Eigenheim als Labor? Ein Gerichtsfall

Manuel Pestalozzi
6. février 2023
Das Experimentalhaus eines Professors und Architekten wurde für Forschungsprojekte genutzt. Der Status der Immobilie ist aber umstritten. (Visualisierung: Prof. D.H. Braun/GBT/RWTH Aachen)

Das Projekt ist auf der Website „Häuser des Jahres“ aufzufinden. Es wird dort als „Reallabor“ und Experimentierhaus vorgestellt. Die Kombination von Versuch und konkretem Nutzen begründet der Erläuterungstext wie folgt: „Für die Erprobung und Erforschung innovativer gebäudetechnologischer Entwicklungen sind Bauprojekte für externe Bauherren meist ungeeignet: Gewährleistungen, Haftungsfragen und langwierige Bauteilzulassungen lassen sich nur schwer vermitteln.“ Der Architekt und Professor am Lehrstuhl für Gebäudetechnologie (GBT) der RWTH Aachen beschloss deshalb, „sein Reallabor“ selbst zu bauen, an seine sechsköpfige Familie zu vermieten und „somit – quasi am eigenen Leib – zu erforschen“. Der Stahlskelettbau mit 300 m2 Wohnfläche ist zu fast 100 % verglast, zwecks Durchführung von Testreihen für den Sonnenschutz. Außenliegende Stege machen eine Zone zwischen der thermischen Hülle und dem Gebäudeabschluss zugänglich.

Auf der Website des GBT ist ein Forschungsprojekt dokumentiert, bei welchem explizit ein Zusammenhang mit dem „Reallabor“ hergestellt wird: die „Entwicklung eines massenmarkttauglichen bidirektionalen Echtzeit-Energiemanagements, kurz BEEM-System“. Die Rede ist von der Entwicklung eines automatisierten Planungs- und Integrationsprozesses, der anhand der angeschlossenen Systemkomponenten die einzelnen Fähigkeiten des Gesamtsystems bestimmt und die entsprechenden Funktionen zur Verfügung stellt. BEEM-System wurde 2019 lanciert und gilt gemäß der Resultatliste einer Suchanfrage auf der GBT-Website als abgeschlossen. Zwei auch schon abgeschlossene Forschungsprojekte auf der Resultatliste, sie befassen sich mit der Gebäudehülle, sind ebenfalls mit Visualisierungen dokumentiert, welche auf das „Reallabor“ hinweisen.

Riskantes juristisches Experiment

Mieter, Planer, Hochschulforscher – diese Rollenvielfalt rund um das „Reallabor“ hat den Professor nun vor Gericht gebracht. Wie der Westdeutsche Rundfunk Köln (WDR) mitteilt, muss sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob der Bau des im Bericht als Luxusvilla titulierten „Reallabors“ tatsächlich ein Forschungsprojekt ist oder ob der Professor zu Unrecht Mitarbeiter*innen seines Lehrstuhls auf der Baustelle eingesetzt habe. Hinzu kommt der Vorwurf der Steuerhinterziehung, der sich wohl ebenfalls um den rechtlichen Status der Immobilie dreht. Es gehe in dem Verfahren um einen Gesamtschaden von mehr als einer Million Euro.

Der Beschuldigte setzt sich gegen die Vorwürfe zur Wehr. Der Richter schlug ihm, so meldet der WDR, eine Bewährungsstrafe von knapp unter einem Jahr vor, wenn er Untreuetaten und den deutlich überwiegenden Teil der vorgeworfenen Steuerdelikte gestehe und freiwillig aus dem Beamtenverhältnis ausscheide. Dieses Angebot lehnte der Angeklagte ab. Sein Verteidiger kündigte an, dass er um seinen Beamtenstatus und somit auch seine Pensionsansprüche kämpfen werde.

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