Hilperthöfe in Erlangen

BLAUWERK Architekten
31. marzo 2021
Modell (Foto: BLAUWERK Architekten)
In Erlangen soll östlich der Bahnstrecke Nürnberg-Bamberg und südlich der Hilpertstraße auf einer ehemaligen Bahnbetriebsfläche eine qualitätsvolle Gewerbeeinheit realisiert werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Ein unstrukturiertes Gewerbegebiet mit eher niedrigen Gebäuden für Autovermieter, Elektrogroßhandel, Reifenhändler, Bahn et cetera. Westlich wird es von der Bahnstrecke begrenzt, im Süden liegt eine Retentionsfläche der Bahn. Der Gewerbestreifen zieht sich entlang der Bahn, von den weiter südlich gelegenen Gewerbeflächen (Siemens) bis hin zur Innenstadt. Insgesamt eine Situation, die aktuell städtebaulich wenig Ansatzpunkte für einen Entwurf bietet. Es war aber klar, und auch formulierstes Ziel des Auslobers, dass es in dieser Nähe zur Innenstadt eine Neuordnung geben wird. Wir mussten also nicht nur für das Grundstück, sondern auch das Umfeld perspektivisch denken. Dazu haben wir zunächst einen städtebaulichen Entwurf erstellt, der weit über die eigentliche Wettbewerbsaufgabe hinausgeht. In diese Grundstruktur bettet sich unser Entwurf ein. Gleichzeitig sollte er kompakt und formal so ausformuliert sein, dass er auch ohne die angedachte Entwicklung funktionieren könnte.

Westlich und östlich gibt es Wohnbebauung in unterschiedlichen Körnungen. (Schwarz-Grün-Plan: BLAUWERK Architekten)
Wie kamen Sie zur Körnung Ihres Projekt und welche Etappierungen schlagen Sie vor?

Wir haben uns an den mehr oder weniger geschlossenen Blockstrukturen orientiert, die in der östlichen Wohnbebauung und in der Innenstadt vorkommen. Die Vorstellung war schon eine sehr städtische, mit klar ausformulierten Zwischenräumen und einer hohen Dichte. So entstanden drei ähnlich große Blöcke, die zeitlich unabhängig entwickelt werden können, real geteilt sind und gut angefahren werden können. Im Norden an der Hilpertstraße liegt der Realisierungsteil der wahrscheinlich als erstes realisiert wird und den Auftakt zu den Gewerbehöfen bildet. Entlang der östlichen Grundstücksgrenze schlagen wir eine öffentliche Fuß- und Radwegeverbindung vor, die das Gebiet auch in seiner Tiefe erlebbar macht.

Blick auf den Realisierungsteil (Visualisierung: BLAUWERK Architekten)
Wie organisieren Sie das Projekt?

Begonnen haben wir mit einer niedrigen dreigeschossigen Basis. Damit werden die Erschließungshöfe noch gut belichtet. Nach außen hin (Norden, Westen und Süden) haben wir, nicht zuletzt aus Schallschutzgründen, um ein Geschoss erhöht. Im letzten Schritt wurden Hochpunkte gesetzt, die eine städtebauliche Wirkung entfalten sollen. Dazu gehört insbesondere der Siebengeschosser, der das Ende der Hilpertstraße markiert und der südliche Zwölfgeschosser, der eine übergeordnete Aussenwirkung entfaltet (zum Beispiel zur Bahn) und die Erschliessungsstrasse auffängt. Die Innenhöfe der Blöcke liegen im ersten Obergeschoss über den Gewerbeflächen im Erdgeschoss. Sie werden über offene Treppen von den Erschließungshöfen aus erreicht. Im Idealfall kann man später durch das ganze Gebiet treppauf, treppab von Hof zu Hof gehen. Gastronomieflächen sollen sowohl zu den Erschließungshöfen, wie auch den Innenhöfen orientiert sein. An der Hilpertstraße sind Arkaden und Ladenflächen angedacht die ein öffentlicheres Gesicht zur Stadt hin ergeben. Die Hotel- bzw. Boardinghausnutzungen sind im Süden vorgesehen, mit Freiflächen zu der grünen Retentionsfläche.

Ansicht und Schnitt (Zeichnungen: BLAUWERK Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: BLAUWERK Architekten)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Die zentrale Frage für uns war zunächst eine städtebauliche. Wie können wir in dieser, noch sehr unstrukturierten und unwirtlichen Gegend, einen Gewerbehof schaffen, der mehr als reine Funktion bietet und räumlich wie formal Identität und Atmosphäre schafft? Er sollte dabei nicht nur sich selber gerecht werden, sondern auch als Auftakt für die Entwicklung des Gebietes dienen. 

Auf der architektonischen Ebene ging es uns vor allem um das Thema „Arbeiten ist Leben“. Vieles wird in den Arbeitswelten informeller und flexibler, um Motivation, Kreativität und Effizienz zu fördern. Daher braucht es flexible räumliche Strukturen, aber auch Aufenthaltsqualität und Atmosphäre. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben wir „Außenbüros“ in der Fassade, gemeinschaftliche Dachterrassen, begrünte und teils überdachte Innenhöfe sowie städtische Höfe mit Gastronomie vorgeschlagen. 

Ansichten (Zeichnungen: BLAUWERK Architekten)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Um die Flexibilität in der Nutzung zu gewährleisten, haben wir im 1,35 m Raster öffenbare Glaselemente in der Fassade geplant. An diese können bei Bedarf Bürotrennwände angeschlossen werden. An der Außenseite sind durchgängig vertikale Holzlamellen vorgesehen. Diese sind vom Nutzer verstellbar, um individuell Sonnenschutz, Privatheit oder Verdunklung einstellen zu können. Das Gebäude soll eine technisch robuste, aber durch die Holzlamellen auch warme und freundliche Anmutung bekommen. Durch die unterschiedlich eingestellten Lamellen verändert sich permanent das Bild, die Transparenz und die Tiefenwirkung der Fassade. Die Loggien erzeugen zusätzliche Tiefe. 

In den Außenanlagen erhält der neue Gewerbepark eine der Nutzungen angemessene, robuste Oberfläche aus Asphalt. In Teilbereichen wird dieser veredelt und gegrindet. Die dadurch entstehenden helleren Kontraststreifen und Felder betonen die zwischen den Gebäuden aufgespannten Höfe und kreieren Aufmerksamkeitsbereiche. Das anfallende Regenwasser wird in Retentionsbecken gesammelt, die in den Erschließungshöfen als vertiefte Becken ausgeformt und mit robusten Wasserpflanzen bepflanzt werden. Der Kühlungseffekt wird durch einzelne schattenspendene Baumpflanzungen an der Südfassade ergänzt. Auf den Dächern befindet sich in den unteren Ebenen eine grüne Dachlandschaft mit kleinen Nischen, großzügigen Terrassen und unterschiedlich hohen Pflanzungen und Sträuchern. Auf den höher liegenden Dächern wird eine extensive Dachbegrünung mit Photovoltaik kombiniert. 

Detail (Zeichnung: BLAUWERK Architekten)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Zunächst muss ein Bebauungsplan erstellt werden. Dann geht es, in Abhängigkeit von dem Mieterinteresse, in die Hochbauplanung. Alle Beteiligten haben aber, soweit wir dies beurteilen können, eine große Motivation zügig die „Hilperthöfe“ umzusetzen.

Schwarzplan (Zeichnung: BLAUWERK Architekten)
Gewerbepark Hilpertstraße in Erlangen
Nicht offener hochbaulicher Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil mit eingeladenen Teilnehmern
 
Jury
Prof. Andreas Wolf, Architekt und Stadtplaner, Leipzig (Vorsitzender) | Josef Weber, Architekt und Stadtplaner, Referent für Planen und Bauen der Stadt Erlangen | Johannes Petzl, Architekt und Stadtplaner, München | Regine Neubauer, Architektin, Augsburg | Torsten Hartmann, Architekt, München | Dieter Engelhardt, Nördlingen | Dr. Philipp Dees | Matthias Thurek | Dr. Birgit Marenbach | Joachim Jarosch
 
1. Preis
BLAUWERK Architekten GmbH, Christian Kern und Tom Repper, München
grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb, Freising
 
2. Preis
Babler + Lodde Architekten, Herzogenaurach
 
3. Preis
UTA Architekten und Stadtplaner, Stuttgart
Energie: Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart, München

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