Lernen im Grünen

v-architekten
19. agosto 2020
Die vermeintlich schwebenden, großzügig verglasten Obergeschosse nehmen die Unterrichtsräume auf (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Als Bauplatz für den Neubau der Bundeswehrfachschule war der ehemalige Standort des Offizierkasinos auf dem Campus der Kirchfeld-Kaserne in Karlsruhe vorgesehen. Die Kirchfeldkaserne ist die erste nach der Wiederbewaffnung gebaute Kaserne der Bundesrepublik Deutschland. Die besondere in den 1950er-Jahren entworfene, fächerförmige städtebauliche Konzeption sollte im Entwurf entsprechend berücksichtigt werden. Seit dem Abzug des Fernmelde-Bataillons im Jahre 2009 wird die Liegenschaft bereits in Teilbereichen zur Internatsunterbringung der Schüler der Bundeswehrfachschule genutzt. Bundeswehrfachschulen sind bundeseigene Einrichtungen des zweiten Bildungsweges.

Außenansicht der sensibel in den Parkraum eingebetteten Schule (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Das Konzept wird aus der Analyse des Ortes heraus entwickelt: Das Baugrundstück liegt im Randbereich des parkartigen Geländes der General-Fahnert-Kaserne mit seinen beeindruckend großzügigen Grünflächen. Südlich und östlich bildet der Karlsruher Hardtwald eine natürliche räumliche Einfassung. Im Westen führt die Erschließungsstraße „An der Trift“ mit angrenzender Wohnbebauung bis zur Bedarfszufahrt. Im Norden liegt das zentrale Wirtschaftsgebäude im Zentrum der fächerförmigen Anlage des Campus.

Dreiflügeliges Gebäude mit minimalem Fußabdruck durch weit in den Naturraum auskragende Flügel (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Um den inspirierenden Naturraum maximal zu schonen, wird das Gebäude dreigeschossig konzipiert. Es erhält dadurch einen minimierten Fußabdruck. Die Dreigeschossigkeit bietet sich auch programmatisch an: Die beiden schwebenden Obergeschosse nehmen die Unterrichtsräume auf, das Erdgeschoss die ‚öffentlichen’ Funktionen.
Über die räumliche Ausformung der drei prägenden Themen ‚Stadt – Wald – Kaserne’ wird das neue Volumen formal kontextualisiert. Das Ergebnis des Entwurfsprozesses ist ein dreiflügeliges Gebäude, dessen Seiten mit dem jeweiligen Gegenüber kommunizieren. Die Flügelenden kragen weit aus in das Grün und verstärken den leichten, schwebenden Charakter. Es entsteht ein neuer Solitär im Park, der sich durch seine städtebauliche Ausformulierung wie selbstverständlich in den Campus einfügt. 

Zentral, plektrumförmige Halle mit markanter Treppe (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Fachklasse im 1. Obergeschoss mit Ausblick in den Park (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Großzügiges Foyer mit Sichtbezügen ins Grüne und Bodenmosaik - Kunst am Bau (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Aufgabenstellung wurde vom Staatshochbauamt entsprechend der pädagogischen Vorgaben des Nutzers formuliert. Im Laufe der Entwurfsplanung wurde die Anordnung der Funktionen in enger Abstimmung mit der Bauherrschaft und den Nutzern optimiert und im Detail an die Bedürfnisse angepasst. Die Grundkonzeption des Entwurfs stieß auf große Zustimmung. Insofern wurde die Umsetzung sowohl vom Nutzer als auch von der Bauherrschaft tatkräftig unterstützt.

Lichtdurchflutetes Atrium mit ETFE-Membrandach
Klare, zeitlose Gestaltung durch Einsatz naturbelassener Materialien (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Es war uns wichtig, dass das Gebäude in seiner Architektursprache und Fassadengestaltung mit einer klaren und zeitlosen Gestaltung dem natürlichen Landschaftsraum mit seinen jahreszeitlich wechselnden Stimmungen gegenüber tritt. Die auskragenden Decken aus Stahlbetonfertigteilen lassen das Gebäude leicht wirken und bieten als umlaufende Balkone eine sehr einfache Möglichkeit zur Fassadenreinigung und Revision. Zusätzlich wird das Gebäude so vor zu viel Sonneneinstrahlung geschützt.

In Analogie zur vertikalen Schichtung der Nutzungen werden die Außenwände des Erdgeschosses eher massiv (als „Sockel“) ausgebildet, wogegen die Fassaden der Obergeschosse mit den Unterrichtsräumen dank einer Glasfassade transparent und leicht wirken. Die Unterrichtsräume können so maximal vom umgebenden Grün profitieren. In die Fassade integrierte sonnenstandsabhängig gesteuerte Aluminiumlamellen-Jalousien bilden den notwendigen flexiblen Sonnen- und Blendschutz. In Verbindung mit der geschwungenen Gebäudeform entsteht ein leichtes, abwechslungsreiches Erscheinungsbild des Gebäudes.

Die Innenbereiche sind geprägt von haptisch angenehmen Oberflächen wie naturbelassenem Eichenholz, HPL-beschichteten Holzwerkstoffplatten und hellem Sichtbeton, der mit einer Brettschalung strukturiert gestaltet ist. Das Foyer und angrenzende Räume im Erdgeschoss wurden mit einem hellbeigen fugenlosen Terrazzoboden ausgelegt. In diesen Terrazzo wurde ein Bodenmosaik in Form eines künstlerisch bearbeiteten „Teppichs“ (Kunst am Bau) integriert. In den Obergeschossen kam ein farblich auf den Terrazzo angepasster Kautschukbodenbelag mit Emicode EC 1 (sehr emissionsarm) zum Einsatz. Sämtliche verbaute Materialien unterliegen zumindest dem Umweltprüfzeichen „Blauer Engel“.

Schwarzplan (Zeichnung: v-architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: v-architekten)
Schnitt (Zeichnung: v-architekten)
Bundeswehrfachschule Karlsruhe
2019
An der Trift 13-15
76149 Karlsruhe
 
Auftragsart
VOF-Verfahren mit Projektskizze 2015, 1. Rang
 
Bauherrschaft
Bundesministerium für Verteidigung, vertreten durch die Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Bundesbau Baden-Württemberg, vertreten durch das Staatliche Hochbauamt Karlsruhe, Karlsruhe
 
Architektur
v-architekten GmbH, Köln
Projektleiter: Jop Voorn
MitarbeiterInnen: Lorena Castell Alegria, Rana Elkholi, Lisa Görke, Nathalie Gozdziak, Anne Keiffenheim, Preslav Krastev, Empar Molto Sifre, Charlotte Wermuth, Anthony Hans Widjaja
 
Fachplaner
HLS: Engineering-Consult Gesellschaft für Heizung, Lüftung und Sanitär mbH, Karlsruhe
Elektro: Planungsbüro Gantert und Braun GmbH, Oberhausen
Brandschutz: Ingenieurbüro Leiermann, Dormagen-Zons
Bauphysik: Krebs + Kiefer, Dresden
Freianlagenplanung: club L94 Landschaftsarchitekten GmbH, Köln
 
Bauleitung
Wenzel + Wenzel, Karlsruhe
 
Kunst am Bau
Julia und Claudia Müller, Basel (CH)
«Tapes» Bodenmosaik, Fransen-Teppich aus Terrazzokacheln
 
Ausführende Firmen
Rohbau: C. Dupré Bau GmbH&Co.KG, Speyer
Pfosten Riegel Fassade: hupfeld & Schlöpfel Metallbau, Berkatal
Terrazzo: Terrazzo-Beton, Hammelburg
Etfe Dach: Vector Foiltec GmbH, Bremen
Trockenbau: Kade IG Stuckateurbetrieb, Ottersweiher
 
Energiestandard
EnEV 2016 – 30% (für Gebäudehülle)
 
Bruttogeschossfläche
5.620 m²
 
Gebäudevolumen
26.800 m³
 
Kubikmeterpreis
500 €/m³ brutto
 
Gebäudekosten
13.400.000 € brutto
 
Gesamtkosten
14.899.000 € brutto für KG 200-600
 
Fotos
Stefan Müller-Naumann

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