Symbol für eine Region im Wandel

Author
Peter Petz
Published on
Jun 29, 2011

Katja Pfeiffer und Oliver Sachse gewinnen den Wettbewerb um die Landmarke auf der Halde Duhamel in Ensdorf. Oliver Sachse und Katja Pfeiffer stellen sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Halde Duhamel (Foto: RAG) 
Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Der Steinkohlebergbau an der Saar hat die Region über 250 Jahre hinweg geprägt – und das nicht nur räumlich, durch die Industriearchitektur, sondern auch auf sozialer Ebene. Ende Juni 2012 wird der saarländische Kohlebergbau gänzlich eingestellt. Zu diesem Anlass zielte die Wettbewerbsauslobung auf den Entwurf einer Landmarke ab, die gleicher Maßen diese prägende industrielle Tradition würdigt, wie auch ein „Zeichen für den Aufbruch in die Nachbergbauära“ darstellt – und in dieser doppelten Ausrichtung und Lesbarkeit den aktuellen, tief greifenden strukturellen Wandel der Region verkörpert.

Ein solches Thema braucht unserer Ansicht nach eine abstrakte Interpretation, und es waren die Themen „Veränderung“ bzw. „Perspektiv-Wechsel“, die wir in unserem Entwurf umsetzen wollten. Wir haben eine begehbare Großskulptur entworfen, die auf Grund ihrer dreidimensionalen Ausformung aus verschiedenen Perspektiven unterschiedliche Ansichtsfiguren erzeugt und vielfältig interpretierbar ist: ein Symbol für eine Region im Wandel.
Es war uns sowohl wichtig, ein deutlich lesbares, wieder erkennbares Zeichen zu gestalten, das identitätsstiftend für den Bergbau sein kann, als auch einen Erlebnis-Wert, eine Benutzbarkeit der Skulptur herzustellen.
Neben der beschriebenen abstrakten Herangehensweise wollten wir jedoch auch eine Lesbarkeit auf einer anderen, konkreten Ebene erreichen: über Assoziationen und Referenzen zur Industriekultur in Materialität und Art der Konstruktion.
Lageplan 
Gibt es ein Gesamtkonzept, um die Halde über die Region hinaus attraktiv zu machen?
Die Wettbewerbsauslobung definierte ein klar umrissenes Baufeld von knapp 1 ha Größe in der Mitte des Haldenplateaus. Darüber hinaus ist jedoch vorgesehen, eine übergreifende Planung für die Nachnutzung der Anlage und der zugehörigen Freiflächen durchzuführen.
Die Landmarke wird dann schon bestehen, und in diese Planungen integriert werden.

Derzeit ist die Halde nur in Teilen öffentlich zugänglich und wird als Ausflugziel und für sportliche Aktivitäten, insbesondere zum Gleitschirmfliegen genutzt. Ein Teil der Halde (der das Baufeld einschließt) dient weiterhin dem Aufbringen von Bergematerial, das auch zur weiteren Modellierung der Topographie dienen wird. Die Freizeit- und Erholungsnutzung soll aber nach dem Ende der Steinkohleförderung auf die gesamte Halde ausgedehnt werden.
Landmarke 
Können Sie uns zur Landmarke führen als ob sie schon fertig gestellt wäre?
Für die Landmarke ist es wichtig, dass sie sowohl aus der Distanz funktioniert, also als ein weithin erkennbares Symbol lesbar ist, aber auch das Haldenplateau bespielen kann und dort einen zusätzlichen Erlebniswert mit sich bringt: eine begehbare Skulptur.
Bereits während der Umfahrung der Halde über die Autobahn, die in weitem Bogen um die Halde herumführt, kann man die Besonderheit der Landmarke erleben: ihre Erscheinung wandelt sich mit der Richtung, aus dem sie betrachtet wird. Durch die 3-dimensionale Verschränkung der Skulptur werden mit dem Wechsel der Perspektive immer wieder andere Figuren sichtbar, die mit dem Bergbau verbundene Assoziationen wecken: z.B das Bergmannssymbol Schlägel und Eisen, einen Förderturm, ein Tor.

Beim Hinaufwandern auf die Halde verschwindet die Landmarke streckenweise einmal aus dem Blickfeld, dann ergeben sich immer wieder unterschiedliche Ansichten.
Wenn man am Haldenplateau ankommt, kann man die Skulptur in ihrer vollen Größe als großes Tor wahrnehmen. Durch die beiden Füße mit ihrer inneren Erschließung gelangt der Besucher auf die Aussichtsplattform, von der aus sich ein 360°-Rundblick in die Landschaft des Saartals bietet – eine Erfahrung, die so vom eigentlichen Haldenplateau wegen seiner Ausdehnung nicht möglich ist.

Neben der räumlichen Veränderung gibt es auch eine zeitliche: Tagsüber tritt die Außenhülle durch das von außen kommende Tagslicht in Erscheinung; mit dem Sonnenstand verändert sich das Schattenspiel auf den Außenflächen. Nachts wird durch die Beleuchtung der Treppen die innere Erschließungsstruktur hervorgehoben und scheint durch die Außenhülle durch.
So wandelt sich die Erscheinung der Landmarke – zum einen über die örtliche Position des Betrachters, aber auch noch einmal über den Verlauf der Tageszeit.
Ansichten, Grundriss, Schnitt, Fernwirkung 
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion, Material und Licht zeichnen Ihren Vorschlag aus?
Die Referenzen zu industriellen Architekturen, die in der Region Saar prägende Bedeutung haben, war – wie bereits erwähnt – ein wichtiges Motiv. Fasziniert und inspiriert haben uns in ihrer eigenwilligen Ästhetik die pragmatischen Konstruktionen, die aus ihrer Funktionalität ihren besonderen Reiz entwickeln.
Wir wollten das nicht direkt übertragen, aber über die Anmutung der Landmarke und der Wahl des Materials einen Zusammenhang hierzu herstellen. Im Dialog mit unserem Tragwerksplaner Johannes Liess ist dann ein Röhrentragwerk entstanden, das aus Standardprofilen hergestellt wird und gleichzeitig die äußere Form der Skulptur bildet. Die innere Erschließung aus gefaltetem Stahlblech dient zugleich der Aussteifung dieses Tragwerk-Systems.
Hier manifestiert sich auch das Lichtkonzept, das sich aus der Zusammenarbeit mit unserem Lichtberater, Michael Haverland, konkretisiert hat. Das zur Aussteifung gefaltete Blech nimmt gleichzeitig die Beleuchtung auf, die die Untersichten und Seitenflächen der Erschließungsstruktur nachts anstrahlt.
Tragwerk, Lichtskulptur  
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Das Ende des Kohlebergbaus im Saarland ist auf den 30. Juni 2012 terminiert. Das ist der Anlass, diese Aufgabe auszuloben, und auf dieses Datum, zu dem auch die Landmarke eingeweiht werden soll, arbeiten wir hin.
Fernwirkung von Westen und Süd-Westen 

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 06/2011
Landmarke auf der Halde Duhamel in Ensdorf
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Dr. Jörg Dettmar, Vors.
Prof. Rolf Kuhn
Dr. Reimar Molitor
Delf Slotta
Dr. Rena Wandel-Hoefer
Prof. Georg Winter

1. Preis
Katja Pfeiffer und Oliver Sachse
Berlin

2. Preis
Florian Kirfel
Weimar

3. Preis
Stephanie Hackl und Andreas Hoffmann
Eichstätt