„Einfach Bauen“ – ein Zürcher Pilotprojekt

Katinka Corts
14. 12月 2022
Visualisierung: Team Equipe

Vor sieben Jahren befasste sich eine Arbeitsgruppe des Amts für Hochbauten Zürich mit „Nulltech-Gebäuden“. Das Ziel war, künftig dank klarerer Vorgaben einfacher konstruieren sowie bessere und zugleich technisch weniger komplexe Gebäude entwerfen und entwickeln zu können. Zum neuen, einfachen Bauen gehört aber auch ein dialogischer Prozess, der Nutzer*innen mit suffizienten Lösungen versöhnt, Auftraggebenden die Augen für ungewohnte Ansätze öffnet und Planer*innen die Bereitschaft abverlangt, wirklich Neues abseits der gewohnten Pfade zu entwickeln. Die Erkenntnisse fanden den Weg in eine Publikation und anhand eines Wettbewerbes testete die Stadt nun, inwieweit sich die entwickelten Thesen in ein Wettbewerbsverfahren einbauen lassen.

Der verhältnismäßig kleine Wettbewerbs Neubau Garderobengebäude Juchhof 3 bot sich dafür als Pilotprojekt an, denn die Bauaufgabe bot viel Handlungsspielraum: Eine saisonale Sportnutzung schien sich gut zu eignen. 2007 wurde die Rasensportanlage Juchhof mit zwei neuen Garderobengebäuden erstellt. Im Rahmen des Wettbewerbs sollte ein leistungsfähigeres Gebäude an besser passender Lage entworfen werden, da die Kapazitäten nicht mehr heutigen Bedürfnissen entsprechen. Gesucht waren dabei Lösungsansätze, die „den gesamten Lebenszyklus eines möglichst suffizienten Bauwerks betrieblich geschickt und ressourcenschonend gestalten“.

Zusammensetzung Lebenszykluskosten, basierend auf Durchschnittswerten Bewirtschaftung von Immobilien Stadt Zürich (aus: Amt für Hochbauten Zürich, „Einfach Bauen“, 2017)
Zeichen der Zeit: Bauteilwiederverwertung, Kreislaufwirtschaft und Verzicht

In der ersten Stufe des Verfahrens waren Konzeptskizzen für die Gestaltung eines Garderobengebäudes im Sinne von „Einfach Bauen“ gesucht. 45 Teilnehmer reichten Konzeptskizzen ein, die das frühzeitige Ineinandergreifen von Raumprogramm und Betriebskonzept darstellten. Ein Drittel von ihnen reichte in der zweiten Phase einen Projektvorschlag ein.

Die reine Aufgabenstellung liest sich überschaubar: Der Neubau eines Garderobengebäudes auf dem Grundstück der Sportanlage Juchhof 3 in Zürich-Altstetten war zu planen, darin waren zwölf Garderoben- und Duschräume, Nebenräume für Trainer*innen und Schiedsrichter*innen sowie ein Foyer vorzusehen, draußen zudem drei Kunstrasenplätze. Das auslobende Amt für Hochbauten versprach sich vom zweistufigen Verfahren gute Chancen, um besonders interessante Ansätze vertiefen zu können, verschiedene Spielfeldanordnungen sowie Gebäudestandorte auszuloten. Die fünf Leitsätze zum erarbeiteten Thema „Einfach Bauen“ standen den Teilnehmenden als Orientierungshilfe zur Seite und wurden in den Beiträgen ganz unterschiedlich gewichtet umgesetzt. Es sind ihrer fünf: Baue nur was du wirklich brauchst. Baue entsprechend der Lebensdauer des Gebäudes. Baue mit wenig Technik. Löse Probleme architektonisch. Übernimm Verantwortung für das Gebaute.

Einige Konzepte fokussierten auf das Material und eine gute Grauenergiebilanz, indem sie auf Bauteilwiederverwertung (Re-Use) und Kreislaufwirtschaft (Cradle-to-Cradle) achteten und nachwachsende Rohstoffe wie Stroh, Hanf, Hanf-Kalk, Lehm oder Holz verwendeten. Andere setzten auf Suffizienz und den bewussten Verzicht auf einzelne Bauteile oder haustechnische Komponenten wie zum Beispiel Heizung, Heizverteilung, Lüftung, Fenster oder Türen. Weitere zielten auf Minimierung ab, etwa des beheizten Volumens, der Dämmung, der Erschließungsfläche, des Fußabdrucks oder der Energiezufuhr von außen. Letzteres führte zu zahlreichen Gebäudetechnikkonzepten, die auf autarke Lösungen und Selbstversorgung ausgerichtet sind.

Grundrissplan Siegerprojekt EQUIPE, Garderobengebäude Juchhof
Projektbegehung mit AR-Brille

Nach der ersten Phase bekräftigte die Bauherrschaft ihre Absichten und bestärkte die 15 verbliebenen Planer*innen: Die gebäudetechnischen Konzepte sollten weiter verfeinert werden, sodass der Technisierungsgrad ein sinnvolles Minimum erreicht. „Normabweichungen sollen möglich sein, wenn dadurch eine innovative gebäudetechnische Idee im Sinne von Einfach Bauen möglich wird. Sowohl allfällige Normabweichungen als auch inkauf zu nehmende Komforteinbußen sind nach- vollziehbar darzulegen, zu begründen und qualitativ sowie quantitativ abzuschätzen.“ Ein mutiger Aufruf, zumal viele Architekt*innen eher daran gewöhnt sind, für allzu Neuartiges abgestraft zu werden, spätestens im nachgeschalteten Verhandlungsverfahren eines Wettbewerbs.

Und auch bei der finalen Jurierung zeigte sich das Amt für Hochbauten neuerungsfreudig: Das Preisgericht nahm die Ergebnisse der Vorprüfung Teil 2 mit den Schwerpunkten Wirtschaftlichkeit sowie ökologische Nachhaltigkeit zur Kenntnis. Vor Ort konnten die Sach- und Fachpreisrichter*innen zudem die Projektvorschläge mittels einer Augmented- Reality-Brille in Originalgröße betrachten, die dafür benötigten BIM-Modelle waren von den 15 Wettbewerbsteilnehmern abgegeben worden.

Gewonnen hat schlussendlich ein Team von Spezialist*innen: Angie Müller-Puch, Stefan Behnisch (Behnisch Architekten Atelier Weimar) und Johannes Müntinga (Zürich), gemeinsam mit Transsolar KlimaEngineering GmbH (Stuttgart), ZPF Ingenieure (Basel) und TREIBHAUS Landschaftsarchitektur (Hamburg). Der Beitrag besteche in der Selbstverständlichkeit seiner Form, seiner Konstruktion und seines Ausdrucks. „Die Unaufgeregtheit des Projekts entsteht durch die zwiebelartige Anordnung der Räume und eine simple Schnittidee, die geschickt physikalische Eigenschaften nutzt und eine ansprechende Innenraumwirkung erzeugt“, so die Jury. Die Anforderungen an ein einfaches Garderobengebäude seien weitestgehend sehr gut berücksichtigt, seriös durchdacht und attraktiv gelöst.

Visualisierung Siegerprojekt EQUIPE, Blick vom Spielfeld an die Frontfassade
Rückblick für künftige Weiterentwicklung

Die Auslober sind zufrieden: Fazit zum Pilotprojekt-Verfahren „Einfach Bauen“ sei, dass der zweistufige Wettbewerb unkonventionelle, interessante Ansätze hervorbrachte, die im Rahmen einer regulären Ausschreibung kaum entstanden wären. Die breite und spannende Untersuchung habe jedoch auch gewisse Diskrepanzen zwischen übergeordnetem Thema und konkreter Aufgabe zutage gebracht. Die Suche nach baulichen anstelle von technischen Lösungen führte in vielen Fällen zu einem unverhältnismäßig großen baulichen Aufwand und einem damit einhergehenden Verlust an Einfachheit. Ein Gebäudetyp mit weniger Anforderungen hätte wahrscheinlich archetypischere Projekte und radikalere Vorschläge hervorgebracht, so die Verantwortlichen. Und ein wenig Wehmut klingt mit, wenn es heißt: Die üblichen Gipsmodelle habe man vermisst, denn sie erlaubten einen schnellen und effizienten Quervergleich der Eingaben.

Als Pilotprojekt ein Garderobengebäude planen zu lassen, ist durchaus nachvollziehbar. Doch die Gestaltung einfacher Gebäude darf nicht das Ziel bleiben, wenn eine Bauwende in den kommenden Jahren und Jahrzehnten gelingen soll. Ein Anfang ist gemacht, nun aber gilt es, auch in größeren Projekten ähnliche Ansätze zu verfolgen und die Architektenschaft bauen zu lassen. Und zwar das, was man wirklich braucht.

Sachpreisrichter*innen 
Hermann Schumacher, Sportamt Stadt Zürich* 
René Tschanz, Immobilien Stadt Zürich*
Aziza Awenat, Immobilien Stadt Zürich
Axel Fischer, Grün Stadt Zürich*
Christoph Ramseier, Quartiervertretung Altstetten*

Fachpreisrichter*innen
Benjamin Theiler, Vorsitz, Amt für Hochbauten 
Christian Hönger, Architekt, Zürich
Andreas Hofer, Architekt, Zürich
Ron Edelaar, Architekt, Zürich
Marco Waldhauser, Ingenieur Gebäudetechnik, Basel 
Sibylle Aubort Raderschall, Landschaftsarchitektin, Meilen 

Wettbewerbsausstellung Ersatzneubau Garderobengebäude Juchhof
Rasensportanlage Juchhof 1, Vulkanstrasse 200, 8048 Zürich
bis Freitag 16. Dezember, 16.00–20.00 Uhr

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