Gebäude als Hintergrund

härtner ito architekten
15. abril 2020
Der Umgang wurde in Holzständerkonstruktion errichtet. (Foto: Simon Sommer)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Es war für uns eine der wichtigsten Aufgaben an diesem Projekt, Klarheit in allen Ebenen zu schaffen: in der Formensprache, der Baukonstruktion, der Materialauswahl und im Grundriss. Diese klare Architektur ist für uns auch eine Form von Flexibilität, die von der Bauherrschaft gewünscht war. Ein späterer Nutzerwechsel ist zum Beispiel ohne Probleme möglich, sei es eine neue Kita-Leitung oder eine gemeinschaftliche Nutzung.

Die Treppentürme sind in Außenspielflächen integriert (Foto: Simon Sommer)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Bad Reichenhall hat mich immer an meine Kindheit erinnert, die ich in meinem Heimatland Japan verbracht habe. Dort gib es auch viele kleine Städte, die von Bergen umgeben sind. Das Konzept des Umgangs mit einer tieferen, überdachten Terrasse wurde deswegen in Anlehnung an den japanischen „Engawa“ entwickelt. Der in Holz-Ständer Konstruktion geplante Umgang des Neubaus dient als Fluchtbalkon, als überdachte Spielfläche und als feststehendes Verschattungselement. Im ganzen Gebäude werden dadurch keine außen liegenden Sonnenschutzelemente benötigt. Durch diesen Umgang fällt das Tageslicht sanft in die Räume hinein (keine direkte Sonnenstrahlung).

Die Balkongeländer wurden auch komplett in Lärche ausgeführt (Foto: Simon Sommer)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Uns haben die ortstypischen bayerischen Bauernhäuser mit ihrer unbehandelten Holzschalung fasziniert, die natürlich vergrauen und so ihren Charakter ändern. In Anlehnung an diese Häuser haben wir die Fassade des Neubaus auch mit unbehandelter sägerauer Lärchenschalung bekleidet. Durch das von uns entworfene, nicht ortstypische Flachdach erhält der Neubau trotz traditioneller Materialwahl seine Eigenständigkeit und Einzigartigkeit am Standort.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Der Grundriss wurde in Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft sowie der Nutzergruppe entwickelt. Bis zum letzten Gewerk, wie z.B. Kindergarderoben vom Schreiner, haben die Nutzer mit geplant. Wir denken, dass diese Arbeitsweise zu einer besonderen Zufriedenheit der Bauherrschaft sowie der Nutzergruppe führt. Dadurch können sich die Nutzer viel mehr und stärker mit dem Neubau identifizieren.

Durch die horizontale Fuge in der Fassade wird die Geschossigkeit ablesbar (Foto: Simon Sommer)
Ansicht vom Eingangsbereich – im Hintergrund ist der Predigtstuhl auf dem Berg zu sehen (Foto: Simon Sommer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Wir denken, dass eine möglichst wartungsfreie „low-tech“-Architektur zu einer Reduzierung der Betriebs- sowie Bauunterhaltungskosten nach der Fertigstellung des Neubaus führt. Wir finden diese genauso wichtig wie die Baukosten, da der Betrieb nach der Baufertigstellung viel länger ist als die reine Bauzeit. 

 Holztreppenturm mit Sichtbetontreppenläufen (Foto: Simon Sommer)
Das innere Treppenhaus wurde in Sichtbeton errichtet. Die Treppenstufen wurden mit einem Holzbelag bekleidet. (Foto: Simon Sommer) 
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die Materialien haben wir möglichst naturbelassen gewählt, damit der natürliche Veränderungsprozess der Materialien von den Kindern wahrgenommen werden kann. Wir denken, dass dies den Aufwand des Bauunterhalts minimieren kann. Eine beschichtete Holzoberfläche ist beispielsweise aufwändiger zu sanieren als eine naturbelassene. Die Farben des Gebäudes sind bewusst zurückhaltend, da die Kinder die Farben ins Haus bringen. Das Gebäude ist als Hintergrund für die Kinder konzipiert. 

Diorama Steinböcke (Foto: Simon Sommer) 
Lageplan (Zeichnung: härtner ito architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: härtner ito architekten)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: härtner ito architekten)
Schnitt (Zeichnung: härtner ito architekten)
Neubau einer Kindertagesstätte in Bad Reichenhall
2019
Kirchholzstraße 4
83435 Bad Reichenhall
 
Auftragsart
VgV-Verfahren
 
Bauherrschaft
Stadt Bad Reichenhall 
 
Architektur
härtner ito architekten, Stuttgart
Theo Härtner und Kazu Ito
 
Fachplaner
Tragwerk: HFN, Bad Reichenhall
HLS: IB Gollwitzer, Bad Reichenhall
Elektro: IB Weber, Rosenheim
 
Kunst am Bau
Berufsfachschule für Holzschnitzerei, Berchtesgaden
Fauna und Flora des Alpenraumes

Ausführende Firmen
Rohbau: Fa. Neubauer, Bad Reichenhall
Holzbau: Fa.Hölzl, Ramsau
 
Hersteller
Alu-Fensterelemente: Wicona
 
Energiestandard
KfW55
 
Bruttogeschossfläche
1.200 m²
 
Gebäudevolumen
4.500 m³
 
Gesamtkosten
3.800.000 € brutto

Fotos
Simon Sommer Fotografie

Artículos relacionados

Otros artículos de esta categoría