Architekt, Kritiker und Inspirator: Zum Tod von William S.W. Lim

Eduard Kögel
17. gennaio 2023
William S.W. Lim (links) mit Koh Seow Chuan (Mitte) und Tay Kheng Soon (rechts), seinen beiden Partnern bei Design Partnership. Im Hintergrund der Golden Mile Complex. (Foto: Courtesy of William S.W. Lim Archive, nach 1967) 

William Lim wurde 1932 in Hongkong geboren und kam später mit seiner Familie nach Singapur. Zwischen 1951 und 1955 studierte er an der Architectural Association in London, wo z. B. Ove Arup (1895–1988) und Peter Smithson (1923–2003) unterrichteten. 1956 wechselte Lim für ein Jahr als Fulbright Fellow an das Department for City and Regional Planning unter Jaqueline Tyrewhitt (1905­–1983) an die Harvard Universität. Als Architekt gründete Lim mehrere Büros, als Autor schrieb er über ein Dutzend Bücher, beteiligte sich als Aktivist und Intellektueller an transnationalen Diskursgruppen, immer auf der Suche nach den neuesten Trends, mit dem Ziel eine Idee der asiatischen Architektur und Stadt zu definieren.

Seine Architekturbüros verstand Lim immer als kollektive Designunternehmen, die sich an Gruppen orientierten wie The Architects Collaborative (TAC), bei dem Walter Gropius einer der Architekten war, oder dem 1939 in Großbritannien gegründete Büro Architects‘ Co-Partnership. Bereits 1980 schrieb er: „Values, attitudes and visual images are changing at an accelerating rate. The speed of these changes is now unprecedented. A talented architect who practices mainly what he learnt during his formal education 15–20 years ago may be financially successful, but he is professionally irrelevant. The master architect is dead!“ 

People’s Park Complex mit Podium und Hochhausscheibe (Foto: Eduard Kögel, 2019)
„City Room“ im People’s Park Complex (Foto: Eduard Kögel, 2019)
Der Architekt

Nach der Ausbildung kehrte William Lim 1957 nach Singapur zurück und gründete drei Jahre später zusammen mit Lim Chong Keat (1930) und Chen Voon Fee (1931–2008), die ebenfalls in Großbritannien studiert hatten, das Büro Malayan Architects Co-Partnership (MAC), das bis 1967 bestand. Nach der Auflösung von MAC gründete William Lim 1967 zusammen mit zwei jüngeren vormaligen MAC-Associates, Tay Kheng Soon (*1940) und Koh Seow Chuan (*1939), das Büro Design Partnership, das nach dem Ausstieg von Tay ab 1975 als DP Architects Pte (DPA) firmierte. 1981 verlies auch Lim das Büro, das heute mit seinen über 900 Mitarbeitern in der ganzen Welt arbeitet. Die bedeutendsten Bauten der ersten Periode von Design Partnership waren der People‘s Park Complex und der Golden Mile Complex, mit denen der Brutalismus nach Singapore kam. 1981 gründete Lim das Büro William Lim Associates (1981–2002), wo er mit jüngeren Kollegen nach einem Post-Modernismus suchte, von dem er sagte: „Pluralism and rebelliousness are essential ingredients of good design“. Die Bauten aus dieser Periode haben nicht immer den Test der Zeit bestanden, aber für ihn war Bauen auch immer Ausprobieren und Kritik an der gebauten Stadt.

Ursprünglich war der People’s Park Complex in Sichtbeton ausgeführt, wurde aber in diversen „Verschönerungen“ leuchtend gelb-grün gestrichen und im Inneren mit vielen kleinen Dekorationen versehen. (Foto: Eduard Kögel, 2019)
Zwei ikonische Bauten: People’s Park Complex und Golden Mile Complex

Design Partnership entwarf 1967 nordwestlich von Chinatown den People’s Park Complex (Eröffnung 1973). Mit der Kombination aus einem sechsgeschossigen Podium mit mehr als 300 kleinteiligen Shops und einer 25-geschossigen Wohnhochhausscheibe mit 264 Wohneinheiten experimentierten die Architekten mit neuen Ideen. Das urbane Wohnzimmer (City Room) der Nachbarschaft, wie es die Metabolisten in Japan diskutierten, inspirierte das Konzept des öffentlichen Raums im Podium. Als Fumihiko Maki (*1928) später den Bau besichtigte, war er ziemlich erstaunt, dass das was er und seine Kollegen theoretisch durchdachten hier pragmatisch umgesetzt war. Die Idee des urbanen Wohnzimmers im Podium mit kleinteiligen Shops und Werkstätten funktioniert bis heute, obwohl der gesamte Komplex aus kommerziellen Gründen vom Abbruch bedroht ist.

Das folgende Gebäude von Design Partnership, der Golden Mile Complex (Eröffnung 1974), ist ebenfalls aus einer komplexen Mischung von Wohnen, Arbeiten und Handel zusammengesetzt. Die unterschiedlichen Funktionen stapeln sich über der Shoppingmall kaskadenartig übereinander und die Wohnungen haben einen Ausblick über die Flusslandschaft. Die terrassierten Geschosse wurden im Laufe der Jahre von den Nutzern in Eigenregie erweitert und individuell überdacht. Diese selbstermächtigte Collage bezeichneten die Politiker, die sich bereits vor über zehn Jahren für einen Abriss des 70 Meter hohen „Schandflecks“ aussprachen, als vertikalen Slum. Dennoch gelang hier bemerkenswertes: 2021 wurde das Gebäude unter Schutz gestellt und 2022 an einen privaten Investor mit der Auflage verkauft, den Komplex zu sanieren. Jetzt wird diskutiert, ob das nicht auch ein Weg für die Zukunft des People’s Park Complex sein kann. 

Der Golden Mile Complex von der Straße aus (Foto: Eduard Kögel, 2019)
Die von der Thai-Community in Singapur genutzte Shopping Mall im Golden Mile Complex (Foto: Eduard Kögel, 2019)
Netzwerker, Aktivist und Autor

1965 gründete Lim zusammen mit Tay Kheng Soon und anderen die Singapore Planning and Urban Research Group (SPUR), die sich kritisch mit der offiziellen Planung des Stadtstaates auseinandersetzte. Die Zeichnungen aus ihren Publikationen sind bis heute Legende und illustrieren die damalige Planungsideologie, die sich in den zeitgleich entstandenen großmaßstäblichen Projekten People‘s Park Complex und Golden Mile Complex wiederfinden.

In den 1980er-Jahren begann Lim sich auch mit dem Erhalt der bedrohten historischen Bauten in Singapur und Malaysia zu befassen. In Kuala Lumpur sanierte er z. B. 1986 zusammen mit Chen Voon Fee und Carl Larson den in Art Deco erbauten Central Market. Die zunehmende Bedrohung der historischen Architektur in Singapur führte Ende der 1980er-Jahre zur Gründung der Singapore Heritage Society, deren Präsident Lim von 1988 bis 1997 war. Er sanierte auch einige der historischen Shophouses in Chinatown und half mit, die typische Bauweise der Stadt zu erhalten.

Seine Frau Lena Lim gründete 1976 den Verlag Select Books, der sich auf südostasiatische Themen spezialisierte. Hier publizierte Lim viele seiner über ein Dutzend Bücher, die sich mit Stadtplanung, Architektur, sozio-kulturellen Aspekten, sozialer Gerechtigkeit und mit Fragen zur kulturellen Identität befassten.

Vision einer mischgenutzten zukünftigen Bandstadt aus einer Publikation von SPUR (1967) (Grafik: Courtesy of Tay Kheng Soon)
Incomplete Urbanism

2017 organisierte das NTU Centre for Contemporary Art Singapore die Ausstellung „Incomplete Urbanism. Attempts of Critical Spatial Practice“ und publizierte 2020 dazu das Buch „The Impossibility of Mapping (urban Asia)“, denen das Werk von William Lim als Inspiration diente. Zeit seines Lebens blieb Lim ein Suchender nach einer asiatischen Stadtidee, die von sozialen, kulturellen und politischen Komponenten bestimmt sein sollte. Als Aktivist und Avantgardist war ihm die formale Entwicklung seines gebauten Werkes nicht so wichtig, sondern eher wie die Menschen damit lebten und wie sie es zur Entfaltung ihrer eigenen Lebenswirklichkeit nutzen konnten. Im Nachwort des Buches „The Impossibility of Mapping“ schrieb er: „In the current phase of development and context – both regionally and globally – what is clear is that the world is at a critical stage of great uncertainty and instability, with our future clearly unpredictable.“ Und Saskia Sassen schrieb zu diesem Buch: „Each of the contributions in The Impossibility of Mapping (urban Asia) is a testament to Lim’s mode of ‚seeing‘ – seeing with that other eye we all have but rarely use.“ 

Der Central Market in Kuala Lumpur nach der Sanierung 1986 (Foto: Eduard Kögel, 1986)
Der Central Market in Kuala Lumpur nach der Sanierung 1986 (Foto: Eduard Kögel, 1986)

Altri articoli in questa categoria