Optisch störungsfrei

Andreas Schüring Architekten
6. november 2019
Neutraler Hintergrund für aktuelle großformatige Kunst (Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der Leonardo-Campus ist eine ehemalige preussische Reiterkaserne, die ab den 2000er-Jahren zum Hochschulstandort für die Kunstakademie, die Fachbereiche Architektur und Design der Fachhochschule Münster und für den Lehrstuhl für Urheberrecht der Universität umgenutzt wurde. Neben dem denkmalgeschützten Ensemble stehen hier auch markante, sich sensibel in den Bestand einfügende Neubauten – wie einen Neubau der Kunstakademie von Günther Domenig. 

Ein Turmbau bei Nacht. Die neue Verglasung ist im Bereich der Traufe integriert. (Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler)
Die beiden Dächer passen sich farblich an die historischen Dachlandschaft an (Foto: Moritz Wesseler)
Welche Eingriffe im Bestand mussten Sie machen, um den Bau realisieren zu können?

Zunächst haben wir analysiert, ob eine Verglasungsebene in die alte Bausubstanz des hölzernen Dachstuhls aus den 1870er-Jahren eingefügt werden kann. Während der Untersuchung kamen erhebliche Mängel der Holzkonstruktion – wie ein starker Wurmbefall – zutage, die ein strategisches Umdenken erforderlich machten. In enger Kooperation mit der Denkmalpflege haben wir das Dach bis auf die Mauerwerkskrone abgetragen und als modernen Holzbau aus vorgefertigten Elementen rekonstruiert. Die große Verglasungsebene im Bereich der Traufe wurde so möglich. Als Spaziergänger ist die große Verglasung fast nicht erkennbar und die Dachlandschaft konnte als störungsfreie Fläche in denkmalgerechten Dachziegeln wieder errichtet werden.

Der hochgefahrene Sonnen- und Blendschutz erzeugt ein für die Bildhauer wichtiges diffuses Licht (Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler)
Eine kleine Galerie kann als „Ort der Neugierde“ für Ausstellungen genutzt werden (Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Gefordert war ein flexibles Atelier, das gleichermaßen für Bildhauer wie Malerklassen geeignet ist und viel Tageslicht bereitstellt. Durch Sonnen- und Blendschutzvorhänge sollte das Licht für eine diffuse Illumination zusätzlich gestreut werden können. In den ersten Gesprächen stellte sich heraus, dass der Raum als Atelier sehr robust und als großes Volumen für großformatige Kunst flexibel nutzbar sein sollte. Tabu war eine „zu künstlerische“ Architektur nur ihrer selbst willen. Auch durfte es keine Fugen oder optische Störungen geben, die in eine formale Konkurrenz mit einer zukünftigen Kunst treten könnte.

Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler
Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Entscheidung für eine Rekonstruktion des Daches als modernen Holzbau aus vorgefertigten Elementen fiel aufgrund der vorgegeben kurzen Bauzeit. Aus formalen, denkmalpflegerischen und reinigungstechnischen Gründen ist die sprossenlose Verglasung an der Grenze des heute technisch Möglichen. Erst durch diese anmutige Konstruktion entsteht ein zeitgemäßer Eingriff in den Bestand, ohne das Denkmal formal zu unterdrücken.

Erste Installationen in einem der Ateliers im Rahmen des jährlichen Rundganges der Kunstakademie (Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler)
Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Wesentlich sind die vorgefertigten Funierschichtholzelemente aus finnischem Nadelholz (vorwiegend Fichte) mit ihrem markanten Funierbild. Im Bereich der umlaufenden Verglasung sind sie als Fachwerkträger ausgebildet und darüber als geschlossene Holzrippenelemente. Die ganze Konstruktion ist stützenlos und bildet im Zusammenspiel eine Kuppel. Die untere Holzschale ist aus Fichten-Dreischichtplatten hergestellt. Die Hölzer sind unbehandelt und können von den Künstlern frei bespielt werden. Die Verglasung ist ein modifiziertes Raico-System mit einer oberen und einer unteren Halterung der verborgenen Profile. Für die großformatigen Scheiben als Horizontalverglasung mussten wir eine Zulassung im Einzelfall beantragen. Die beiden Dächer wurden denkmalgerecht mit naturfarbenen Ton-Hohlziegeln in ziegelrot und anthrazit gedeckt. Die mit Kohle gebrannten Ziegel changieren matt.

Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler
Foto: Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler
Schwarzplan (Zeichnung: Andreas Schüring Architekten BDA)
Grundrisse (Zeichnungen: Andreas Schüring Architekten BDA)
Ansichten (Zeichnungen: Andreas Schüring Architekten BDA)
Längsschnitt (Zeichnung: Andreas Schüring Architekten BDA)
Querschnitt (Zeichnung: Andreas Schüring Architekten BDA)
Explosion (Zeichnung: Andreas Schüring Architekten BDA)
Neue Ateliers der Kunstakademie Münster
2018
Leonardo Campus 2
48149 Münster

Nutzung
Ateliers für zwei Kunstklassen

Bauherrschaft
Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch den BLB NRW
 
Nutzer
Kunstakademie Münster
 
Architektur
Andreas Schüring Architekten BDA
Leitung: Andreas Schüring
Mitarbeiter: Jan Jonas Kunz, David Peralta, Sebastian Middendorf
mit Bühler & Bühler Architekten BDA
Prof. Herbert Bühler
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: Ingenieurgemeinschaft Führer Kosch Jürges, Aachen
TGA Fachplanung: Ingenieurbüro Jöken, Steinfurt
Elektroplanung: E-Projekt GmbH, Altenberge

Ausführende Firmen
Holzbau: Holzbau Brüggemann, Neuenkirchen
Verglasungsarbeiten: Metall & Stahlbau Schmickler GmbH & Co. KG, Remagen
Dachdeckungsarbeit: Hugendieck GmbH, Rheine
Blendschutz: Sun Works GmbH, Brüggen-Bracht
Elektroarbeiten: Gedike & Döpper Elektrogesellschaft mbH, Lüdinghausen
Heizungsarbeiten: Schräder GmbH, Warendorf
Lüftungsarbeiten: Herber & Petzel Gebäudetechnik GmbH & Co. KG, Münster

Bruttogeschossfläche
460 m²
 
Gebäudevolumen
2.520 m³

Gesamtkosten
k.A.

Auszeichnungen
Deutscher Holzbaupreis 2019 - Anerkennung
German Design Award 2019 - Gold
Architecture MasterPrice 2018 - Rubrik Kulturbauten
Iconic Award 2018 - Best of Best -

Fotos
Andreas Schüring Architekten BDA, Moritz Weseler

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