swiss Spring School im Frühjahr 2019 bewies. Die nun an der ArchitekturWerkstatt St.Gallen präsentierten ersten Bachelorarbeiten unterstreichen dies ein weiteres Mal. Da verwundert wenig, dass die Zahl der neu eingeschriebenen Studierenden in St.Gallen kontinuierlich steigt. Für das nächste Semester haben sich 38 junge Menschen angemeldet. Kein halbes Jahrzehnt nach ihrer Gründung ist die ArchitekturWerkstatt ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Ausbildungslandschaft geworden.

Der Isolation getrotzt

Die Ausarbeitung der Thesis-Projekte gliederte sich in zwei Phasen. Im Herbstsemester 2019 erarbeiteten die Studierenden des 5. Semesters die Aufgabenstellung für ihre freie Bachelorthesis. Anschließend, im Frühjahrssemester 2020, entwickelten sie – nun einzeln – Projekte für fünf Standorte in Bischofszell, Altstätten, Flawil und St.Gallen sowie im fernen Warschau. Die Themen reichten von der Aktivierung ehemaliger Industrie-Areale über die Neudefinition des Textilquartiers von Flawil bis hin zur Entwicklung einer Holzhochhaus-Typologie für Appenzell, basierend auf den traditionellen Bauernhäusern der Region. 

Bei den freien Thesisarbeiten ging es darum, dass die Studierenden überzeugende architektonische Ideen und Konzepte entwickelten und diese konsequent über ein Jahr hinweg präzisierten und ausarbeiteten. Die Realisierbarkeit der Entwürfe war dabei wichtig, stand aber nicht an allererster Stelle – oder mit den Worten von Studienleiterin Anna Jessen gesagt: „In einer Werkstatt dürfen und müssen Ideen präsentiert werden können, die man später im Berufsleben so nicht direkt realisieren wird.“

Ausgerechnet in der heißen Phase kurz vor Abgabe der Arbeiten stellte die Corona-Pandemie die ArchitekturWerkstatt vor eine große Herausforderung: Der intensive persönliche Kontakt, der die Ausbildung in St.Gallen ausmacht und für viele Student*innen ein wichtiger Grund sein dürfte, dort lernen zu wollen, war von einem Tag auf den anderen untersagt. Unverzüglich mussten neue Wege der Kommunikation und des Unterrichts gefunden werden. Zum Glück erwies sich der Teamgeist der kleinen Gruppe als unerschütterlich und der Diskurs, der für die Entwicklung der Nachwuchsarchitekt*innen so wichtig ist, konnte zumindest digital fortgeführt werden. Die Schlusskritiken schließlich fanden via Microsoft Teams öffentlich statt. Zudem können mittlerweile alle Projekte in einer Online-Ausstellung begutachtet werden. Ideen, an denen hoffentlich auch nach der Pandemie festgehalten wird, machen sie die Arbeit an der Schule doch einem größeren Publikum zugänglich. Interessant übrigens, dass die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus auch andernorts zu einer Öffnung der Schulen führten, so zum Beispiel in Innsbruck, wo die Ausstellungen von Entwurfsarbeiten in den öffentlichen Raum verlegt wurde und diese weiterhin auf Instagram zu sehen sind.

Schulterschluss

Doch wie wird sich die Ausbildung in St.Gallen weiterentwickeln? Mit dem Herbstsemester 2020 schließen sich die drei Hochschulstandorte Buchs, St.Gallen und Rapperswil zur OST zusammen. So ist die ArchitekturWerkstatt mit den in Rapperswil angesiedelten Studiengängen Landschaftsarchitektur, Raumplanung und Bauingenieurwesen neu zu einem Departement verbunden. Die bereits erfolgreich begonnene Zusammenarbeit soll die Studieninhalte künftig weiter stärken und erweitert den Unterricht um wichtige Kompetenzen. Gleichzeitig bleibt die ArchitekturWerkstatt ihrem bewährten Konzept treu: Eine überschaubare Anzahl von Studierenden, die gemeinsam lernen und arbeiten, wobei Mensch und Raum im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen.

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