Der neue Nachbar

hehnpohl architektur bda
15. 1月 2020
Die drei Fluchten des Straßenzuges zeichnen sich in der Fassade ab (Foto: hehnpohl architektur bda)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Ein Neubau in einer Altstadt ist immer etwas Besonderes. Das Haus sollte erkennbar zeitgenössisch sein, aber gleichzeitig respektvoll mit den Nachbargebäuden und dem gesamten Stadtumfeld umgehen. In Münster ist das Giebelhaus umfangreich durchdekliniert, das zu planende Gebäude sollte aber nicht die x-te Version dieses Typus sein, sondern seine Architektur möglichst nur aus der Aufgabe und dem Ort schöpfen. Ziel war, ein Gebäude zu planen, das nur dort stehen kann. Es sollte den Straßenzug bereichern, ohne auf ersten Blick anders sein zu wollen. „Das ist mir ja noch gar nicht aufgefallen“, ist ein positives Feedback für uns – das Haus zeigt seinen Charakter erst auf den zweiten oder dritten Blick.

Das Haus übernimmt Dachform und Kubatur der Nachbarbebauung (Foto: hehnpohl architektur bda)
Die Kraggeschosse stellen eine Analogie zu historischen Bauformen her (Foto: hehnpohl architektur bda)
Der eingestülpte Erker des 1. Obergeschosses ermöglicht den Blick in die Tiefe der Straße und auf den Buddenturm (Foto: hehnpohl architektur bda)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Inspiration sind insbesondere Bezüge zur historischen Form- bzw. Architekturgestalt der Stadt. Dies sind beispielsweise die Giebelständigkeit, die Kraggeschosse, die Anordnung der Öffnungen, das eingestülpte Erkerfenster und die Materialität des Umfeldes. Diese und andere historische Bezüge sind bei dem Haus in eine zeitgenössische Sprache übersetzt worden. Als das Gebäude schon im Bau war, haben wir in der Ausstellung des Folkwang-Museums die Arbeit von Lyonel Feiniger „Die Stadt am Ende der Welt“ kennengelernt. Feininger hat dort eine Art Urtyp der mittelalterlichen Stadt als Kinderspielzeug kreiert. Viele Häuser in dieser Arbeit haben ebenfalls die vorgenannten Merkmale - das hat uns darin bestätigt, dass so etwas wie ein zeitübergreifendes und kollektives Gedächtnis für Gestalt und Form besteht.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Zunächst einmal stellt sich das Haus neben die anderen und will nicht anders sein. Gleichzeitig nimmt es Bezüge des Ortes auf und macht diese in der Architektur sichtbar und erfahrbar. Die Buddenstraße weist im Bereich des Grundstückes drei Fluchten auf: die beiden Baufluchten der west- und östlich angrenzenden Häuserzeilen und als dritte die der eigenen Grundstücksgrenze. Diese drei Fluchten zeichnen sich in der Fassade ab. Der nach innen gestülpte Erker des 1. Obergeschosses ermöglicht den Blick in die Tiefe der Straße auf den namensgebenden Buddenturm. Der Innenhof im Erdgeschoss wird von der Mauer eines ehemaligen Klosters begrenzt, die Treppe zum Obergeschoss weitet sich und ermöglicht mit jedem Schritt einen besseren Blick auf die rückseitig befindliche Observantenkirche - die gesamte Fassade der Rückseite des Hauses öffnet sich dann großzügig zur Altstadt von Münster. Die Materialität und Verarbeitung des Backsteins stellt eine Verbindung zu den Gebäuden des Wiederaufbaus in Münster her.

Das Gebäude fächert sich analog zur Straßenfassade auch im Innenraum auf (Foto: hehnpohl architektur bda)
Lichtführung und Materialität sind wesentliche Faktoren der Raumkonzeption (Foto: hehnpohl architektur bda)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Alle entwurflichen Parameter sind im partnerschaftlichen Dialog mit der Bauherrschaft abgestimmt und weitergeschrieben worden. Es sind umfangreiche Studien in Form von Plänen, Modellen, Visualisierungen, Mustern etc. erstellt worden, um ein Ergebnis zu erarbeiten, das dann alle überzeugt hat.

Sitzbank des Erkerfensters im 1. Obergeschoss (Foto: hehnpohl architektur bda)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die ursprüngliche entwurfliche Konzeption – Fassade, Ortsbezüge, räumliche Disposition, Belichtung, Materialität etcetera – ist nicht verändert worden. Das Projekt ist dann in der weiteren Planung insbesondere innenräumlich und im Detail weitergeschrieben und verfeinert worden.

Essbereich mit Blick auf die Observantenkirche (Foto: hehnpohl architektur bda)
Dachfenster im Traufbereich belichten den Wohnbereich auch indirekt (Foto: hehnpohl architektur bda)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Grundsätzlich ist für unsere Arbeit sehr wichtig, für die entwurfliche Konzeption die richtige Materialität zu finden. Das sind bei dem Haus am Buddenturm als Fassadenmaterial der Backstein, die ins Lichte gestellten Holzfenster mit Außendeckschalen aus Metall, Kupfer für Tor, Fensterbänke und Dachränder sowie Tonziegel als Dachdeckung. Der Innenraum wird vom „Beton brut“ und den fein gearbeiteten Holzoberflächen aus Eiche bestimmt: Massivdielen auf Lagerhölzern, Fenster, Türen, Einbauschränke und Mobiliar. Die räumliche Konfiguration im Zusammenspiel mit der Belichtung und den Materialien sorgt für ein unverfälschtes Raumempfinden mit einer wohnlichen Atmosphäre. Bei der Auswahl der verwendeten Produkte stand nicht das Produkt, sondern eben diese Anforderung der Spürbarkeit des Materials im Vordergrund.

Die Treppe in das Dachgeschoss ist als freistehendes Element ausgebildet (Foto: hehnpohl architektur bda)
Dachfenster in First und Traufen lassen Tageslicht in die weiteren Geschosse fallen (Foto: hehnpohl architektur bda)
Der Innenhof wird von der Mauer eines ehemaligen Klosters begrenzt (Foto: hehnpohl architektur bda)
Lageplan (Zeichnung: hehnpohl architektur bda)
Grundriss Erdgeschoss (Foto: hehnpohl architektur bda)
Schnitt (Foto: hehnpohl architektur bda)
Haus am Buddenturm
2018
Buddenstraße 10
48143 Münster
 
Nutzung
Wohnhaus
 
Auftragsart
privat
 
Bauherrschaft
privat
 
Architektur
hehnpohl architektur bda, Münster
 
Fachplaner
Ingenieurgemeinschaft Wiening, Warendorf
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Markus Larssen, Nordwalde
Lieferant Verblender: Breilmann Ziegeleierzeugnisse, Münster
Holz- und Dacharbeiten: Holzbau Fieke, Altenberge
Fenster, Haustür, Kupferfassade, Sonnenschutz: Michels Fenster, Rheda-Wiedenbrück
Heizung, Lüftung, Sanitär: Steding & Dahlhaus, Münster
Elektro: Elektro Kempka, Münster
Bodenbelag: Hendrik Schepers, Münster
Malerarbeiten: Maler Mecking, Reken
Metallbauarbeiten: Ferro-Design, Münster
Treppen, Innentüren, Küche, Tischlerarbeiten: Tischlerei Strotmeier, Sassenberg-Füchtorf
Verglasungsarbeiten: Heinrich Niggemann, Münster
Estricharbeiten: Blanke und Spenneberg, Laer
Fliesenarbeiten: Breuer und Westbrock, Münster
Trockenbauarbeiten: André Vierhaus, Haltern
 
Hersteller
Vormauerziegel: Wienerberger
Dachziegel: Meyer-Holsen
Fenster: Guttmann
Sonnenschutz: Hella
Toranlage: Käuferle
Dachdämmung: Gutex
Dachverkleidung innen: Lignotrend
Fliesen: Bisazza
Beschläge: FSB
SmartHome: Loxone
Armaturen: Steinberg
Sanitärartikel: Bette, Duravit, Keramag

Energiestandard
ENEV 2016
 
Bruttogeschossfläche
287 m²
 
Gebäudevolumen
1.039 m³
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnungen
Häuser des Jahres 2019 – 1. Preis
DAM Preis 2020 – Shortlist
Deutscher Ziegelpreis 2019 – Sonderpreis Bauen im historischen Kontext
Iconic Award 2019 – Best of Best
German Design Award 2020 - Winner
best architects 20 - winner
 
Fotos
hehnpohl architektur bda

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