Historisierende Fassaden in Magdeburg?

Manuel Pestalozzi
29. ottobre 2021
Verschiedene historische Fassaden Magdeburgs sollen in der Überbauung rekonstruiert werden. Das historische Gebäude am Flussufer ist die ehemalige Reichsbahndirektion. Sie beherbergt heute ein Demenzzentrum. (Visualisierung: Duong+Schrader)

Die Altstadt von Magdeburg existiert nicht mehr; nach den großflächigen Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg wurden von den beschädigten Gebäuden nur wenige gerettet: etwa der Magdeburger Dom, das Kloster Unser Lieben Frauen oder das Alte Rathaus. Das historische Stadtbild und das Gefüge der Altstadt sind seit Jahrzehnten nicht mehr erkennbar. Trotzdem regt sich der Wunsch, die Stadt der Vergangenheit durch neue Bauprojekte in Erinnerung zu rufen. Dies wird durch das Vorhaben „Am Prämonstratenserberg“ deutlich.

Das Areal war einst dicht bebautes Altstadtgebiet. Am oberen Bildrand ist das noch immer bestehende einstige Kloster zu erkennen. (Foto: zvg Duong+Schrader)

Die Arealbezeichnung nimmt nicht auf einen bestehenden Berg Bezug, Magdeburg liegt in der Norddeutschen Tiefebene. „Am Prämonstratenserberg“ ist ein Weg durch eine Grünanlage, die einen Trümmerhügel überdeckt. Seit 2009 trägt er diesen für Auswärtige etwas irreführenden Namen, im Gedenken an den Prämonstratenser-Orden, der bis zur Reformation das nahe Kloster betrieb. Die Grünanlage war einst Teil der nördlichen Altstadt von Magdeburg. 2018 schrieb die Landeshauptstadt Magdeburg einen Ideenwettbewerb aus, der als vorbereitende Leistung zur Flächenplanung nach Anlage 9 Nr. 2 zu § 19 (2) HOAI deklariert wurde. Der Verein Stadtbild Deutschland forderte damals, an jener Stelle ein kleinteiliges Altstadtquartier zu formen, welches „maßgeblich zur Belebung der Magdeburger Altstadt beitragen kann.“ Das beinhalte eine kleinteilig parzellierte Blockrandbebauung und eine Mischnutzung, mit einer Erdgeschosszone für Einzelhandel und Gewerbe sowie darüber liegendem Wohnraum.

Offenbar wurden diese Wünsche erhört: Der ehemalige Oberbürgermeister Willi Polte hat es sich gemäß der Volksstimme zur Aufgabe gemacht, am Prämonstratenserberg zumindest ein Stück des alten Magdeburgs wieder auferstehen zu lassen. Dafür hat er sich mit dem früheren Baubeigeordneten Werner Kaleschky und den ehemaligen Stadtplanungsamtsleitern Eckhart Peters und Heinz-Joachim Olbricht zusammengetan und ein Konzept entwickelt. Gebäude aus der Geschichte Magdeburgs, zu denen es im Stadtarchiv noch die Bauakten gibt, sollen wieder aufleben. Das Geburtshaus Otto von Guerickes oder das Haus des heiligen Georgi könnten so wieder ins Stadtbild zurückkehren, hofft man. Die Stadtmauer, die am Prämonstratenserberg unterirdisch verläuft, könnte ebenfalls sichtbar gemacht werden.

Die Kleinteiligkeit des Bebauungsvorschlags bildet einen scharfen Kontrast zu den bestehenden Großbauten der Umgebung. (Visualisierung: Duong+Schrader)

Das im Ideenwettbewerb mit einem 3. Preis ausgezeichnete Architekturbüro Duong & Schrader GmbH, Magdeburg, entwickelte in der Folge ein vom seinem ursprünglichen Projekt völlig abweichendes Bebauungskonzept, das der Stadtrat von Magdeburg in diesem Sommer in einem Grundsatzbeschluss guthieß. Die präsentierten Visualisierungen zeigen Reihungen von giebelständigen „Bürgerhäusern“ mit historisierenden Fassaden, die sich um enge Gassen gruppieren – ein Fragment inmitten der aktuellen, mehrheitlich großmaßstäblichen Bebauung der Umgebung, welche historische Straßenzüge berücksichtigen soll. Auf dieser Basis sollen gemäß Mitteldeutschem Rundfunk die vorgesehenen Bauherren, die Wobau Magdeburg und die Upwind Holding, im Austausch mit Experten sowie Bürgerinnen und Bürgern konkrete Bebauungspläne ausarbeiten. Diese sollen dann erneut dem Stadtrat vorgelegt werden.

Die Nutzungen sollen der Kleinteiligkeit der Bebauung entsprechen und mitunter Gewerberäume umfassen. Allerdings ist auch ein „epochenfremdes“ Quartiersparkhaus eingeplant (rote Volumen). (Plan: Duong+Schrader)

Schon vor dem Grundsatzbeschluss des Stadtrates wurde Kritik am Projekt laut. Zwei Bürgerinnen organisierten eine Petition und bezeichnen die Bebauung als unnötig und den Beschluss als eine „katastrophale Entscheidung in Bezug auf Klimaschutz“. Auch der Architektenverein Magdeburg hat sich kritisch zu Wort gemeldet. Und die Frankfurter Allgemeine sieht Magdeburg bereits als „barockisierende Disneyland-Filiale“. Für die Einwände gibt es sicher eine ganze Reihe guter Gründe, die Methode der Collage zur Evozierung der Vergangenheit sollte man aber nicht von vornherein verwerfen, denn damit geht man auf emotionale Bedürfnisse ein. Die ersten, groben Anregungen für das Areal liegen nun vor. Es ist interessant zu verfolgen, was aus ihnen wird.

Auch Reste der einstigen Stadtmauer sollen wieder erkennbar gemacht werden. (Visualisierung: Duong+Schrader)

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