Wohnbebauung Braugoldareal in Erfurt
Von der Brauerei zum Wohnquartier
Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten
30. gennaio 2019
Blick von der Schillerstraße
Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten mit lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gewinnen den Wettbewerb um die Wohnbebauung Braugoldareal in Erfurt. Antje Osterwold und Matthias Schmidt stellen sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
In Erfurt soll in der Erfurter Löbervorstadt auf der Gewerbebrache Braugoldareal ein eigenes urbanes Stadtquartier entwickelt werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Das Gebiet wurde vor den Toren der historischen Innenstadt, hinter Bahndamm, Flutgraben und Wallanlagen 1888 als Brauerei entwickelt und genutzt. Entsprechend gründerzeitlich stellen sich heute die umgebenden Quartiere dar. 123 Jahre Braugeschichte sind ins Land gegangen bis 2011 der Braubetrieb endgültig eingestellt wurde.
Das fast 2 Hektar große Grundstück wirkt derzeit total verbaut: Nur mühsam lassen sich selbst vom geübten Auge die „Perlen“ der historischen Brauereigebäude aufspüren. Unzählige Umbauten, Ergänzungen und Neubauten diverser Epochen prägen jetzt das fast vollständig versiegelt erscheinende Areal. Mächtige Kelleranlagen und tiefe fast katakombenartige Strukturen verbergen sich unterirdisch - zum Teil noch unbekannt in Lage, Ausdehnung und Zustand. Der Höhenunterschied von gut 10m begünstigt zudem die allgemeine Unübersichtlichkeit und den Eindruck von Baumasse, die sich einem entgegen zu stellen scheint. Gefasst wird das Gebiet durch straßenbegleitende Bebauung mit überwiegender Wohnbebauung. Da - wo das Braugoldareal an die Straßen angrenzt - zeigt sich der Blockrand fragmentarisch und gestört.
Selten haben wir eine Ausgangslage als so schwierig und wenig inspirierend empfunden (obgleich wir mehrfach schlechtere Bausubstanz und scheinbar wertlosere Gebäude zu „verarbeiten“ hatten).
Lageplan
Wie organisieren Sie das neue Stadtquartier?
Die Neuordnung für das Quartier greift die vorhandenen gründerzeitlichen Motive sowie die historischen Zeugnisse der „Industriestadt Erfurt“ auf.
Das Braugoldareal wird straßenbegleitend neu gerahmt - Straßenzüge und Vorgärten vervollkommnen den Stadtraum und suchen Anschluss an die Umgebung. Dadurch entsteht gleichermaßen eine schützende Fassung für Solitärbauten im Zentrum. Die denkmalgeschützten Brauereigebäude in ihrer Formenvielfalt, unterschiedlichen Maßstäblichkeit und vorherrschenden Materialität von rotem Klinker werden freigestellt und herausgearbeitet, sie bilden die Bezüge für drei neue Einzelgebäude, die diese Spezifika zeitgenössisch und nutzungsbezogen fortschreiben.
Die besonderen historischen Gebäude unmittelbar an den Straßen bilden Auftakte des postindustriellen Quartiersinneren.
Die Topographie im Areal wird im Wesentlichen beibehalten, so dass eine untere Ebene und eine obere Ebene bestehen, die in terrassenartige Staffelung gebracht werden. Dementsprechend erfolgen befahrbare Erschließungen auf der oberen und unteren Ebene ohne Querung. Die Durchwegung des Braugoldareals ist Fussgängern und Radfahrern vorbehalten. In diesem Verständnis werden die Zufahrten zu den Tiefgaragen maximal am Quartiersrand organisiert. Mit einem kleinen Trick gelingt hier die Einbeziehung der alten Keller zur Nutzung und Nord-Süd-Querung. Oberirdisch binden Platz- und Wegeflächen das Quartiersinnere an die Stadtstruktur an.
Baufelder
Was wird die Qualität des neuen Quartiers ausmachen?
Das ehemalige Brauereigelände soll zu einem lebendigen Stadtquartier in Erfurt entwickelt werden. Die Lage in der Stadt ist Erfolg versprechend, die Eigenheit der Historie und der Ankergebäude lassen eine eigene Charakteristik erwarten mit viel identitätsstiftender Wirkung für die neuen Bewohner und Anrainer. Etwa 200 Wohnungen im Angebotsspektrum von sozialen Mietwohnungen bis zu Loftwohnungen im Wohneigentum sollen ganz unterschiedliche Wohnbedarfe in zentraler Lage Erfurts decken. Wohnungsneubau als auch Umbaukonzepte z.B. der alten Maschinenhalle zur „Villa Macchina“ oder des großvolumigen Gärhauses zum gemeinschaftlichen Wohnen im „Patiohaus“ bieten künftig Wohnraum in diversen Größen als auch typologischen Konzeptionen.
Ergänzt wird das Spektrum durch weitere Angebote wie Gemeinschaftsflächen, Gastronomie und Nahversorger.
Die Freiflächen stützen das Konzept der zwei Welten von rahmender Fassung und innerem Kern. Im Inneren entwickelt sich zwischen den Mauern- und Terrassenrelikten eine postindustrielle Landschaft. In industrielle Reliktbeläge eingelegte verbindende Platzflächen, vegetative Pufferzonen, gemeinschaftliche Landschaftsintarsien, private Gartenfelder, einladende Spielzonen und inszenierte Retentionsbereiche entwickeln einen unverwechselbaren Freiraum von hoher innerer Durchlässigkeit, einladender Aufenthaltsqualität und eigenständiger Bildprägung.
Die ergänzte fassende Blockrandbebauung führt die tradierten Elemente von repräsentativem Vorgarten und rückwärtigem Gemeinschaftsgarten fort.
Das Areal neu zu ordnen und dabei die Silhouette der markanten Gebäude schon bei Näherung an das Quartier zu erhalten, ist zentrales Ziel des Entwurfs.
Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?
Für unseren Geschmack ist es nach dem Wettbewerb noch viel zu ruhig um die weiteren Schritte zur Umsetzung. Zweifellos wird ein vorhabenbezogener Bebauungsplan zur Wiederbelebung des Quartiers mit dieser neuen Konzeption erforderlich - das braucht erfahrungsgemäß selbst bei konzentrierter reibungsloser Arbeit unterschiedlichster Mitwirkender ein nicht zu unterschätzendes Zeitfenster.
Wir haben ein großes Interesse und eine hohe Motivation durch die im Wettbewerb gewonnenen Ideen selbige weiterzuentwickeln, auszuarbeiten und umzusetzen. Kein Interesse haben wir an einem lediglich gewonnenen Preis in einer Sammlung nicht realisierter Wettbewerbsgewinne.
Insofern setzen wir auf die Absicht, Energie und weitere Investitionsbereitschaft des Bauherrn nach dem bereits durchlaufenen Entwicklungsprozess seit dem Erwerb des Braugoldareals mitsamt Einsatz und Schöpfen aus dem Wettbewerb.
Modell
Nichtoffener Realisierungswettbewerb im kooperativen Verfahren
Auslober/Bauherr: Gemeinnütziges Siedlungswerk GmbH Frankfurt/Main, Frankfurt am Main
Betreuer: pro ki ba GmbH, Karlsruhe
Jury
Prof. Michael Mann | Canan Rohde-Can| Jens Rossa | Prof. Andreas Wolf
1. Preis
Architekt: Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA, Weimar
Landschaftsarchitekt: lohrer.hochrein landschaftsarchitekten und stadtplaner gmbh, München
2. Preis
Architekt: grabowski.spork GmbH, Wiesbaden
Arge Landschaftsarchitekten: GDLA | Gornik Denkel landschaftsarchitektur partg mbb, Heidelberg | Freiraum Landschaftsarchitekten Rabsilber und Heckmann, Wiesbaden
Stadtplaner: bueroKleinekort architecture | urbanism | research, Düsseldorf
3. Preis
Architekt: cma cyrus | moser | architekten, Frankfurt am Main
Landschaftsarchitekt: Sommerlad Haase Kuhli - Landschaftsarchitekten, Gießen
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