Erinnerungsort bewahrt

Wandel Lorch Götze Wach
10. avril 2019
Rekonstruierter Erker über dem neuen Eingang (Bild: Simon Sommer)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Gebäude wurde 1816 als Wohnhaus erbaut und seither sowohl in der Nutzung als auch in der baulichen Gestalt mehrfach gravierend verändert. Heute wird in der ehemaligen Gestapo-Zentrale an einem authentischen „Täterort“ Polizeigeschichte aufgearbeitet. Eine Herausforderung bei der Bauaufgabe war es, das bestehende Bürogebäude in ein typologisch funktionierendes Museum umzugestalten und die neue Nutzung im Stadtraum präsent werden zu lassen

Retuschiertes Foto des Stuttgarter Charlottenplatzes mit dem „Hotel Silber“, um 1958 (Quelle: Landesmedienzentrum Baden-Würrttemberg, Stuttgart)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Auch mit Blick auf aktuelle politische Tendenzen ist es unabdingbar, sich mit totalitären Systemen und Strukturen auseinanderzusetzen, um deren Wiederholung zu verhindern. Um das Verschwinden der Zeitzeugen zu kompensieren müssen Orte geschaffen werden, die szenisch und baulich die Vermittlung des Vergangenen übernehmen. In den Worten von George Santayana: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Wiederhergestellter historischer Raum, der heute als Foyer und Veranstaltungsbereich genutzt wird (Bild: Simon Sommer)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Mitten in Stuttgart gelegen, strahlt das Hotel Silber mit einem markanten Eingangselement und über die Fassade verteilten Fensterprägungen in den Stadtraum. Dabei zitiert das Eingangselement den historischen Erker und die Begriffe in den Fenstern kommunizieren die Themen der Ausstellung nach aussen. Der Flur im Innenraum wird in der Nutzung verfremdet, er ist nicht begehbar und stattdessen Inszenierungsort. Zusammen mit den Schreibtischen verweist er eindringlich auf Täter die hier gewirkt haben. 

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das Hotel Silber sollte abgerissen werden und einem Einkaufsquartier weichen. Durch den massiven Widerstand einer eigens gegründeten Bürgerinitiative konnte das Bauwerk erhalten werden. Als Architekten durften wir nach dem Wettbewerbsverfahren sowohl die Planung für den Umbau und die Sanierung des Gebäudes als auch den Auftrag für die Szenographie ausführen. Mit dem Land Baden-Württemberg als Bauherr und Eigentümer des Gebäudes, dem Haus der Geschichte als Nutzer und der ständigen Begleitung durch die Bürgerinitiative entstand eine partizipative Arbeitsumgebung.

Inszenierter Flur der Dauerausstellung mit dem Täter (Bild: Simon Sommer)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das Projekt wurde in seiner grundsätzlichen Konzeption so umgesetzt wie im Wettbewerbsentwurf vorgesehen. Es konnte im Bauprozess durch die Einbeziehung von historischen Spuren wie dem ehemaligen Eingang, Stuckdecken mit Goldbesatz und den originären Tragkonstruktionen ergänzt und gestärkt werden. Im Bereich der Szenografie konnte durch die weiteren Recherchen der Kuratoren das Konzept mit zusätzlichen Informationen und Objekten komplettiert werden.

Ausstellung mit Kabinetten, Schreibtischen und Fensterverfremdung (Bild: Simon Sommer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das Gebäude musste in brandschutztechnischer, tragwerksplanerischer und haustechnischer Hinsicht für die Nutzung als Museum ertüchtigt werden. Dabei ist es gelungen, hohe technische Anforderungen zu erfüllen, ohne dass diese auffallend in Erscheinung treten. Im Dialog mit den Beteiligten konnten unter Berücksichtigung des Bestands individuelle und zielführende Lösungen erarbeitet werden.

Wechselausstellungsraum im 2. Obergeschoss - Baudokumentation im September 2017 (Bild: Simon Sommer)
Wechselausstellungsraum im 2. Obergeschoss (Bild: Simon Sommer)
Grundriss 2. Obergeschoss (Quelle: Wandel Lorch Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Quelle: Wandel Lorch Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Wandel Lorch Architekten)
Grundriss Untergeschoss (Quelle: Wandel Lorch Architekten)
Ansicht Nord (Quelle: Wandel Lorch Architekten)
Erinnerungsort Hotel Silber
2018
Dorotheenstraße 10
70173 Stuttgart

Nutzung
Museum
 
Auftragsart
Wettbewerb

Bauherrschaft
Umbau und Sanierung: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Stuttgart
Szenographie: Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Stuttgart

Architektur und Szenographie 
Wandel Lorch Götze Wach, Frankfurt am Main
Prof. Andrea Wandel, Prof. Wolfgang Lorch, Florian Götze, Thomas Wach
Projektbearbeitung: Florian Götze, Julia Höbelheinrich, Michael Albertinelli, Lena Packert, Dana Pretzsch
 
Fachplaner
Ingenieurgesellschaft Dietrich mbH, Esslingen am Neckar
Rentschler und Riedesser Ingenieurgesellschaft mbH für Technik im Bau, Filderstadt
Siethoff Ingenieurgesellschaft mbH, Filderstadt

Bauleitung
schleicher.ragaller architekten bda partnerschaft mbb, Stuttgart

Bruttogeschossfläche
1.600 m²

Gebäudevolumen
20.100 m³

Gesamtkosten
4.500.000 €
 
Fotos
Simon Sommer Fotografie

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