Auf die Fuge kommt es an

Martina Metzner
12. febbraio 2020
Auf allen Seiten ist das Weimarer Bauhaus-Museum von Betonfertigteilen umschlossen. (Foto: Andrew Alberts)

Als eines der ersten Bauten zum 100-Jahre-Bauhaus-Jubiläum wurde im April letzten Jahres das neue Bauhaus-Museum in Weimar unmittelbar zwischen dem Gauforum und dem Weimarhallenpark eröffnet. Lange Zeit hatte man sich in Weimar eher wenig um das Bauhaus gekümmert und sich vorwiegend auf das Erbe Goethes und die deutsche Klassik konzentriert. Zum Jubiläumsjahr sollte dies geändert werden. Die Klassik Stiftung Weimar und die Stadt Weimar setzte bereits 2011 einen offenen Wettbewerb auf. Heike Hanada, Architektin aus Berlin und Professorin an der TU Dortmund, die zusammen mit Benedict Tonon für ihren Entwurf den dritten Preis erhalten hatte, konnte sich im anschließenden VOF-Verfahren durchsetzen. 
2015 begannen die Bauarbeiten für das Museum – ein minimalistischer Kubus mit fünf Ebenen und circa 2'250 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Zur Eröffnung im April 2019 hagelte es heftige Kritik: „NS-Architektur“ und „Beton-Bunker“ waren in der Presse zu lesen. Insbesondere die Monumentalität des Kubus, die klassischen Elemente wie Sockel, Gesimse und Attika sowie die Fassade aus Sichtbeton missfielen.

Zunächst wurde das Portal gestellt, um es dann vom Rohbau einzufassen. (Foto: Andrew Alberts)

Der Entwurf hatte allerdings mehrere Phasen durchlaufen, bis es zu dieser Gestalt kam. Ursprünglich wollten die Bauherren eine Fassade aus Glas. So änderte Hanada ihren ersten Entwurf, eine Fassade aus Ortbeton zu errichten, ab und schlug eine satinierte vorgehängte Glasfassade vor – wenig durchbrochen durch Einlässe, denn in das Museum sollte so wenig Tageslicht wie möglich dringen. Mit der Glasfassade war Hanada allerdings während der Ausführungsplanung nie zufrieden. „Die Beton-Fugen hätte hinter der Glasfassade unschön durchgeschimmert und eine richtige Lichtreflektion war auch nicht zu erwarten“, sagt Hanada, die von 1999 bis 2007 an der Bauhaus-Universität in Weimar wissenschaftliche Mitarbeiterin gewesen war.

Markante Sturzelemente brechen die Strenge der geschlossenen Fassade. (Foto: Andrew Alberts)

Dass die Fassade schließlich doch in Beton ausgeführt wurde, war der vorangeschrittenen Zeit und den Baukosten geschuldet. Beim Blick auf die Gesamtbaukosten – insgesamt 23 Millionen Euro sollte der Bau kosten, am Ende waren es 27 Millionen Euro – hatte man sich plötzlich doch wieder auf die ursprüngliche Version mit Betonfassade besonnen. Allerdings war dies aufgrund des vorangeschrittenen Rohbaus nun nicht mehr in Ortbeton, sondern nur noch mit vorgestapelten, hinterlüfteten Betonfertigteilen möglich. Hanada ging auf Hemmerlein Ingenieure zu – Die Spezialisten für Betonfertigteile aus dem bayrischen Bodenwöhr entwickelten Teile mit zwei Regelbreiten, drei unterschiedlichen Bauhöhen und einer gleichbleibenden Tiefe von 20 Zentimetern. Die Betonfertigteile enthalten 50 Prozent Weißzement, damit das Grau gebrochen wird. Die einzelnen Teile werden vertikal auf den Bodenplattenüberständen beziehungsweise Konsolen an den Kellerwänden abgelastet und durch Zahnhalte-Laschen aus Edelstahl an den Stahlbetonwänden des Rohbaus gehalten. Die Fassadenöffnungen sind durch Sturzelemente überbrückt, sodass die Außenwände von Vertikallasten verschont bleiben. Die Architektin ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden – der feine, fast poliert erscheinende Beton stehe im Kontrast zu den sandgestrahlten Elementen wie Betonsockel, Attika und Portal. Außerdem betont Hanada mit dem starken monolithischen Baukörper die Reminiszenz an das damals neue Baumaterial.

(Foto: Andrew Alberts)

Um die Massivität der Betonfassade am Bauhaus-Museum in Weimar zu brechen, hat sich Hanada mit der normalerweise für Betonfertigteile typischen Symmetrie der Fugen eingehend beschäftigt und für den Neubau einen betont unregelmäßigen Rhythmus entwickelt. Durch die ebenso asymmetrischen Setzungen der Fenster und des Portals – und vor allem mit den durchgehenden horizontalen Lichtlinien – soll dem Kubus eine subtile Bewegung verliehen und dessen Strenge aufgebrochen werden, so die Architektin. Das Lichtdesign der Fassade hat Hanada selbst übernommen – angesichts der Zeit und weil es ein wichtiges künstlerisches Element ist, dank dem das Gebäude mit Eintreten der Dämmerung plötzlich schwerelos zu sein scheint. 24 LED-Lichtlinien umgeben das Gebäude; in vier Abschnitten laufen je zwei Doppellinien relativ nah beieinander. Jede Fassadenseite hätte ein eigenes Thema, eine eigene Bildkomposition: Die Ostseite zeigt sich mit einem großen Portal, die Südseite mit übergroßen horizontalen Fenstern, die Westseite mit schmalen vertikalen Fenstern und die Nordseite mit einer einzigen übergroßen Öffnung für alle Büroräume gemeinsam und mit kleineren Türen. Eine Besonderheit nimmt das Hauptportal ein: Es hat als Pendant zum Außenrahmen auch innen einen tiefen schmalen Betonrahmen, der zeitgleich mit der Ortbetonwand eingegossen und somit Stück für Stück von der Wand eingerahmt wurde.

In der Dämmerung werden in den Fugen die 24 LED-Lichtbänder sichtbar, die einzeln gesteuert und gedimmt werden können. (Foto: Andrew Alberts)

Zur Eröffnung haben die Besucher ein Lichtspiel zu sehen bekommen – denn die einzelnen LED-Bänder sind separat steuer- und dimmbar, was Lichtverläufe ermöglicht. Heute leuchten bei Dämmerung die Lichtlinien zunächst sehr stark, um dann während der Nacht nur noch zart zu schimmern. Hanada hatte zwar die Bauleitung nicht übernommen, den Bau aber dennoch jede Woche während der Bauzeit gesehen. Noch heute betreut sie das Projekt und ist mit der Klassik Stiftung Weimar weiterhin in Austausch – etwa zum Thema Lichtdesign.

Bauherr: Klassik Stiftung Weimar  
Architektur: Prof. Heike Hanada, laboratory for art and architecture, Berlin
Ausstellung: Holzer Kobler Architekturen, Zürich/Berlin  
Tragwerk: ARGE Tragwerksplanung Bauhaus-Museum Weimar – Ingenieurbüro Trabert + Partner, Ingenieurbüro Dr. Krämer GmbH  
TGA: Raible + Partner GmbH & Co. KG

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