Ungewohnte Wohnvielfalt

BKK-3
4. september 2019
Ansicht vom Park, der große Einschnitt im Süden (Foto: Hertha Hurnaus)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Erstens war es großartig in der „Schatzstadt Hamburg“, © Lassie Singers, bauen zu dürfen. Aber besonders spannend war die spezielle Mischung aus Inhalt, Form und drei unterschiedlichen Bauherren. Ein Drittel ist im Eigentum einer Baugruppe, ein knappes Drittel sind geförderte und preisgedämpfte Wohnungen, sowie ein weiteres Drittel frei finanzierte Miete. Daher stammt auch der programmatische Name „Wohnvielfalt“.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Leichtigkeit des Fliegens! Wir haben das gesamte Erdgeschoss um 6m nach oben transferiert. Nun führt der Weg zu den Wohnungen an Baumkronen vorbei und die Bewohner blicken von oben in einen wunderschönen Park. Diese leichte Abgehobenheit vermittelt Geborgenheit in einem stark urbanen Umfeld und bildet eine angenehme semiprivate Zone.

Der Hauptzugang mit den Gewerbeflächen im Erdgeschoss (Foto: Hertha Hurnaus)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Generell ist das Wohnen in der Hamburger Hafencity interessant, die Lage des Wohnbaus direkt am Grasbrookpark ist jedoch besonders attraktiv: Gleich vor der Haustür liegt ein grüner Park mit einem großem Kinderspielplatz und einer U-Bahnstation. Die Elbe und die Elbphilharmonie sind in Sichtweite. 

Im Entwurf gehen wir auf den Ort ein indem das Haus einen 30m langen öffentlichen „Balkon“ zum Park bekommt. Direkt an der U-Bahn ist eine Food-Mall angeschlossen und unser Kindergarten benutzt häufig das Piratenschiff im Park. Das Gebäude öffnet sich explizit nach Süden denn im Norden ist eine grosse Fernwärmestation unser Nachbar.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das ist eine diffizile Frage, da ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben war. Ein Wettbewerb ist immer ein Ausschnitt aus einer willkürlich abgebrochenen Entwurfsleistung. Die Eingriffsmöglichkeiten nach dem Gewinn sind eher klein – das Haus darf nicht zu weit von der prämierten Grundform abweichen. Darauf achten die Verwaltung und Stadt Hamburg sehr genau.

In guter Zusammenarbeit mit den Bauherren konnten wir an der inhaltlichen Struktur und der inneren Aufteilung aber sehr wohl Verbesserungen erreichen. Und die Baugruppe sowie die Kindertagesstätte haben ihre Grundrisse mitbestimmen können. 

Luftaufnahme, die Volumen und die Belichtung (Foto: Hertha Hurnaus)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Interessanterweise sehr wenig. Einerseits weil der Entwurf sehr gut alle Bedürfnisse abdecken konnte und zweitens weil eine grobe Abänderung zum Wettbewerb nicht zulässig war. Die grösste Veränderung war die nachträgliche Realteilung des Gebäudes und das Abrücken von der Grundgrenze, weil eine Baulast vom Nachbarn abgelehnt wurde.

Verteilerebene im 1. Obergeschoss, Zugang und Aufenthaltsbereich (Foto: Hertha Hurnaus)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Bauherren haben sich verpflichtet den Hafencity Gold-Standard zu erreichen. Damit sind sehr umfangreiche energetische, soziologische und konstruktive Vorgaben verbunden. Es gibt darüberhinaus noch den Platin-Status der höhere Anforderungen stellt. Dann wäre allerdings die Miete höher gewesen was wiederum dem sozialen Anspruch und der Leistbarkeit entgegen steht.

Die Balkone ergeben ein lebendiges Spiel in der Fassade (Foto: Hertha Hurnaus)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Seit vielen Jahren freuen wir uns schon darauf Klinker einsetzen zu dürfen. In Hamburg war das sogar ein Muss! Im Laufe der Beschäftigung mit dem Thema sind wir auf ein ganzes Klinker-Universum gestoßen. Es gibt so viele verschiede Formen, Farben, Verbände, Oberflächen und Abmessungen, dass wir wirklich die Qual der Wahl hatten. Die Entscheidung hat tatsächlich etwas Endgültiges, da man den Klinker nicht einfach umstreichen kann wenn’s nicht passt.

Für unsere skulpturale Bauform war der Klinker jedenfalls das optimale Material – dauerhaft, vielfältig und nachhaltig. Fast so wie das Projekt „Wohnvielfalt am Grasbrookpark“.

Lageplan (Zeichnung: BKK-3)
1. Obergeschoss, Verteilergeschoss (Zeichnung: BKK-3)
Längsschnitt (Zeichnung: BKK-3)
Wohnvielfalt am Grasbrookpark
2018
Am Grasbrookpark 1 a-g und San-Fransisco-Straße 6-8
20457 Hamburg

Nutzung
Wohnen, KITA, Ateliers, Gemeinschaftsräume, Gewerbe, Gastronomie

Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Wohnvielfalt am Grasbrookpark GbR c/o Hansa Baugenossenschaft eG (privat, Hamburg)
Grundstücksgesellschaft Roggenbuck GbR (privat, Hamburg)
BauherrengemeinschaŌ am Grasbrookpark GmbH Co. KG c/o Pfadt & Pfadt Immobilien GmbH Co. KG (privat, Hamburg)
 
Architektur
BKK-3 Architektur ZT GmbH, Wien, Franz Sumnitsch (LPH 2-4,5) 
BKK-3njn Planungsges.mbH, Hamburg, Norman Jargstorff, Jan Nieswand (LPH 2-4,5)
 
Fachplaner
Ausführungsplanung: Mevius Mörker Architekten, Hamburg (LPH 1,4-9)
Freiraum: Karin Standler Landschaftsarchitktur, Wien, GHP Landschaftsarchitekten, Hamburg
Statik und Bauphysik: Ing-Ges. Sander & Schneider PartG, Hamburg
Haustechnik: m+p consulting Hanse GmbH, Hamburg
Akustik: Lärmkontor GmbH, Hamburg
 
Bauleitung
Mevius Mörker Architekten, Hamburg

Energiestandard
KFW 55 und Hafen City Gold Standard

Bruttogeschossfläche
23.500 m²

Gebäudevolumen
80.000 m³

Gebäudekosten
ca. 23.000.000 €

Auszeichnung 
BDA-Preis Hamburg 2018, 3. Platz
 
Fotos
Hertha Hurnaus

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