Urbaner Holzbau

VON M
16. septiembre 2020
In exponierter Lage setzt das Gebäude Akzente in architektonischer, bautechnischer und ökologischer Sicht. (Foto: Brigida González)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das neue Hotel in der Bauhofstrasse ist ein durchgängig nachhaltiges und in die Zukunft gerichtetes Gebäude. Die Konstruktion aus Holzmodulen macht das Haus zu einem Referenzprojekt in Bezug auf Ökologie, Wirtschaftlichkeit, Bauzeit und Qualität.
Die in Voralberg aus regionalem Holz fabrizierten Module wurden an fünf Arbeitstagen in Ludwigsburg aufgestellt. Wände, Böden und Decken der Hotelzimmer wurden im Werk aus computergesteuert zugeschnittenen Brettsperrholzplatten zu containerartigen Raummodulen gefügt. Die haptischen und atmosphärischen Qualitäten des Werkstoffs Holz kommen durch konsequenten Einsatz auch in den Innenräumen zur Geltung. Im Inneren der Zimmer werden die tragenden Wände mit ihrer hochwertigen Decklage in Fichte sichtbar belassen, um damit den Werkstoff Holz erlebbar zu machen.

Hell, fast blendend, sind Fassade und Dach, die Öffnungen als eingeschobene, hochformatige Kästen mit feststehenden Fenstern und weißen Öffnungsflügeln ausgeführt. (Foto: Brigida González)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Wir wollten ein im Hinblick auf Organisation, Konstruktion und Materialität durchgängig nachhaltiges und in die Zukunft gerichtetes Gebäude entwickeln. Dabei spielt die größtmögliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowohl in der Errichtung als auch im Betrieb eine wesentliche Rolle. 

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Durch seine Lage in einem seit Jahren städtebaulich vernachlässigten Gebiet leistet das Gebäude einen wesentlichen Beitrag zur Revitalisierung und Aufwertung des Umfeldes. 
Der neue Baukörper fügt sich städtebaulich in die umgebende historische Bebauung ein und nimmt Bezug auf die bestehenden Gebäudehöhen und deren Maßstäblichkeit. Ein hinsichtlich Materialität und Struktur prägnantes Fassadenkonzept, das sich an die historische Bebauung anlehnt, dennoch eigenständig genug ist, um sich gegenüber der Bebauung des angrenzenden Einkaufszentrums zu behaupten, macht das Hotel zum identitätsgebenden Gebäude an der zukünftigen Stadtterrasse.

Der neue Baukörper nimmt Bezug auf die bestehenden Gebäudehöhen und deren Maßstäblichkeit.  (Foto: Brigida González)
Ein hinsichtlich Materialität und Struktur prägnantes Fassadenkonzept macht das Hotel zum identitätsgebenden Gebäude an der Stadtterrasse. (Foto: Brigida González)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Der Bau sollte, so die Stadt Ludwigsburg, „zur Belebung des Umfelds beitragen“, „einen wichtigen identitätsstiftenden Impuls für das nördliche Quartier geben und als erstes CO2-neutrales Gebäude in Ludwigsburg zu einem Vorzeigeprojekt werden“. In einer von der Stadt ausgeschriebenen Mehrfachbeauftragung wurde der Entwurf unseres Büros zur Realisierung ausgewählt. Die Vorgabe, dass es sich um einen Holzbau handeln sollte, wurde in Form der innovativen Konstruktionsweise der vorgefertigten, Holzraummodule umgesetzt. Die Fassade wurde in engem Austausch mit dem Gestaltungsbeirat der Stadt entwickelt.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die Grundkonzeption hat sich im Prinzip nicht geändert. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit wurde nach dem Wettbewerb die Anzahl der Zimmer erhöht. Nur so war letztendlich eine Realisierung möglich. Die Fassadengestaltung war sicherlich – vor allem für den umgebenden Stadtraum – eines der wichtigsten Themen. Sie wurde in Abstimmung mit dem späteren Nutzer dem Investor und der Stadt Ludwigsburg ständig weiterentwickelt und in mehreren Abstimmungsterminen überarbeitet.

Individuell handwerklich gefertigte Eschenholz-Möbel sowie ein Massivholzparkett aus demselben Material bewirken eine warme Atmosphäre im öffentlich zugänglichen, grosszügigen Eingangs-, Rezeptions- und Frühstücksbereich. (Foto: Brigida González)
Alle öffentlichen Bereiche des Hotels orientieren sich hin zur Stadtterrasse, um diese in die Hotel- und Cafénutzung mit einzubeziehen und zu beleben. (Foto: Brigida González)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

In der sonst äußerst energie- und CO2-intensiven Hotelbranche haben wir ein energetisches Konzept entwickelt, das den wirtschaftlichen, aber auch ökologisch optimierten Betrieb des Hotels ermöglicht.

Bei der konstruktiven Konzeption des Gebäudes wurden die Belange des Holzmodulbaus als grundsätzliche Entwurfsparameter zu Grunde gelegt – sei es hinsichtlich Fertigung, Transport oder der Proportion der Zimmermodule. 

Das betonierte Treppenhaus steift die Konstruktion aus. (Foto: Brigida González)
Die als fertig ausgebaute Raummodule konzipierten Zimmer gliedern und zonieren durch Vor- und Rücksprünge der Sanitärkerne den mittigen Flur. (Foto: Brigida González)
Im Inneren der Zimmer bleibt der Werkstoff Holz erlebbar. (Foto: Brigida González)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Wir wollten so viele Bauteile wie möglich in Holz auszuführen. Mit Ausnahme der Gästezimmer in den erdberührten Geschossen wurden alle Zimmer aus vorgefertigten, vollständig ausgebauten und sogar teilweise möblierten Raummodulen aus Brettsperrholz realisiert. Wände, Böden und Decken der Hotelzimmer wurden dabei im Werk aus computergesteuert zugeschnittenen, PEFC-zertifizierten Brettsperrholzplatten zu containerartigen Raummodulen zusammengesetzt.

Als Fassade kommen langlebige Faserzement-Schindeln zum Einsatz, die höchste Ansprüche an Klimaschutz und Nachhaltigkeit erfüllen. Insgesamt wurden beim Projekt Hotel Bauhofstraße 440 m3 Holz verbaut. Durch die Speicherungs- und Substitutionseffekte werden somit insgesamt 880 to. CO2 dauerhaft der Atmosphäre entzogen. Dank eines abgestimmten, gesamtheitlichen Konzepts zur Gebäudehülle und zur Haustechnik sowie die überlegte Wahl der vorwiegend regenerativen Energieträger wird auch im Betrieb der CO2-Ausstoß so weit wie möglich reduziert – das Gebäude ist CO2-neutral.

Lageplan (Zeichnung: VON M)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: VON M)
Grundriss Regelgeschoss (Zeichnung: VON M)
Schnitt (Zeichnung: VON M)
Anlieferung und Aufbau der Raummodule, Die in Voralberg aus dortigem Holz fabrizierten Module wurden an fünf Arbeitstagen in Ludwigsburg aufgestellt. (Foto: VON M)
Hotel Bauhofstraße
2019
Bauhofstraße 4
71634 Ludwigsburg
 
Auftragsar
Mehrfachbeauftragung, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Fedor Schoen GmbH & Co KG, Korntal-Münchingen
 
Architektur
VON M, Stuttgart
Mitarbeiter: Márcia Nunes, Daniel Seiberts
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: merz kley partner, Dornbirn, Österreich
Bauphysik: Kurz + Fischer GmbH, Winnenden
Gebäudetechnik: Ingenieurbüro Staudacher GmbH & Co. KG , Ulm
Brandschutz: Halfkann + Kirchner PartGmbB , Stuttgart
 
Bauleitung
Jo Carle Architekten PartGmbB, Stuttgart

Ausführende Firmen
Holzbau: Kaufmann Bausysteme GmbH, Reuthe, Österreich
Rohbauarbeiten: Karl Wldermuth Bauunternehmen, Bietigheim-Bissingen
Vorhangfassade: Wolf GmbH & Co. KG, Schönaich
Metalldach: Flaschnerei Bosch, Albstadt
Innenausbau: Schurig GmbH, Bönnigheim
Schlosserei: Pfeiffer Schlosserei - Metallbau GmbH, Sachsenheim
Fensterbau: Rauh SR Fensterbau GmbH, Zapfendorf / Sassendorf
 
Hersteller
Fassadenplatten: Swisspearl 
Teppiche: Tretford 
Fliesen: Cinca
Fenster- und Türgriffe: Glutz
Zugangskontrolle: Häfele
Akustikdecke im Frühstücksraum: Heradesign
 
Energiestandard 
KfW-Effizizenzhaus 55
 
Bruttogeschossfläche
2.058 m²
 
Gebäudevolumen
6.103 m³

Gebäudekosten
KG 300 + 400 ca. 6.700.000 € brutto
 
Gesamtkosten
ca 8.100.000 €
 
Auszeichnungen
DAM Preis 2021, Nominierung
AIT Award 2020, Finalist
 
Fotos
Brigida González, Stuttgart

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