Greentower

gernot schulz : architektur
19. ottobre 2022
Blick auf das Kohlenbunkerensemble der IGA Metropole Ruhr 2027 in Gelsenkirchen (Visualisierung: gernot schulz : architektur GmbH mit Interstitial)
Das Kohlenbunkerensemble der ehemaligen Zeche „Nordstern“ soll zu einem kulturellen, gastronomischen und grünen Produktionsstandort transformiert werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Der Kohlenbunker, die Kohlenmischanlage und die sie verbindende 175 Meter lange Bandbrücke, über die früher Kohlen transportiert wurden, wurden in den 1950er-Jahren von Fritz Schupp und Martin Kemmer als Teil der von 1927 bis 1930 errichteten Zentralkokerei „Nordstern“ in Gelsenkirchen erbaut. Nach der Stilllegung der Kokerei 1993 fand in Gelsenkirchen 1997 eine Bundesgartenschau statt, aus welcher der Nordsternpark hervorging. Das Kohlenbunkerensemble steht seitdem in diesem Park als industriebauliches Relikt, blieb jedoch ungenutzt.

Bestand (Foto: Gernot Schulz)
Lageplan (Zeichnung: gernot schulz : architektur GmbH mit Urbanegestalt)
Wie organisieren Sie das Kohlenbunkerensemble?

Die Nutzungen für die beiden Gebäude wurden durch die Auslobung vorgegeben: Gastronomie und Eventflächen im Kohlenbunker, Ausstellungs- und Verwaltungsflächen sowie Garagen für Parkpflegefahrzeuge in der ehemaligen Kohlensortieranlage. Zudem sollte für die Zeit der Internationalen Gartenschau 2027, für die das Ensemble das Empfangsgebäude sein wird, ein Konzept zum innovativen und beispielgebenden Umgang mit den Themen Fassadenbegrünung und Indoorgardening erarbeitet werden. Bereits entwickelt war die zentrale Freiraumachse mit dem Wasserbecken vor dem Kohlenbunker.

Um die vorgegebene Idee der zentralen Achse vor der Südwestfassade des Kohlenbunkers zu stärken, öffnen wir dort die Fassade und machen das Innere mit den imposanten Kohlentrichtern sichtbar. Die von außen sichtbaren Flächen der ersten beiden Trichter werden als Projektionsfläche genutzt. Zudem wird eine Caféterrasse zwischen Gebäude und Wasserfläche gesetzt. Ein neuer notwendiger Treppenaufgang, der ein Eventgeschoss und die Dachterrasse erschließt, windet sich an und durch einen Trichter, was ein ganz besonderes Erlebnis sein wird. 

Die Konstruktion der Bandbrücke wird freigelegt und kann optional begangen werden. Zudem dient sie zum Transport von Energie und Medien zwischen den Gebäuden und als Gerüst zum Anbau von Gemüse und Kräutern für die Gastronomie. Wir wollen versuchen, sie wenigstens für kleine geführte Besuchergruppen begehbar zu machen, da bei 117 Metern Länge natürlich Fluchtwege fehlen. Die ehemalige Kohlensortieranlage wird im Inneren von unten nach oben immer mehr aufgelöst, indem einzelne Geschossplattenteile entfernt werden. So entsteht zuoberst ein Versuchsgewächshaus auf mehreren Ebenen mit schönen diagonalen Sicht- und Lichtachsen durch die Räume.

Schnitte: gernot schulz : architektur GmbH
Trichter (Piktogramm: gernot schulz : architektur GmbH)
Lüftung (Piktogramm: gernot schulz : architektur GmbH)
Begrünung (Piktogramm: gernot schulz : architektur GmbH)
Tageslichnutzung (Piktogramm: gernot schulz : architektur GmbH)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Wir verfolgen das Ziel, alle Funktionen im Bestand unterzubringen – ohne weitere Zubauten. Ebenso wollen wir das von Schupp und Kemmer entwickelte System der Skeletttragstruktur mit Ausfachungen nutzen und Öffnungen für Verglasungen immer im bereits vorhandenen Gefache einfügen. Die Bandbrücke wird von ihrer Klinkerschale befreit, und das innere Tragsystem, das heute nicht erkennbar ist, wird sichtbar gemacht. 

Für die Fassadenbegrünung ergänzen wir den Kohlenbunker um eine stirn- und oberseitige Pergolastruktur aus Stahl. Dort sollen alle Techniken der Fassadenbegrünung während der Gartenschau exemplarisch gezeigt werden. Hoffentlich wird dies dann den Ausstellungszeitraum überdauern. 

Den Plan des Auslobers, alle großen Betontrichter mit Wasser zu füllen, damit sie als Energiespeichermedium dienen können, wird innerhalb des Budgets nicht darstellbar sein. Aber die große Masse an Beton wird für den Innenraum sowohl architektonisch als auch thermisch trotzdem die Hauptrolle spielen. Wir werden Lichtquellen in den Trichtern installieren. Sie werden über bestehende und gegebenenfalls neue Öffnungen den Raum illuminieren. Dabei ist uns wichtig, dass der große Gastronomieraum nach oben hin so dunkel wird, dass die Konturen der Trichter im Endlosen der Dunkelheit verwischen. Aus der oberen Eventfläche unter der Dachterrasse wird der Blick von oben in die illuminierten Betontrichter einzigartig sein. Der Weg über Gitterrosttreppen darüber wird eine Mutprobe werden. Einzig Leuchten auf den Tischen sollen die Szenerien zusätzlich erhellen.

Innenraum (Visualisierung: gernot schulz : architektur GmbH mit Interstitial)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Zunächst einmal wollen wir mit dem arbeiten, was schon da ist. Die bereits vorhandene Fluchttreppe an der Nordfassade des Kohlenbunkers möchten wir in die Pergolastruktur integrieren. Aus den Abbruchklinkern der Bandbrücke soll eine zweite innere Raumschale mit Zwischendämmung für die beheizten Bereiche der Gebäude errichtet werden. Vorhandene Oberflächen wollen wir im Inneren weder reinigen noch ausbessern. Die Außenflächen sollen nur dort aufgefrischt werden, wo es bauphysikalische Probleme und die Zustandssicherung erfordern. Was notwendigerweise neu gemacht werden muss, wird sichtbar ergänzt – natürlich auch mit der Idee und der Möglichkeit des Rückbaus. 

Fassadenschnitt: gernot schulz : architektur GmbH
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

2027 wird die internationale Gartenschau ihre Tore für die Besucherinnen und Besucher öffnen. Dann müssen und wollen wir fertig sein. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist unsere Strategie des „So-wenig-wie-möglich“ für ein „So-viel-wie-möglich“ entstanden.

Ausschnitt des Kohlenbunkerensembles der IGA Metropole Ruhr 2027 in Gelsenkirchen (Visualisierung: gernot schulz : architektur GmbH mit Interstitial)
IGA Metropole Ruhr 2027 – Kohlenbunkerensemble in Gelsenkirchen
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Stadt Gelsenkirchen
Betreuung: post welters + partner mbB Architekten & Stadtplaner BDA/SRL, Dortmund
 
Jury
Thorsten Kock, Stuttgart, Vors. | Horst Fischer, IGA gGmbH | Dagmar Grote, Ahaus | Prof. Jan Kampshoff, Münster | Ingo Kanehl, Köln | Juliane Kopperschmidt, Dortmund | Judith Kusch, Köln | Heiner Luz, München | Dr. Ralf Brauksiepe, Vivawest Wohnen | Tino Gäfke, Stadt Gelsenkirchen | Joachim Gill, Bezirksbürgermeister | Manfred Leichtweis, Stadt Gelsenkirchen | Matthias Pöhler, BBSR | Sebastian Scholz, Stiftung Zollverein, Essen | Guido Tann, Stadt Gelsenkirchen | Roberto Randelli, Stadt Gelsenkirchen

1. Preis
gernot schulz : architektur GmbH, Köln | Prof. Gernot Schulz und André Zweering
Lisa Küpper, Jonas Lenkewitz, Immo Alf, Elena Kasnatschejew
urbanegestalt, Köln | Johannes Böttger

2. Preis
SEHW Architektur, Berlin | Prof. Xaver Egger · Hendrik Rieger
Mitarbeit: Susanne Boss, Jennifer Reufels, Daniel Spievak, Nadine Kopetzki, Ilona Ahmeti
Henningsen Landschaftsarchitekten, Berlin | Eva Zerjatke
Mitarbeit: Johanna Fecke
Energie: Transsolar Energietechnik GmbH
Visualisierungen: THIRD, Berlin
 
3. Preis
h4a Gessert + Randecker + Legner Architekten, Düsseldorf | Prof. Klaus Legner
Mitarbeit: Pia Spiekermann, Mohamed Baranan
gm013 giencke landschaftsarchitektur, Berlin | Paul Giencke
Mitarbeit: Yotam Olshaker, Kequi Lu, Yihan Fang

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