Architekturfestival WIA 2021
Eduard Kögel
16. juni 2021
Grafik: WIA / Anja Matzker
Noch bis zum 1. Juli findet in Berlin das erste Festival zum Thema „Frauen in der Architektur“ statt. Organisatorin und Initiatorin sind das Berliner Netzwerk von Planerinnen (n-ails e.V.) und die Architektenkammer Berlin, die mit zirka 30 weiteren Akteurinnen fast 100 öffentliche Veranstaltungen anbieten.
Während des fast fünfwöchigen Programms „Woman in Architecture“ wird das Wirken der Frauen in der Architektur mit vielfältigen Formaten und Veranstaltungen wie Ausstellungen, Filmen, Führungen, Symposien, Vorträgen und Workshops thematisiert. Als Schirmfrau des Festivals sprachen in der Auftaktveranstaltung Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin und Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen in Berlin, sowie die Staatssekretärin Anne Katrin Bohle vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Bereits bei den ersten Veranstaltungen wurde klar, dass sich in den letzten Jahren einiges verändert hat. Seit den 1970er-Jahren nehmen die Studienanfängerinnen im Baubereich stetig zu. Waren es in Deutschland 1973 noch 17% Anfängerinnen, so sind es seit 2007 ungefähr 60%. Dieses Verhältnis spiegelt sich weder in der akademischen Welt noch in der Mitgliedschaft in der Architektenkammer – dort gibt es heute nur zirka 30% weibliche Mitglieder.
In der ersten Woche gab es Auftaktveranstaltungen und einige Ausstellungseröffnungen, in der zweite Woche folgten über 30 Veranstaltungen und am Wochenende das WIA Europe Weekend, die dritte Woche hat einen politischen Schwerpunkt und in der vierten Woche wird in englischer Sprache in den Nordischen Botschaften über „Dream – Play – Challenge: The Future of Residential Living“ diskutiert. Dazu findet am Wochenende der von der Berliner Architektenkammer organisierte Tag der Architektur statt. In der Abschlussveranstaltung als Zoom Livestream am 30. Juni wird das Festival mit den Positionen von Architektinnen aus 28 Ländern zur „Architektur im 21. Jahrhundert“ zu einem Ende kommen. Unter dem Slogan „Baustelle Gleichstellung“ wird für eine paritätische Baukultur und für Chancengleichheit unabhängig vom Geschlecht geworben.
Regula Lüscher (Foto: Nora Blum)
Foto: Andrea Nolte
Vielfalt der BetrachtungenNamen wie Lily Reich, Anne Tyng oder Maria Schwarz mag der eine oder andere schon mal gehört haben, zumeist jedoch im Windschatten ihrer männlichen Partner (Mies van der Rohe, Louis I. Kahn, Rudolf Schwarz). Unter dem Titel „Im Schatten ihrer Kollegen – Vergessene Architektinnen“ widmete sich eine Veranstaltung einigen der bislang übersehenen Kolleginnen. So wurden die Briefe der polnischen Architektin Helena Syrkus (1900–1982) thematisiert, die Karriere der aus Österreich stammenden amerikanischen Architektin Elisabeth Scheu Close (1912–2011), das Wohnbauprojekt im Märkischen Viertel der aus Lettland stammenden amerikanischen Architektin Astra Zarina (1929–2008) sowie das erstaunliche Lebenswerk der deutschen Architektin Gisela Schmidt-Krayer, die im ländlichen Raum Westdeutschlands ihre Spuren hinterließ. Für die Verortung des heutigen Zustandes der weiblichen Perspektive auf das Baugeschehen ist es schließlich unerlässlich sich auch mit Baugeschichte zu befassen. Wo und wie sind Architektinnen, Ingenieurinnen, Baufrauen oder Grundbesitzerinnen in Erscheinung getreten und haben das Baugeschehen beeinflusst? Dazu gibt es in Berlin Führungen, die vor Ort auf die Zusammenhänge aufmerksam machen.
Projekt: Anne Lampen Architekten BDA
Projekt: Tanja Lincken Architekten
Projekt: Lioba Lissner für hochC Landschaftsarchitekten PartGmbB
Wer ein wenig auf der WIA-Website in die Tiefe dringt findet noch weitere interessante Informationen, z.B. aus dem Archiv der TU Berlin. So wurden in einer Online-Datenbank die Diplomarbeiten der Studentinnen von 1950 bis 1975 zugänglich gemacht und die Studentinnen des Fachgebiets Bau- und Stadtbaugeschichte tragen mit 26 aufgezeichneten Interviews mit Berliner Architektinnen im Rahmen der Ausstellung „[FRAU] ARCHITEKT*IN“ zum aktuellen Diskurs bei. Trotz des großen Themenspektrums fehlen aber zum Beispiel die Rolle der Architekturfotografinnen, der Bauherrinnen und Investorinnen. Von letzteren gibt es prozentual gesehen jedoch verschwindend wenige. Umso wichtiger ist es, die Sichtbarkeit der Frauen im Bauwesen zu erhöhen.
Aufgrund der Covid-Pandemie gibt es eine Mischung aus Präsenz- und Online-Veranstaltungen. Aktuelle Hinweise zu den jeweiligen Anlässen finden sich auf der Webseite des WIA. Viele Veranstaltungen sind auf dem YouTube Kanal dokumentiert und können auch in Nachhinein noch angesehen werden.
– Der Verein Bund Deutscher Architektinnen und Architekten zeigt aktuelle Projekte von 50 weiblichen Mitglieder in der BDA-Galerie und publizierte dazu ein Buch.
– Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) stellte das Netzwerk „Frau und SIA“ vor, während aus Großbritannien der Film “She Draws:She Builds” gezeigt und diskutiert wurde.
– Der Deutsche Werkbund Berlin beteiligt sich mit einer Gesprächsreihe zu Frauen im Architekturjournalismus. Das ist insofern bedeutsam, als dass heute in den deutschen Print- und Onlinefachmedien 75% der Redaktionen von Frauen geführt werden.
– Im feldfünf | Metropolenhaus ist die von n-ails e.V. kuratierte Ausstellung „Berlin. Die Stadt und ihre Planerinnen“ noch bis zum 2. Juli zu sehen. Dort werden 144 Werke aus Berlin von 83 Architektinnen, Landschaftsarchitektinnen, Stadtplanerinnen und Ingenieurinnen mit je einem Foto ausgestellt.
– Seit dem 2. Juni (bis 8. Juli) sind im Architekturmuseum der TU Berlin im Rahmen der Ausstellung „Queens of Structure“ Projekte und Positionen von Bauingenieurinnen zu sehen. Begleitend gibt es eine Webseite zum Projekt, auf der die vorgestellten Frauen auch in podcasts zu Wort kommen. Am 16. Juni findet dazu noch ein moderiertes Gespräch zur Ressourceneffizienz im Bauwesen statt, das auch im Livestream verfolgt werden kann.