Feuerwehr- und Bürogebäude als Stadtbaustein
8. février 2023
Feuerwache 1 – Süd in Stuttgart von Steimle Architekten (Visualisierung: VIZE)
Steimle Architekten gewinnen den Wettbewerb um die Feuerwache 1 – Süd in Stuttgart. Thomas Steimle stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Die aktuelle Feuerwache 1 Süd ist in einem sanierungsbedürftigen Zustand und soll an gleicher Stelle durch einen Neubau ersetzt werden, das dem heutigen Stand der Technik entspricht und ein gestalterisch, konstruktiv und energetisch innovatives und nachhaltiges Gebäudeensemble ergibt. Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?Den Entwurf für ein innerstädtisches Feuerwehrgebäude in räumlich beengter Situation zu entwickeln und zudem noch mit Sitz in derselben Stadt war für unser Büro eine besondere und spannende Herausforderung. Es galt ein Gebäudeensemble mit Mischnutzung – Feuerwehr- und Bürogebäude – als neuen Baustein in eine gewachsene heterogene städtische Struktur einzubetten. Der Neubau soll dabei beiden Hauptnutzungen gleichermaßen gerecht werden und der Lösungsansatz optimale Qualitäten sowohl für die Feuerwehr als auch die Büroeinheiten schaffen.
Im innerstädtischen Kontext sollten die Randbedingungen, die sich über die Nachbarbebauung ergeben, aufgegriffen und mit einer Transformation in die heutige Zeit fortgeschrieben werden. Getreu nach dem Motto – zeigen was man macht – sind die Nutzungen anhand der Ausformulierung und Gestaltung des Gebäudeensembles klar zuzuordnen und von außen ablesbar. Ziel war es einen Neubau für eine lebendige Feuerwehr zu entwerfen, der eine positive Ausstrahlung auf des gesamte Quartier hat.
Städtebau (Piktogramm: Steimle Architekten BDA)
Wie kamen Sie zum Baukörper?Mit der Schaffung einer massiven zweigeschossigen Sockelzone, den beiden aufgesetzten lebendigen Bausteinen in Holzbauweise und der Pergola als Dachzone wird die traditionelle Dreiteilung der Nachbarbebauung aufgegriffen und neu interpretiert. Dabei reagieren die neuen Baukörper in ihrer Höhenabwicklung auf das direkte Umfeld und interagieren mit den umgebenden Häusern. Die Sockelzone, die das Gebäudeensemble zu einer Einheit zusammenbindet, markiert nach außen hin die dynamischen Prozesse der Feuerwehr mit dem besonderen Bereich des Ausrückens und Zurückkommens. Die beiden darüberliegenden filigran gestalteten Verwaltungsriegel öffnen das Ensemble bewusst zur Jakobstraße hin und geben die Blickbeziehung in den Feuerwehrhof frei. Es entsteht eine offene Raumwirkung und der Feuerwehralltag ist von außen erlebbar.
Verkehr (Piktogramm: Steimle Architekten BDA)
Erschließung (Piktogramm: Steimle Architekten BDA)
Wie organisieren Sie das Gebäude?Das Sockelgeschoss nimmt die klassischen Nutzungen der Feuerwehr auf wie die Fahrzeughalle, den Rettungsdienst mit zugehörigen Nebenräumen und die Waschhalle. Die Werkstätten befinden sich im UG der Nachbarbebauung und werden vom Innenhof ebenerdig erschlossen. Im Zwischengeschoss des Sockels sind die SW- Umkleiden untergebracht.
Über den beiden Sockelgeschossen liegt die begrünte Platte, die als „zweites Erdgeschoss“ aber auch als „Grünoase“ fungiert. Diese Regenerationsfläche bietet den Nutzern Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität.
Funktional und kompakt organisiert sind die gesamte Administration, die Sozialräume und Sportwelt der Feuerwehr ist in den 4 Geschossen des Holzriegels zur Heusteigstraße hin untergebracht. Mit der zum Feuerwehrhof hin vorgelagerten Stahlkonstruktion und der Steigschutzanlage wird das Feuerwehrgebäude selbst zum Trainingsgelände.
Der schmalere zur Katharinenstraße hin orientierte Holzriegel ist als reines Bürogebäude konzipiert und für die Fremdvermietung vorgesehen. Durch klare Zonierungen in Arbeitsräume und Servicezonen entstehen attraktive Flächen. Die Konstruktion erlaubt eine flexible Flächenaufteilung.
Blick über den Hof (Steimle Architekten BDA/Visualisierung: VIZE)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?Für die Entwicklung eines in sich schlüssigen Konzepts sind mehrere Faktoren maßgeblich – die Reaktion auf das Umfeld, die Funktionszuordnung innerhalb der Baukörper und der Effekt, den der neue Baustein auf sein Umfeld und das Quartier haben soll.
Ein Gebäude für eine Berufsfeuerwehr sollte auch als solches klar erkennbar sein. Die Ablesbarkeit der Nutzungen und Funktionen über die architektonische Gestaltung des Ensembles galt es über das Entwurfskonzept zu transportieren. Die klare Strukturierung in die Nutzungsbereiche mit der horizontalten Schichtung der Baukörper spiegelt sich auch in der Materialität wider. Während auf Straßenebene eine für die dynamischen Abläufe der Feuerwehr optimierte Gebäudeorganisation zu entwickeln war, sorgt die „grüne Platte“ mit Ruhe- und Kommunikationszonen für positive Auswirkungen auf das Mikroklima der beiden darüberliegenden Verwaltungsriegel. Dabei steht das Gebäudeensemble in Wechselbeziehung mit der Nachbarbebauung und fügt sich in die städtische Struktur ein.
Fassadenausschnitt (Steimle Architekten BDA/Visualisierung: VIZE)
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion und Material zeichnen Ihren Vorschlag aus?Die Feuerwache wird in einer nachhaltigen Bauweise aus heimischem Holz und Recycling-Beton errichtet. Die Materialen werden nicht als Verbundbauteile eingesetzt, sondern werkstoffrein, womit ein Großteil des Tragwerks rückgebaut und der Wiederverwendung zugeführt werden kann.
Das in das Erdreich eingegrabenen Untergeschoss, sowie das hochfrequentierte Erdgeschoss werden in klassischer Stahlbetonbauweise ausgebildet, die Decke über dem Erdgeschoss in Fertigteilbauweise aus Stützen, vorgespannten Unterzügen und dazwischen gehängten Rippendecken. Mit den vorgefertigten, vorgespannten Unterzügen können großen Lasten über großen Spannweiten wirtschaftlich abgetragen werden und der Materialverbrauch wird gegenüber einer „flächigen“ Bauweise deutlich reduziert.
Aufgesetzt wird ein einfacher, zugleich sehr effizienter Holzskelettbau bestehend aus miteinander verschraubten Stützen, Unterzügen und darauf aufliegenden Brettsperrholz-Elementen. Dem Gebäude vorgelagert ist eine filigrane, witterungsgeschütze, statisch eigenständige Stahlkonstruktion aus Recyclingstahl, welche unterschiedlichste Zusatz-Nutzungen erlaubt.
Die gewählte Konstruktion führt zu einer deutlichen Gewichtsreduktion im Vergleich zu einer konventionellen Massivbauweise, was sich positiv auf die Dimensionierung aller Bauteile auswirkt und so zu direkten Materialeinsparungen führt. Die geplante werkstoffreine Systembauweise mit ihrem sehr hohen werkseitigen Vorfertigungsgrad und einfach zu transportierenden und auch zu montierenden Bauteilen ermöglicht neben der guten Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit eine kurze Bauzeit verbunden mit einer emissionsarmen, sprich trockenen, staubarmen und leisen Baustelle.
Detail (Zeichnung: Steimle Architekten BDA)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?Das Wettbewerbsverfahren ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen und die Verhandlungen mit den Preisträgern stehen noch aus. Eine Benennung von Terminen ist im Moment nicht möglich.
Modell (Foto: Béla Berec)
Nicht offener Wettbewerb
Auslobung: Landeshauptstadt Stuttgart
Betreuung: pp a l s pesch partner architekten stadtplaner, Stuttgart
Jury
Prof. Jens Wittfoht, Vors. | Cem Arat | Prof. Stefanie Eberding | Joel Harris | Liza Heilmeyer | Harald Kloiber | Thorsten Kock | Eckart Mauch | Prof. Dr. Christina Simon-Philipp | Achim Söding | Dr. Clemens Maier | Peter Pätzold | Peter Holzer | Dr. Georg Belge | Florian Pitschel | Alexander Kotz | Dr. Maria Hackl | Stefan Urbat | Doris Höh
1. Preis
Steimle Architekten GmbH, Stuttgart
2. Preis
h4a Gessert + Randecker Generalplaner GmbH, Stuttgart
3. Preis
wulf architekten, Stuttgart