Bolon Flagship Store in Shanghai

Eine Bühne für jeden

John Hill, Thomas Geuder
26. abril 2016
Für den ersten Bolon Flagship Store wurde das Lichtkonzept als integrativer Bestandteil der neuen Markenarchitektur entwickelt. (Bild: Shuhe Architectual Photography / IF Group)

Projekt: Flagship Store Bolon Eyewear (Shanghai, CN) | Innenarchitektur: Ippolito Fleitz Group (Stuttgart, DE) | Lichtdesign: pfarré lighting design (München, DE) | Bauherr: Xiamen Artgri Optical Co., Ltd. (Xiamen, CN) | Hersteller: Custom made | weitere Projektdaten siehe unten

In China ist Bolon längst der größte und bekannteste Hersteller von Brillen, vor allem von Sonnenbrillen, weltweit liegt der Markenriese auf Platz drei. Da verwundert es eigentlich, dass Bolon erst jetzt seine erste Boutique eröffnet hat, und zwar in Shanghai, auf gerade einmal knapp 100 Quadratmetern, verteilt auch noch auf mehreren Räumen. Größe aber ist bekanntlich kein Indiz für Qualität, und so war für die Planer der IF Group aus Stuttgart zusammen mit dem Lichtplaner Gerd Pfarré aus München das Ziel, einen zur Marke passende Architektur zu schaffen und gleichzeitig die derzeitige zentrale Werbekampagne um die französische Schauspielerin Sophie Marceau in eine Innenarchitektur umzusetzen, die auf französische Eleganz und Modebewusstsein referenziert.

Decke sollen die veränderte Außendarstellung der Marke als selbstbewusster Marktführer zeigen. (Bild: Shuhe Architectual Photography / IF Group)

Wichtig für die Raumwirkung sind die hochwertigen Materialien und ihre Ausstrahlung, mit denen der potenzielle Käufer umworben werden soll: Der Kunde über weißen Marmor oder (in den Nebenräumen) über weichen, golden schimmernden Teppichboden, die Präsentationsstelen und Beratungstresen sind aus schwarzem Marmor, die Decke leuchtet ebenfalls Gold und taucht so den Raum in die Stimmung wie an einem Sonntag am Meer, eine mit Leder bespannte Wandfläche spannt außerdem eine Art Raum im Raum für Beratungsgespräche auf. Die Architekten möchten das Einkaufen so zu einer Erlebnisreise machen, in der der Kunde sich voll und ganz in die Welt von Bolon fallen lassen kann. Zentrum des Entwurfs ist natürlich die Produktpräsentation, die Architekten und Lichtplaner so klar, ikonografisch und wiedererkennbar wie möglich gestalten wollten. So bilden an den Präsentationswänden weiße, quadratische, horizontal und vertikal zueinander angeordnete Scheiben ein dreidimensionales Raster, das die Aufmerksamkeit magisch auf sich zieht. Die Scheiben sind gerade mal so groß, dass eine Brille darauf Platz findet – und so quasi ihre ganz eigene Bühne erhält.

Die «Display Fins», die quadratischen Scheiben also, sollen zukünftig CI-prägende Image zur Präsentation der Brillen bilden. (Bild: Shuhe Architectual Photography / IF Group)

Wichtigster Faktor bei der Produktpräsentation ist der Einsatz des Lichts, durch das die Aufmerksamkeit der Kunden gezielt gelenkt wird: Das horizontale «Panel» wird über eine unsichtbare Kanteneinspeisung – 4 W LED-Streifen – erhellt. Um den Eindruck eines homogen leuchtenden Untergrunds noch zu verstärken, sind auch die Kanten deckend lackiert. Zentral angeordnet darüber befinden sich die vertikalen «Fins», in denen nahezu unsichtbar ein 3 W LED-Lichtpunkt versteckt ist, dessen fein abgestimmte Optik einen maßgeschneiderten, ovalen Lichtpunkt wirft. So wird die Brille von zwei Quellen aus in ein Licht getaucht, dessen Aura sich der Kunde nur schwer entziehen kann. Um dem Raum eine angenehme Grundbeleuchtung zu geben, wurden in der goldenen Decke einige wenige Leuchten flächenbündig angeordnet. Die Planer haben dabei jedoch bewusst vermieden, dass das Licht aus der Decke auf die Wände bzw. Displays trifft, um deren Wirkung im Raum nicht zu beeinträchtigen und außerdem unerwünschte Schatten zu vermeiden. Im gesamten Store wurden warmweiße LEDs mit einer Lichtfarbe von 4000 K eingebaut. Die gesamte Raumwirkung aber wird bestimmt von teilweise golden leuchtenden Oberflächen, den hochwertigen Materialien und vor allem von fast schon dramatisch inszenierten Brillengestelle. Trotz der vielen trickreichen Details – entwickelt übirgens in monatelangen Mock-up-Tests – ist den Planern so eine reduziertes, versteckt komplexes, aber elegantes Raumdesign gelungen.

Die goldene Decke lässt den Raum erstrahlen und soll Erinnerungen an einen lichtdurchfluteten Sonnentag am Meer wecken. (Bild: Shuhe Architectual Photography / IF Group)
Grundriss (Quelle: IF Group)
Konzept Allgemeinbeleuchtung, Schema Licht und Schatten (Quelle: pfarré lighting design)
Lichtkonzept Fin und Panel (Quelle: pfarré lighting design)
Rendering Beleuchtungsstärken (Quelle: pfarré lighting design)
In zahlreichen Tests und Versuchen wurde das richtige Licht für die Brillengestelle ausgetüftelt. (Bild: pfarré lighting design)
Jede Brille bekommt ihre eigene kleine Bühne, die Wirkung des Produkts wird durch eine gezielte Lichtführung stark unterstrichen.
Den Raum prägen hochwertige Materialien wie weißer Marmor für den Boden und schwarzer für die Präsentationsstelen und Beratungstresen. (Bild: Shuhe Architectual Photography / IF Group)
Der Boden, vor allem aber die Decke und die an den Durchgängen platzierten Spiegel vergrößern die eher kleinen Räume. (Bild: Shuhe Architectual Photography / IF Group)

Projekt
Flagship Store Bolon Eyewear
Shanghai, CN

Innenarchitektur
Ippolito Fleitz Group
Stuttgart, DE

Team: Anke Wankmüller, Hansen Hermawan, Mario Rodriguez, Michael Bertram, Peter Ippolito, Senhui Qiu, Tilla Goldberg, Tim Lessmann, Timo Flott, Daniel Juric, Ho Kim, Verena Schiffl

Lichtdesign
pfarré lighting design
München, DE

Team: Gerd Pfarré, Katrin Rohr, Marisa Mariscal

Hersteller
Custom made vor Ort

Bauherr
Xiamen Artgri Optical Co., Ltd.
Xiamen, CN

Fläche
94 m²

Fertigstellung
2015

Fotografie
Shuhe Architectual Photography
IF Group


Der Beitrag ist bereits (in veränderter Form) im eMagazin von World-Architects erschienen: A Bit of Drama for Bolon
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