Beispielhaftes aus Thüringen ausgezeichnet

Manuel Pestalozzi
13. giugno 2022
Eine Rampenanlage verbindet im ausgezeichneten Projekt Nördliche Geraaue den Flussraum mit Erfurts Nordpark. (Foto: © Hanns Joosten)

Der Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen wird seit 2005 ausgelobt. Er zielt weniger auf die Größe oder den gesellschaftlichen Rang der Projekte ab, versichern die Verantwortlichen, gesucht seien vielmehr Beispiele, die durch ihre funktionelle, formale oder technische Lösung überraschen, die originell sind oder verblüffend einfach. Die auf besondere Weise auffallen oder eher bescheiden sind – Bauten, die vielleicht kompromisslos innovativ sind oder auf erfrischende Art Traditionsbewusstsein und Moderne miteinander verbinden. Fünf Jurymitglieder unter dem Vorsitz von Sonja Rossa-Banthien, Garten- und Landschaftsarchitektin aus Dresden, entschieden sich für zwei Preisträger.

Der Grünzug entlang der Gera erstreckt sich über rund 60 Hektaren. (Plan: Christof Geskes)

Das Projekt „Nördliche Geraaue“ in Erfurt vom Berliner Büro geskes.hack Landschaftsarchitekten wurde von der Landeshauptstadt Erfurt in Auftrag gegeben. Die Gestaltung beantwortet nach Auffassung der Jury vorbildlich die aktuelle Aufgabenstellung einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Sie tut dies durch die Schaffung zusammenhängender Grünräume mit niederschwelligen Aufenthaltsangeboten, einem facettenreichen Landschaftserleben und einem alternativen Verkehrswegenetz mit barrierefreien Rad- und Fußwegverbindungen. Das Projekt entstand im Zusammenhang mit der Bundesgartenschau 2021. Diese eröffnete der Stadt Erfurt die Möglichkeit, vorhandene Freianlagen entlang der Gera zu qualifizieren, den Fluss wieder sichtbar zu machen und als attraktiven zusammenhängenden Grünzug mit vielfältigen Erholungsbereichen zu entwickeln. Durch den über 60 Hektar großen Grünzug werden die benachbarten Wohnquartiere im bevölkerungsreichen Norden miteinander verknüpft und erfahren so eine dauerhafte Aufwertung.

Die Restaurierung der Wehrkirche Walldorf wurde nach einem Brand notwendig. (Foto: Karsten Merkel)

Das zweite Preisträger-Projekt ist der Wiederaufbau und die Innenraumgestaltung der Kirchenburg Walldorf von Karsten Merkel aus Meiningen und Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten aus Weimar. Den Auftrag erteilte die Evangelische Kirchengemeinde Walldorf in Meiningen. Die Restaurierung machte ein schwerer Brand im Jahr 2012 notwendig. Das Gebäude wurde äußerlich rekonstruiert – das Wahrzeichen Walldorfs damit ortsbildprägend beibehalten –, jedoch im Innenraum konzeptionell völlig neu gedacht. Die durch den Brand offengelegten Spuren der wiederholten Überformungen und Umbauten der Kirchenburg wurden bewusst sichtbar gemacht, wie beispielsweise in der Fenstergestaltung, in den archäologischen Spuren der Fußbodenteilung, in der alten Form der neuen Kanzel, in den Konturen der Emporen im Deckenspiegel oder auch in den wiederverwendeten Brandbalken in Altar, Taufe und Pult. Es sei ein spielerischer und leichter Raum entstanden, nicht mahnend und Respekt einflößend, lobte das Preisgericht.

Auch der Pfarrgarten wurde liebevoll wiederhergestellt. (Foto: Matthias Schmidt)

Außerdem sprach die Jury des Architekturpreis der Architektenkammer Thüringen 2022 noch drei Anerkennungen aus:

Neubau Altstadtquartier am Georgsturm, Erfurt
Planungsbüro: Hauschild Jugel Architekten PartG mbB, Erfurt
Bauherrschaft: Gemeinnütziges Siedlungswerk GmbH, Frankfurt am Main

Strohballenhaus, Weimar
Planungsbüro: Z·Architektur GbR, Weimar
Bauherrschaft: Familie Hoppe und Familie Schenker-Primus, Weimar

Tank- und Rastanlage, Leubinger Fürstenhügel
Planungsbüros: MONO Architekten, Planorama Landschaftsarchitektur, MUS (alle Berlin)
Bauherrschaft: Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Die Autobahn GmbH des Bundes, diese vertreten durch die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES), in Kooperation mit der IBA Thüringen; Shell Deutschland GmbH

Die ausgezeichneten und mit Anerkennungen versehenen Projekte geben eine gute Übersicht auf die aktuelle Bautätigkeit in Thüringen. Auffallend ist, dass das bewahrende, behütende deutlich im Vordergrund steht, während die pulsierende, produktive Seite des Bundeslandes kaum in Erscheinung tritt. Vielleicht besteht die große Herausforderung der Zukunft darin, auch der profitorientierten Tatkraft einen baukünstlerischen Ausdruck zu verleihen?

Die Tank- und Rastanlage Leubinger Fürstenhügel bietet auch Zugang zum größten noch weitgehend erhaltenen frühbronzezeitlichen Grabhügel Mitteleuropas. (Foto: Thomas Müller)

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