Interview mit Dr. Sandra Breuer, combine Consulting GmbH

Future Office - Büro der Zukunft: Smart Solutions I

Thomas Geuder
4. novembre 2019
Sandra Breuer, Dr. rer. pol. MAS Architektur ETH, Geschäftsführende Gesellschafterin bei combine Consulting GmbH, Berlin (Foto: Marek & Beier Fotografen)
»Moderne Arbeitswelten gehen weit über Architektur und Gestaltung hinaus«

Sandra Breuer

Thomas Geuder: Frau Breuer, der Name Ihres Unternehmens „combine“ zeigt nicht nur, dass es sich im Jahr 2015 aus dem Quickborner Team und macon entwickelt hat, sondern steht auch für eine weitreichende Interdisziplinarität. Inwiefern, denken Sie, sollte sich dieser Ansatz auch in einem Bürokonzept wiederfinden?

Sandra Breuer: combine Consulting hat mit seinen Vorgängerunternehmen Quickborner Team und macon in den vergangenen sechs Jahrzehnten hunderttausende Quadratmeter Büros und Arbeitsplätze in aller Welt geplant. Wir haben deutsche Mittelständler ebenso wie internationale Großunternehmen bei der zukunftsweisenden Ausrichtung ihrer Arbeitswelten erfolgreich begleitet. Deshalb wissen wir: Der Arbeitsplatz besteht längst nicht mehr nur aus Schreibtisch und Stuhl. Bürokonzepte sind nur dann zukunftsorientiert und nachhaltig, wenn sie über eine simple Büroplanung hinausgehen. Arbeitswelten sind sozusagen „Gesamtkunstwerke“, in die Aspekte der (Zusammen-)Arbeitskultur und Arbeitsorganisation („Behavior“), des Gebäudes („Bricks“) und der technischen Infrastruktur („Bytes“) gleichermaßen einfließen müssen. Bricks, Bytes und Behavior sind die notwendigen Hebel, um eine gute Arbeitswelt zu entwickeln. Nur im Zusammenspiel und im sorgfältigen Kuratieren dieser drei Elemente kann es gelingen, eine Arbeitswelt zu realisieren, die ein Erlebnis schafft und die einen Ort generiert, der mehr ist als „nur“ ein Büro. 

OSRAM (Foto: Burko Jaeger Fotografie)

Thomas Geuder: Die Unternehmenshistorie von combine geht bis ins Jahr 1956 zurück, eine Zeit also, in der das Arbeiten im Büro noch gänzlich anders war, stark territorial und (natürlich) sehr analog. Seitdem sind viele Ideen und Konzepte des Arbeitens erdacht worden, nicht jede hat sich als sinnvoll und praktikabel herausgestellt. Was waren Ihrer Meinung nach die größten Sackgassen der Büroplanung?

Sandra Breuer: Im Rückblick betrachtet, mag es Ideen und Konzepte gegeben haben, die uns heute wie Irrungen und Wirrungen vorkommen. Jedes Konzept und jedes Bürogebäude entstammt jedoch den baulichen und technischen Möglichkeiten seiner Zeit und dem jeweiligen Blick auf die Zukunft. Das Bürokonzept sollte immer die Nutzer, deren Tätigkeiten und deren Arbeitsorganisation in den Mittelpunkt stellen, denn das Arbeiten ändert sich, die Menschen ändern sich und Bürogebäude und -konzepte müssen darauf flexibel reagieren können. Nur so können sie nachhaltig erfolgreich genutzt werden.

combine Consulting und combine Design (Foto: Burko Jaeger Fotografie)

Thomas Geuder: In Ihren Referenzen finden sich einige große und weltweit agierende Unternehmen, die ihren – als Bauherr oder späterer Betreiber (mitunter auch als Facility Manager) möglicherweise auch konservativen – Anspruch an die Konfiguration einer Büro-Immobilie vermutlich recht genau definiert haben. Ist es da überhaupt möglich, einen Wandel in der Unternehmenskultur innerhalb solcher Strukturen hin zu neuen Bürokonzepten zu erreichen?

Sandra Breuer: Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit sollte eine Büroimmobilie nicht auf spezifische Bürokonzepte reagieren, sondern möglichst flexibel für unterschiedliche Konzepte nutzbar sein. Gutes Arbeiten ist nicht an einen bestimmten Grundriss oder ein bestimmtes Gebäude gebunden. Wenn man sich gezielt mit dem Thema Arbeiten und den Anforderungen der Nutzer auseinandersetzt, lassen sich überall gute Arbeitswelten realisieren. Natürlich favorisieren manche Gebäude bestimmte Konzepte, oder andere müssen emotional stärker aufgeladen werden.  

Scout24 (Foto: Max von Eicken)
Scout24 (Foto: Burko Jaeger Fotografie)

Thomas Geuder: Das Bauen und damit auch das Büro werden derzeit immer smarter. Räume reagieren automatisch auf die Nutzer, die Individualität und das Wohlbefinden sind wichtige Faktoren für die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter. Erlauben Sie uns einen Blick hinter Ihre Kulissen: Mit welchen Instrumenten finden Sie heraus, welches Arbeitsplatzkonzept die Mitarbeiter nicht nur wollen, sondern auch brauchen?

Sandra Breuer: Für uns sind immer der Nutzer und seine Tätigkeiten Ausgangspunkt und Fokus. Daraus abgeleitet ergibt sich die Funktionalität für ein Büro. Wir gehen in einen sehr intensiven Diskurs mit den Nutzern, indem wir unterschiedlich gestaltete interaktive Formate wie Workshops oder Interviews nutzen. Dabei sprechen wir nicht nur mit den Führungskräften, sondern mit einem möglichst breiten Querschnitt der Mitarbeiterschaft. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem die Arbeit an sich, die Tätigkeiten, der Tagesablauf, was darin funktioniert, und was anders werden sollte. Erst wenn wir glauben, das verstanden zu haben, wenden wir uns dem Gebäude zu. Wir arbeiten also immer „von innen nach außen“, von der Organisation zum Gebäude. Von der Idee über das Konzept bis zum Abschluss braucht es je nach Projektart und -größe oft Jahre. In dieser Zeit arbeiten wir sehr intensiv mit den Menschen, auch um sie auf ein neues Arbeiten vorzubereiten.

IKEA (Foto: Burko Jaeger Fotografie)

Thomas Geuder: Genau genommen haben digitale und smarte Werkzeuge das Arbeiten längst vom festen Arbeitsplatz gelöst. Man könnte vieles an jedem Ort bearbeiten, eine Idee also, die nicht selten eher dem Lebenskonzept eines Mitarbeiters entspricht. Unternehmer auf der anderen Seite möchten noch immer gerne ihre Schäfchen bei sich haben, im gemeinsamen Büro. Welche Haltung halten Sie für die bessere?

Sandra Breuer: Worum geht es dabei wirklich? Um Kontrolle oder um besseres Arbeiten? Ich glaube, dass generische prozesshafte Arbeit zukünftig mehr und mehr automatisiert sein wird. Was bleibt, sind Kommunikation und Kollaboration. Und genau hier erlebe ich, was ich die „Sehnsucht nach dem Analogen“ nenne: zurück zum persönlichen Kontakt, zu Papier und Stift. Gerade kreatives Arbeiten braucht in frühen Phasen analoge Werkzeuge. Nicht umsonst ist bei allen digitalen Möglichkeiten immer noch Modellbau elementarer Bestandteil eines Entwurfsprozesses. Und wie sonst ließe sich der Siegeszug von Design Thinking erklären, wo Post-its und Prototypen sehr analoge und haptische Erlebnisse erzeugen. 

LeasePlan (Foto: Burko Jaeger Fotografie)

Thomas Geuder: Auf Ihrer Website kommentieren Sie: „Moderne Arbeitswelten gehen weit über Architektur und Gestaltung hinaus. Sie sind der essenzielle Baustein der Organisationsentwicklung, in deren Zentrum die Frage steht: Wie wollen wir morgen arbeiten?“ Plaudern Sie aus dem Nähkästchen: Wie arbeiten Sie momentan und wie sieht Ihr ideales Büro in der Zukunft aus?

Sandra Breuer: Wir arbeiten in unseren vier Büros sehr unterschiedlich, auch um verschiedene Möglichkeiten für unsere Kunden auszuprobieren. Unser neuestes Büro in Berlin versteht sich als flexibles Raumlabor. Der WC-Kern und die Küchenzeile sind die einzig fixen Einbauten, alles andere (von Tisch und Stuhl bis Raum) ist völlig flexibel. Unsere Kunden suchen Erfahrung mit flexiblen Büros. Die wollen wir bieten. Grundsätzlich arbeiten wir in allen Büros vollständig non-territorial. Feste Arbeitsplätze gibt es bei uns nicht. Wir bieten eine vielseitige Auswahl an Raumsituationen an, die ermöglichen, für die jeweilige Tätigkeit und vielleicht sogar Stimmung den richtigen Ort zum Arbeiten zu finden. In der Zukunft wird es durch die fortschreitende Digitalisierung noch viel stärker um persönliche Kommunikation und Zusammenarbeit, um ein kreatives Miteinander gehen. Hier werden gute Arbeitswelten Raum schaffen. 

Dr. Sandra Breuer ist Vordenkerin und besitzt einen scharfen Blick für die Zukunft der Arbeit. Ihre These: Moderne Arbeitswelten gehen weit über Architektur und Gestaltung hinaus. Sie sind der essenzielle Baustein der Organisationsentwicklung, in deren Zentrum die Frage steht: Wie wollen wir morgen arbeiten?
 
Die Paperworld und das Future Office – Büro der Zukunft
Die Paperworld ist die weltweit wichtigste Informations- und Kommunikationsplattform für die moderne Bürogestaltung. Jährlich zeigt die Fachmesse in Frankfurt am Main die neueste Produkte und Trends der nationalen und internationalen Papier-, Bürobedarf- und Schreibwarenbranche. Das  Innovationsareal „Future Office – Büro der Zukunft“ richtet sich an Architekten, Facility Manager und Planer wie auch an Händler für Bürobedarf und -einrichtungen. Nachdem es 2017 erfolgreich Premiere feierte, beleuchtet es in seiner nunmehr vierten Auflage das Thema „Smart Solutions“. Dabei geht es um die vielfältigen Chancen, die die derzeitige Veränderung der Arbeitswelt mit sich bringt, präsentiert in einem anregenden und inspirierenden Rahmen. Das Gestaltungskonzept des Areals liegt erneut in den Händen des Architekturbüros Matter, mit dem international anerkannten Architekten André Schmidt aus Berlin und World-Architects. Das Innovationsareal „Future Office – Büro der Zukunft“ findet sich in Halle 3.0 Stand C51 und liefert während der Paperworld vom 25. bis 28. Januar 2020 ganztägig Vorträge und neue Ideen zur Arbeitswelt von morgen.​

Anmeldung zu den Vorträgen am 27. und 28. Januar 2020 in Frankfurt am Main mit Klaus Dederichs (Drees & Sommer SE), Sandra Breuer (combine Consulting GmbH), Martin Haas (haascookzemmrich STUDIO2050), Jan Kleihues (Kleihues + Kleihues), Julian Weyer (C. F. Møller Architects), Jennifer Ester (KSP Jürgen Engel), Herwig Spiegl (AllesWirdGut Architektur ZT GmbH) und Tobias Wulf (wulf architekten):
​Paperworld 2020 - Büro der Zukunft - Anmeldung

World-Architects ist Content-Partner der Messe Frankfurt.​

Altri articoli in questa categoria