Reminiszenz an die Moderne

Studio Andree Weissert
29. marzo 2023
Der Neubau einer Lagerhalle für den Möbelhersteller Tecta in Lauenförde / Niedersachsen ergänzt den historisch gewachsenen Gebäudebestand. (Foto: HGEsch)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Für Tecta zu bauen bedeutet, sich in einen komplexen Kontext einzufügen. Der Firmensitz des renommierten Möbelherstellers aus Lauenförde befindet sich in einem gewöhnlichen Gewerbegebiet unweit der Weser. Zwischen Industriebetrieben, dörflicher Bebauung und dem Waldrand, hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Kosmos aus Produktion, Lager, Verwaltung, einem Museum und vielfältigen landschaftlichen Setzungen eingefunden. Nach dem Firmengründer Hans Könecke haben Alison & Peter Smithson, Stefan Wewerka und weitere Gestalter deutliche Spuren an diesem Ort hinterlassen.

Der Fuhrpark des Unternehmens bildet den kinetischen Teil der Architektur. Im „Ruhezustand“ wird das Volumen des LKWs zu einem Teil der Architektur (Foto: HGEsch)
Ein Drittel der Lagerfläche dienen dem Kragstuhlmuseum als Sammlungslager. Das Fenster zur Straße wird für die Inszenierung einzelner Artefakte aus dem Sammlungsbestand genutzt. (Foto: HGEsch)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Tecta ist auf vielen Ebenen direkt mit dem Bauhaus verbunden. Die Ideen des Bauhauses sind bis heute für alle Projekte und die Haltung des Unternehmens wegweisend. In besonderer Weise haben die Freischwinger, besser beschrieben als Kragstühle, bei Tecta ein Zuhause gefunden.

Die kubische Staffelung der Volumen, das Auskragen des Vordaches sowie die zur Beladung parkenden LKW als ergänzendes, kinetisches Volumen gedacht, könnte man als Reminiszenz an die Moderne verstehen. Doch viel zielführender war der hohe funktionale Anspruch, der an eine Lagerhalle gestellt wird.

Bestand und Neubau kommen funktional und formal über einen offenen Verbindungsbau zusammen. (Foto: HGEsch)
Die hölzerne, vorvergraute Fassade zieht sich um das gesamte Gebäude. Die offene Fassade eines rückwertigen Bestandsbaus wurde formal in der gleichen Weise ausgeführt. Wechselseitig treten Neubau und Bestand in ein Verhältnis – zusammen bilden sie einen Raum. (Foto: HGEsch)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die Lagerhalle ist eine Erweiterung des Bestands auf einem neu erworbenen Nachbargrundstück. Die unmittelbare Nähe und die notwendige Anbindung an die Produktion war maßgeblich für die Positionierung des Neubaus. Aus Respekt vor dem Bestand, der Belichtungssituation in den Werkstätten und der Zuwegung zu einem weiteren Bestandsgebäude war es unerlässlich, den Neubau deutlich abzurücken. Die formale wie funktionale Verbindung zum Bestand wurde über einen eigenständigen Zwischenbau hergestellt.

Der bauliche Kontext ist maximal heterogen. Jede Zeit hat dort eine Spur hinterlassen. Mit der hölzernen Fassade und Konstruktion nimmt der Bau Bezug zu den in Resten anwesenden Scheunen und Fachwerkhäusern auf und überführt dieses Motiv in eine zurückhaltende, dem Zweck dienende Form.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Bei Tecta wird jeden Tag Gestaltung verhandelt! Nur selten hat man das Glück, so mündige und mutige Bauherren mit einem hohen Qualitätsanspruch zu haben.

Der Verbindungsbau ist die trockene Überfahrt zwischen Produktion und Lager. Der entstandene Raum bietet Schutz und Offenheit gleichermassen. Andree Weissert hat für Tecta nicht nur Bauten, sondern auch Möbel entworfen. (Foto: HGEsch)
Schönheit ist nur bis zu einem gewissen Grad planbar. Die Magie des Lichtes funkelt auch durch einen Industriebau. Schönheit ist das, was wir sehen. (Foto: HGEsch)
Die Lagerflächen sind auf das Sortiment und Bedürfnisse der Möbelproduktion abgestimmt. Die Halle wird über Lichtkuppeln weitestgehend natürlich belichtet. Die Bodenplatte ist thermisch aktiv und sorgt für ein konstantes Raumklima. (Foto: HGEsch)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Abgesehen davon, dass es vorab bereits eine Planung mit einem deutlich komplexeren Raumprogramm gab, hat sich der Entwurf nach der Überführung in die Ausführungsplanung nicht grundlegend verändert. Lediglich die Fassade haben wir vereinfacht. Während es vorab drei unterschiedliche Fassadenausführungen gab, die die unterschiedlichen Volumen des Baukörpers lesbarer machen sollten, haben wir uns im Prozess für die Reduktion für eine durchgängige Fassadenausführung entschieden. Es war eine gute Entscheidung, die einvernehmlich von allen Beteiligten getroffen wurde.

Die Tecta Landscape aus der Luft: Das gesamte Gelände wurde von Alison & Peter Smithson als industrieller Landschaftspark geplant. Oben rechts im Bild befindet sich das von den Smithsons entworfene Kragstuhlmuseum, unten links im Bild die neue Lagerhalle. (Foto: HGEsch)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Halle ist weitestgehend ein Holzbau, der in Ständerbauweise errichtet wurde. Das Tragwerk wurde dahingehend optimiert, dass Ressourcen so sparsam wie möglich zum Einsatz kommen. Es wurde weitestgehend auf die Verwendung von Verbundbaustoffen verzichtet. Die Halle wird über Oberlichter natürlich belichtet. Über die Bodenplatte wird die Halle temperiert. Die Energie dafür wird aus Überkapazitäten der bestehenden Heizungsanlage gespeist. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage installiert.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Studio Andree Weissert)
Schnitt (Zeichnung: Studio Andree Weissert)
TECTA Lagerhalle
2022
Sohnreystraße 12
37697 Lauenförde
 
Nutzung
Warenlager, Museumslager
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
TECTA Bruchhäuser & Drescher KG
 
Architektur
STUDIO ANDREE WEISSERT, Berlin
Andree Weissert
Grundlagenermittlung, Entwurfsplanung, Ausführungs- und Detailplanung sowie künstlerische Bauleitung
 
Fachplaner, Bauleitung
Wilde Bauplanung, Dipl.-Ing. Gerhard Wilde, Boffzen
Herr Wilde hat als Bauingenieur vor Ort den Bauantrag eingereicht, Teile der Ausführungsplanung angefertigt, Ausschreibung, Vergabe und die technische Bauleitung übernommen
 
Ausführende Firmen
Beineke-Holzbau, Boffzen
 
Hersteller
Hörmann Sektionaltore
und sonst nur regionales Holz, Stahl und Alu als Normprofile, Beton,...
 
Bruttogeschossfläche
710 m2
 
Gebäudekosten 
ca. 1.200.000 €
 
Fotos
HGEsch, Hennef

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