Grünes Vorzeige-Projekt

Ulf Meyer
31. enero 2020
Modellfoto: SMAQ Architektur und Stadt GmbH

Der Berliner Bezirk Kreuzberg gilt als grünes Urgestein und sein Stadtbaurat Florian Schmidt als Speerspitze einer aktivistischen Stadtentwicklungs- (respektive -Entwicklungsverhinderungs-) Politik. Angesichts des kontrovers diskutierten Eingreifens in den Immobilienmarkt seines prominenten Doppel-Bezirks bekommt das Agieren des grünen Politikers viel Aufmerksamkeit. Von seinem Büro im Kreuzberger Rathaus aus kann der Politiker auf das „Dragonerareal“ schauen, das „gemeinwohl-orientiert“ zu einem neuen Wohn- und Stadtquartier werden soll.

Grafik: SMAQ Architektur und Stadt GmbH

Der städtebauliche Entwurf von „SMAQ Architektur und Stadt“ aus Berlin hat sich im Wettbewerb gegen ifau und RobertNeun durchgesetzt. Die drei Planungsteams hatten in den vergangenen fünf Monaten in einem Werkstattverfahren ihre Entwürfe erarbeitet.  
Der Vorsitzende der Jury, Rudolf Scheuvens aus Wien, erklärt zum Siegerentwurf: „Mit SMAQ haben wir eine belastbare, robuste Konzeption. Im nächsten Schritt geht es nicht nur um das Bauen, sondern um das Weiterentwickeln dieser Konzeption und des kooperativen Prozesses.“ Der Entwurf „arbeitet die Differenz zwischen der ehemaligen Kasernenanlage und der gründerzeitlichen Blockrandbebauung heraus“. Er bietet „offene Räume, die zur Begegnung einladen und sich gut mit der Nachbarschaft vernetzen“, attestierten ihm die Auslober.

Modellfoto: SMAQ Architektur und Stadt GmbH

Das neue Stadtquartier soll Raum „für bezahlbaren Wohnungsneubau, Gewerbe sowie Kultur bereitstellen“. Die Reithallen und Remisen sollen erhalten bleiben, 525 Wohnungen gebaut werden und ein 16-stöckiger Turm ebenso. Die beiden angrenzenden Ämter gilt es zu erweitern. Die Grundstücksform ist pentagonal in einen viereckigen Berliner Baublock eingeschrieben. Die Architekten haben sich von Man Made Land (Landschaftsarchitektur) und Barbara Schindler (Kommunikation) beraten lassen. Bekannt ist das Gelände wegen der ehemaligen Dragoner-Kaserne von 1854 mit den kuriosen Zinnen-bewehrten Türmen, die wie eine Burg wirken. Seit 1923 nutzt das Finanzamt das Gebäude, die ehemaligen Ställe und Wirtschaftsgebäude sind mit Gewerbebetrieben, einem Bio-Markt und einem Club gefüllt. Nachdem die „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ das Areal verkauft hatte, plante ein Investor einen Teil-Abriss und den Bau von Luxuswohnungen. Um das zu verhindern, gründete sich 2011 der Verein „Upstall Kreuzberg“ und das Land kaufte das Grundstück vom Bund.  

Der Block entspricht Schmidts Vorstellungen einer Stadtentwicklung, die „orientiert an den Bedürfnissen von Menschen ist, die steigende Mieten und Verdrängung fürchten“. Dass dieser Wunschtraum ohne massive Subventionen nicht ohne Weiteres umzusetzen ist, beweist das benachbarte Bauprojekt Möckernkiez. Was hier als hochtrabendes „linkes“ Stadtprojekt begann, endete als architektonische triste, städtebaulich gewöhnliche Handelsware.

 

Grafik: SMAQ Architektur und Stadt GmbH

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