Marta Maccaglia ausgezeichnet

Katinka Corts
6. maggio 2023
Marta Maccaglia (Foto: Eleazar Cuadros)

Als Marta Maccaglia frisch nach dem Studium über ein Programm der italienischen Regierung nach Peru reiste, wollte sie dort ursprünglich als Erzieherin arbeiten. Vor Ort fand sie jedoch eine verfallene Kindertagesstätte vor. Sie entschied sich zu bleiben und baute mit einer lokalen NRO das Gebäude wieder auf. Dass der später von Marta Maccaglia gegründete gemeinnützige Verein Semillas heißt, zu Deutsch „Samen“, ist also eine treffende Beschreibung. 2014 gegründet und heute mit Sitz in Lima, Junín und Cajamarca, setzen sich dessen Mitglieder für den Zugang zu Bildung und für öffentliche Infrastruktur dort ein, wo sie längst nicht selbstverständlich ist. 

„Für mich ist Bildung das wichtigste Instrument für Freiheit. Wenn wir eine bessere Gesellschaft wollen, brauchen wir eine gebildete Bevölkerung.“

Marta Maccaglia

Mit Semillas ist die studierte Innenarchitektin und Ausstellungsdesignerin diesem Ansatz treu geblieben. Das heute interdisziplinäre Team aus nationalen und internationalen Fachleuten – darunter Architekt*innen, Spezialisten für kooperative Projekte, Bauherren und Handwerker – hat in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Schulen und öffentliche Einrichtungen im peruanischen Dschungel gebaut, insgesamt dreizehn Projekte. Maccaglia hat in ihren mehr als zehn Jahren Arbeit in Peru die Gebiete, Kulturen und Architekturen des Landes erforscht und lehrt seit 2015 zudem an der Universidad de Ciencias y Artes de América Latina.

Alto Anapati (Foto: Eleazar Cuadros)
„Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass unsere Schritt-für-Schritt-Methode nur ein Leitfaden ist, den wir bei jedem Projekt sorgfältig anpassen. Es ist ein ständiger Prozess – wir müssen uns von unseren eigenen Vorurteilen befreien.“

Marta Maccaglia

Problematisch sei laut Maccaglia, dass die Regierung versuche, das Land politisch zu vereinheitlichen und dabei versäume, die indigenen Gemeinschaften der Mikroregionen mit ihren zahlreichen Sprachen mit einzubeziehen. Man wolle europäische modern bauen, was der peruanischen Mentalität eigentlich gar nicht entspricht. Die Planer*innen von Semillas arbeiten hingegen mit einem partizipativen Ansatz, sie wollen diese Vielfalt respektieren und den kulturellen Reichtum und das Wissen der Menschen einbeziehen.

„Sobald die Menschen vor Ort verstanden haben, dass wir keine wirtschaftlichen Interessen haben, begannen sie, uns zu vertrauen. Ich bin keine wohltätige Italienerin – wir tauschen Wissen aus und profitieren von diesen Erfahrungen, weil wir etwas über ihre Kultur lernen und sie etwas über unsere lernen.“

Marta Maccaglia

Alto Anapati (Foto: Eleazar Cuadros)

Schulbauten sind für sie wichtige (weil oft die einzigen) öffentliche Gebäude in einer ländlichen Gemeinde. Entstehen Bauten in einem gemeinsamen Prozess, fördert das den Austausch und das Verständnis in einer Gemeinschaft. Zudem gilt es, jahrtausendealtes Wissen zu bewahren und anhand von Analysen den Boden, die Menschen und ihre Geschichte zu erforschen. Auch künftig möchte Maccaglia Projekte in Peru und im Ausland entwickeln, die der Gemeinschaft dienen. Wichtig findet sie aber auch, politischen Einfluss auf die Wohnungspolitik zu nehmen und über die internationale Zusammenarbeit mit Universitäten Multiplikatoreffekte zu erreichen.

Alto Anapati (Foto: Eleazar Cuadros)
„Wir haben Marta Maccaglia als Preisträgerin ausgewählt, weil wir von der Beständigkeit ihrer architektonischen Haltung bei ihren Projekten beeindruckt waren, die von kleinen bis hin zu großen Projekten reicht, wobei jedes Projekt auch die lokale Kultur und die Besonderheiten des Ortes widerspiegelt.“

Auszug aus der Jurybegründung

Die Jury, die aus den fünf Finalistinnen eine Siegerin zu küren hatte, entschied sich nun für Marta Maccaglia als erste Trägerin des divia awards. „Bei ihrer Arbeit in unterversorgten Gegenden schafft sie Gebäude, die mit einem großzügigen Geist, einem humanistischen Ansatz und einer mutigen Haltung auf die dynamischen Bedürfnisse der Gemeinschaft reagieren können“, heißt es in der Begründung. Sie sei zudem, seit sie nach Peru gekommen ist, ein gleichberechtigter Teil ihrer Wahlheimat geworden. In einer Ausstellung im Architekturforum Aedes in Berlin wird nun Maccaglias Arbeit sowie jene der fünf Finalistinnen gewürdigt.
 

divia award 2023

divia award 2023
Hrsg. Ursula Schwitalla, Christiane Fath
Diversity in Architecture e.V.

22 x 29 cm
92 Pagine
160 Illustrations
Hardcover
ISBN 978-3-7757-5525-2
Hatje Cantz Verlag
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DIVIA – DIVERSITY IN ARCHITECTURE e. V. wurde von Ursula Schwitalla und Christiane Fath 2021 gegründet. Es geht der Plattform darum, die Sichtbarkeit von Frauen in der Architektur und Stadtplanung zu erhöhen. Preise für Frauen können diesen Prozess verstärken. 

Die Arbeiten der Finalistinnen sind ab heute in einer Ausstellung im Architekturforum Aedes in Berlin zu sehen. Zusätzlich erscheint eine Publikation im Hatje Cantz Verlag. Krönender Abschluss der diesjährigen Ausgabe des divia awards wird in der Eröffnungswoche der 18. Architektur Biennale eine Feier im venezianischen Palazzo Contarini Polignac sein.

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