Erweiterungsbau Schulungszentrum der BG RCI in Maikammer von baurmann.dürr

Im Boden mit Ausblick

Thomas Geuder
27. agosto 2018
Der Erweiterungsbau des RCI-Schulungszentrums liegt in der sanft hügeligen Landschaft der Vorderpfalz in Mitten von Weinreben mit Blick auf den malerischen Haardtrand. (Bild: Swen Carlin)

Projekt: Erweiterungsbau Schulungszentrum der Berufsgenossenschaft Rohstoffe Chemie und Industrie (Maikammer, DE) | Architektur: baurmann.dürr architekten (Karlsruhe, DE) | Bauherr: Berufsgenossenschaft Rohstoffe Chemie und Industrie (Heidelberg, DE) | Hersteller: Zumtobel Lighting GmbH (Dornbirn, DE), Kompetenz: Flächenleuchten

Das wissen nur wenige: Der kleinen Gemeinde Maikammer – gelegen in der Pfalz südlich von Neustadt an der Weinstraße – hat das Bauwesen eine ganz besondere Erfindung zu verdanken: Um das Jahr 1850 wurde hier nämlich von den beiden Brüdern Franz und Anton Ullrich das sogenannte „Klappmeter“ erfunden, das 1886 zum Patent angemeldet und 1889 erstmals auf der Weltausstellung in Paris präsentiert wurde, allseits bekannt als: Meter. Den Gelenkmaßstab mit Federsperre hatten die beiden so perfekt entwickelt, dass er bis heute in seiner ursprünglichen Form verwendet wird. Besonders an Maikammer aber sind nicht nur der Zollstab und die Weinberge, sondern auch die Lage in einer sanft hügeligen Landschaft und der Blick auf den malerischen Haardtrand, den Ostrand des Pfälzerwaldes. In dieser Idylle befindet sich ein Schulungszentrum der in Heidelberg beheimateten Berufsgenossenschaft Rohstoffe Chemie und Industrie. Das Gebäude-Ensemble mit Unterrichtsräumen, Hotel und Gastronomie ist eine quasi in sich geschlossene Anlage mit nur wenig Spielraum für Anbauten.

Der Ansatz der Architekten war, ein Gebäude wie ein Landschaftsbauwerk zu errichten. (Bild: Swen Carlin)

Für die im Jahr 2014 dennoch angestrebte Erweiterung suchten sich die Architekten Henning Baurmann und Martin Dürr aus Karlsruhe eine Ecke aus, die die einzige noch verbleibende Stelle im baulichen Ensemble war, die auch für die innere Organisation eine sinnvolle Erweiterung darstellt. Da sich hier topografisch ein Hang befindet und zudem der Wunsch bestand, mit dem Neubau nicht in Konkurrenz zum Bestand zu treten, war es für die beiden Archtiekten die beste Lösung, das Gebäude direkt in den Hang hineinzubauen. Ihr Gebäude tritt so nicht unbedingt als Gebäude in Erscheinung, sondern als eine Art Landschaftsbauwerk, das je nach Blickrichtung kaum wahrnehmbar ist. Unterstützt wird dieser Effekt noch durch das Begrünen des Dachs. „Die Wahl von Beton als Material für die Außenhülle ist eine logische Konsequenz aus dem Ansatz, das Gebäude als Landschaftsbauwerk zu entwerfen“, beschreiben die Architekten, auch weil Beton aus konstruktiver und abdichtungstechnischer Sicht das sinnvollste und wirtschaftlichste Material sei.

Betonträger vervollständigen die Gebäudekubatur und bilden gleichzeitig eine Art Rahmung für den Ausblick in die reizvolle Landschaft. (Bild: Swen Carlin)

Somit war auch der Entwurf einer Fassade nur noch zweitrangig. Dafür aber wurde das Thema der Beleuchtung der Innenräume umso wichtiger. Ihr selbstgesteckter Anspruch war es, viel natürliches Licht in den Innenraum zu holen, weswegen sie den Baukörper zunächst durch Einschneiden mit Lichthöfen versehen haben, einer an der vorderen im Südwesen, der andere diagonal an der hinteren Ecke im Nordosten. Die drei Büroräume sind dem hinteren Lichthof zugeordnet, ein großer, in der Mitte teilbarer Seminarraum dem vorderen Lichthof. Dieser ist denn auch der deutlich repräsentativere der beiden Lichthöfe, mit wunderbarem, gerahmtem Blick auf die Landschaft. Hier kann man sich auch den Unterricht im Freien vorstellen.

Der hintere Lichthof ist eher introvertiert, ihm sind die Büros zugeordnet. (Bild: Swen Carlin)

Die Innenräume schließlich sind eher funktional gestaltet, mit möglichst hellen Oberflächen und dunklem, langlebigem Parkettboden. Die raumhohe Verglasung lässt viel natürliches Licht hinein. Auch hier spielen die Architekten mit dem Thema des Lichts von oben: Statt der in solchen Räumen allzu oft eingesetzten Rasterleuchten, sind hier kreisrunde Deckenleuchten mit gleichmäßiger LED-Ausleuchtung (Zumtobel) eingebaut, die der ansonsten vorherrschende gestalterischen Strenge etwas Verspieltes entgegensetzen. Genau genommen sind sie sogar das einzige runde Gestaltungselement in dem Erweiterungsbau. Das wertet die Seminarräume noch einmal auf – und trägt hoffentlich dazu bei, dass die Seminarteilnehmer stets aufmerksam sind.

Der vordere Lichthof besitzt einen eher öffentlichen Charakter und könnte auch als Erweiterung im Sinne einer Freiklasse genutzt werde. (Bild: Swen Carlin)
Der teilbare Seminarraum erhält viel natürliches Licht vom Hof und wird gleichzeitig von runden Deckenleuchten bespielt. (Bild: Swen Carlin)
Lageplan (Quelle: baurmann.dürr)
Grundriss (Quelle: baurmann.dürr)
Längesschnitt (Quelle: baurmann.dürr)
Je nach Blickwinkel verschwindet der Erweiterungsbau in der Landschaft und bietet keine bauliche Konkurrenz zum Bestand. (Bild: Swen Carlin)

Projekt
Erweiterungsbau Schulungszentrum der Berufsgenossenschaft Rohstoffe Chemie und Industrie
Maikammer, DE

Architektur
baurmann.dürr architekten
Karlsruhe, DE

Team
Martin Dürr (Projektleitung), Joachim Hakenjos (Bauleitung), Aristid Chang

Bauherr
Berufsgenossenschaft Rohstoffe Chemie und Industrie
Heidelberg, DE

Hersteller
Zumtobel Lighting GmbH
Dornbirn, DE

Kompetenz
Flächenleuchten Ondaria

weitere Hersteller
Sichtbeton: Heidelberger Beton
Fenster: Schüco
Sonnenschutz: Warema
Gründach: Bauder
Brandschutztüren: Schörghuber
Dämmung: Isover
Innenputz/Trockenbauwände: Knauf
Heiz-Kühl-Decke: Incotec
Akustikdecke: Rigips
Mobile Trennwand: Dorring
Schalterprogramm: Gira
Möblierung: VS Möbel
Außenbeleuchtung: Bega
Gebäudeleittechnik: Sauter

Nutzfläche
676 m²

BRI
3.000 m³

Planungsphase
2014 – 2015

Fertigstellung
2017

Fotografie
Swen Carlin


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