Wiederbelebtes Baudenkmal

Eyrich-Hertweck Architekten
29. mayo 2019
Süd- und Westfassade wiederhergestellt und an die neue Nutzung angepasst (Foto: Udo Meinel)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die konstruktive Struktur des ehemaligen Werkstattgebäudes mit seinem klar ablesbaren ausgemauerten Eisentragwerk, dem prägnanten Einschnitt in Längsrichtung schräg durch das Gebäude, der durch einen etwa 39 Meter langen, genieteten Blechträger abgefangen wird, sowie die Reste zweier Verbindungsbrücken an der Ostfassade machen die besondere Identität des Gebäudes aus.

Für die Umnutzung wurden vermauerte Fenster geöffnet und das Äußere des Gebäudes wieder seiner ursprünglichen Gestalt angenähert. Dunkle Zinkfassaden mit großen Fenstern umschließen das einst offene Erdgeschoss und – als Reminiszenz an das frühere Bitumendach – auch das neue Dachgeschoss. Aktuelle Ergänzungen, darunter neue Balkone, sind im Kontrast dazu mit rostigem Stahl verkleidet. Durch direkte Zugänge zu einzelnen Wohnungen von außen und einem inneren Laubengang mit Maisonetten konnte auf ein weiteres Treppenhaus verzichtet werden. Die bestehenden Treppenhäuser wurden um das Dachgeschoss und einen Aufzug erweitert.
Die charakteristische Stahlstruktur des Bauwerks ist auch in den Innenräumen sichtbar geblieben. In die hohen lichtdurchfluteten Etagen wurden niedrige Sanitär- und Serviceboxen eingestellt, die begehbar und somit zusätzliche Staufläche bieten. Es entstehen fließende Räume und Blickachsen quer durch das Gebäude, die in den Wohnungen den Loft-Charakter erhalten.

Ostfassade mit gemeinschaftlichen Vorplatz und sanierten Brückenbauten (Foto: Udo Meinel)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Wir haben altes Foto- und Planmaterial zusammengestellt, um ein Bild der ehemaligen Gestalt des Werkstattgebäudes zu bekommen, denn es wurde über die Jahrzehnte aus pragmatischen Gründen stark verändert. Unser Ziel war es, das Gebäude seiner ursprünglichen Gestalt wieder anzunähern und nur in soweit zu verändern, wie es für die neue Nutzung notwendig wird. Die Veränderungen in der historischen Bausubstanz sind klar ablesbar und eigenwillig. Sie versuchen nicht sich der alten Struktur unterzuordnen. Sie sind besonders, ohne das Gebäude zu schwächen. Die Elemente aus rauem, unfertigem, rostigem Stahl Aussen und aus Sichtbeton Innen machen aus einer reinen Rekonstruktion ein eigenständiges neues Gebäude.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Auf der Halbinsel Stralau war mehr als 100 Jahre lang Glas hergestellt und verarbeitet worden. Mitte der 1990er wurde die Produktion eingestellt.
Die Glashütte erinnert an diese Zeit. Sie soll der Gegend, die hauptsächlich aus Neubauten besteht, einen Erkennungswert geben.

Blick auf die Nordfassade mit verglaster alter Zugausfahrt und Dachaufstockung (Foto: Udo Meinel)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Durch die steigenden Wohnungspreise und die große Nachfrage nach Wohnungsbau, wurde das Bauland neben der S-Bahnlinie ab 2010 langsam für Investoren interessant. Der Ansatz der Bewerber vor uns war es, die Glashütte aus wirtschaftlichen Gründen abzureissen. Die Stadt Berlin wollte die wenigen noch stehenden Industriegebäude aber, um die Vergangenheit an der Stelle nicht komplett auszulöschen, erhalten. Aus diesem Grund haben Sie uns in unserem Vorhaben – sowohl von Senats- als auch von Denkmalpflegerischer Seite – von Anfang an unterstützt, sodass wir unsere konzeptionellen Ansätze vollumfänglich umsetzen konnten.

Neuer Aufzugskern in Szene gesetzt (Foto: Udo Meinel)
Bestandstreppenhaus mit Blick auf den neuen Aufzugskern in Sichtbeton (Foto: Udo Meinel)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Da wir von Anfang an in enger Abstimmung mit der Stadt und dem Denkmalamt standen (ab 2012), war der Umgang mit der Gebäudehülle frühzeitig geklärt. Durch den Einstieg der Baugruppe in das Projekt Ende 2014 haben wir dann das Innere des Gebäudes für die 26 Einheiten individuell weiterentwickelt.
Mit zunehmendem Detaillierungsgrad warteten noch einige Überraschungen in Bezug auf die Energetische Sanierung des Gebäudes oder die Herstellung des geforderten Brandschutzes auf uns. Letztendlich haben die Lösungen aber zum individuellen Charakter des Gebäudes beigetragen.

Brücke als privater Eingangsbereich und Wintergarten (Foto: Udo Meinel)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Energietechnisch gesehen ist das Gebäude eine Herausforderung. Die bestehende Stahlkonstruktion, die sich von der Fassade in das Innere des Gebäudes zieht, ist sozusagen eine einzige Wärmebrücke... Um das Erscheinungsbild der Glashütte wiederherzustellen war eine Außendämmung nicht möglich. Letztendlich haben wir eine zweischalige hinterlüftete Fassade mit Kastenfenstern hergestellt und die Träger, Wände und Decken in den ersten inneren 50 cm gedämmt. Unser Anspruch nachhaltig und gesund zu bauen, trotz des sehr hohen baulichen und denkmalpflegerischen Schwierigkeitsgrades, sind wir durch die enge Zusammenarbeit mit der planenden Bauphysikerin, auch gerecht geworden.

Wohnungseingangsbereich mit Blick auf begehbare Sanitär- und Servicebox (Foto: Udo Meinel)
Schlafbereich mit Stauebene und Sichtbezug in den Wohnraum (Foto: Udo Meinel)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

- Jansen Metallfenster und VM Zink für die Fassade im Erdgeschoss als optische Wiederherstellung des ursprünglich offenen Erdgeschosses
- VM Zink als Dachbelag als Reminiszenz der ehemaligen Dachpappe
- Wetterfester Baustahl für die neu hinzugefügten Elemente
- Ökologische Dämm-, Putz und Farbprodukte: Innendämmung Calciumsilikatplatten, STO / Holzfaserdämmung + Innenputz + Kalkzementputz, Gutex / Silikatfarben, Brillux

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Eyrich-Hertweck Architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: Eyrich-Hertweck Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Eyrich-Hertweck Architekten)
Explosionszeichnung Maßnahmenübersicht (Zeichnung: Eyrich-Hertweck Architekten)
Glashütte Alt-Stralau
2018
Glasbläserallee
10245 Berlin
 
Nutzung
Wohnungsbau + Gewerbe
 
Auftragsart
Projektentwicklung in Zusammenarbeit mit einer Immobilienmaklerin, die anschließend die Mitglieder für die Baugruppe suchte. Letztere beauftragte die Architekten
 
Bauherrschaft
Baugruppe Glashütte Alt-Stralau
 
Architektur
Eyrich-Hertweck Architekten, Berlin
Projektleitung: Anita Eyrich / Christian Hertweck
beteiligte MitarbeiterInnen: Henriette von Flocken, Wasili Seidensal, Maria Cucu, Omorinsola Otubusin, Irina Avram
 
Fachplaner
Projektsteuerung: Andreas Büsching / Tanja Zieske, Berlin
Statik: Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer GmbH, Berlin
Bauphysik: Andreas Wilke - Ingenieurbüro für Bauphysik und Baukonstruktion, Potsdam
TGA: IBO Ingenieurbüro Dipl.-Ing. Reiner Ortlauf, Berlin)
Freiraumgestaltung: Glaser und Dagenbach GbR, Garten- und Landschaftsarchitekten, Berlin
 
Bauleitung
Michael Breitmaier, Berlin
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Kleinert Bau, Berlin
Stahlbau: Metallbau Thomas Wulff, Angermünde OT Frauenhagen / Metallbau Brederek & Joswig GbR, Herzfelde
Dach: Kleinert Bau, Berlin / Schabos GmbH, Nordwalde
Außenfenster/ -türen: Schreinerei und Metallbau Wagner GmbH, Niederwürschnitz (Holzfenster) / Müller Metallbau, Berlin (Stahlfenster)
Trockenbau + Innentüren: Rogge Spezialbau GmbH, Berlin
Bodenarbeiten: Este.O.Bau GmbH, Berlin (Grund-/Verbundestrich) / Estrichmike GmbH Estrichleger, Bad Wisnack / Peter Gorgas Oberflächentechnik, Eberswalde (Sichtestrich) / Bembé Parkett GmbH&Co.LG, Bad Mergentheim
Putz-/ Innendämmarbeiten: Probau GmbH, Annaberg-Buchholz
Malerarbeiten: Spachtel-Art GmbH, Berlin
Elektrotechnik: Syplie Elektrobau, Eberswalde
Heizung-Lüftung-Sanitär: Luchmann H-L-S, Berlin
Innentreppen: Möbeltischlerei Wolf & Schmidt GbR, Königs Wusterhausen
Metallbauarbeiten: Metallwerkstatt Liboh-GmbH, Berlin / Metallbau Thomas Wulff, Angermünde OT Frauenhagen
 
Hersteller
Bodenbelag: Sichtestrich Peter Gorgas, Eberswalde / Bembé Parkett, Berlin
Innendämmung Calciumsilikatplatten, STO / Holzfasserdämmung + Innenputz + Kalkzementputz, Gutex / Silikatfarben, Brillux
Sonnenschutz, innenliegend: Warema Rollos in den Kastenfenstern / Silent Gliss im Erdgeschoß Innen

Beleuchtung: RZB / Ebolicht München
Möblierung - Tischlereien: corpus linea, Hoppegarten / Wolf & Schmidt, Königs Wusterhausen / Tischlerei Martin Bauer, Berlin
Beschläge: FSB
Sanitärkeramik: Keramaq / Duravit
Armaturen: Grohe / Dornbracht
Lichtschalter, Elektroinstallationen: Gira E2 / Becker 1930
 
Bruttogeschossfläche
4.335 m²
 
Gesamtkosten
9.870.000,00 €
 
Auszeichnung
ausgewählt für DA!-Jahresausstellung der Berliner Architektenkammer 2019
Teilnahme am Tag der Architektur 2019
 
Fotos
Udo Meinel, Berlin

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