Kirche zum Wohnen

Thomas Geuder
4. February 2019
Das Wohnhaus „Iller 21“ in Reutlingen-Altenburg wurde zuvor von der Neuapostolischen Kirche genutzt. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)

Projekt: Wohnhaus „Iller 21“ (Reutlingen-Altenburg, DE) | Bauherr: privat | Architektur: Architekturbüro Manderscheid (Stuttgart, DE) | Hersteller: Knauf Gips KG (Iphofen, DE), Kompetenz: Rotkalk, Trockenbau | weitere Projektdaten siehe unten

Reutlingen-Altenburg liegt direkt am hier noch jungen Neckar, nördlich von Reutlingen bei Stuttgart. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)

Im großen Wohnraum mit Zeltdach befindet sich der Lebensmittelpunkt der Familie. Eine „Küchenbox“ wurde hier an die östlichen Fenster geschoben und gliedert den Raum. Ihre obere Ebene unter dem Dach wird über eine Regaltreppe und eine schlanke Brücke erschlossen. Der räumlichen Großzügigkeit haben die Architekten bewusst eine einfache Konstruktion und Materialität entgegengesetzt. Vorherrschend sind natürliche Materialien, vor allem Holz. Am Boden ist ein geglätteter Zementestrich verlegt. Lediglich in den Schlaf- und Kinderzimmern liegt ein geöltes Industrieparkett. Die Innentüren bestehen aus unbehandelten Nadelholzplatten, die von zwei grau lackierten, senkrechten L-Stählen als Zarge mit sichtbaren Bändern gehalten sind. Die gemauerten Wände sind mit einem roséfarbenen Kalkputz bzw. Rotkalk geschlämmt, sodass die Mauerwerksstruktur spürbar bleibt. Das trägt auch wesentlich zum Raumklima bei, da die Luftfeuchte reguliert, durch den hohen pH-Wert (> 12) auf natürliche Weise Schimmelbildung und Besiedlung durch Mikroorganismen vorbeugt, aktiv Schadstoffe wie Formaldehyd, Kohlenwasserstoffverbindungen, Stickstoff und VOCs (flüchtige organische Verbindungen) in der Raumluft abbaut und Gerüche absorbiert.

Das regenerative Energiekonzept macht das Wohnhaus zu einem weitestgehend autarken Gebäude. Eine Solewärmepumpe mit vier Bohrpfählen im Garten erzeugt die Wärme für die Fußbodenheizung. Die Wärmepumpe wird über eine PV-Anlage auf dem Flachdach mit Akku versorgt. Die Pumpe erlaubt es, im Sommer mit Wasser aus den Erdbohrungen die Räume leicht zu kühlen. Dies lädt den Erdspeicher wieder für den Winter auf. Ein raumluftunabhängiger, automatisch steuerbarer Pelletofen im Wohnraum kann an kühlen Herbstabenden für eine behagliche Atmosphäre sorgen. All das war dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg beim Effizienzpreis Bauen und Modernisieren 2018 schließlich die Prämierung mit SILBER in der Kategorie Modernisierung Ein-/Zweifamilienhaus wert – Gratulation!

Die Konstruktionsidee des Zeltdachs des hinteren Gebäudes ist noch deutlich zu erkennen und wurde durch die neue Fassadengestaltung sogar noch betont. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Die Vorderansicht ist geprägt durch einen Flachbau, der mit Holzfassade, Eingang und Hausnummer ein gänzlich neues Aussehen erhalten hat. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Den ehemaligen Kirchenraum bildet eine sichtbare, zehn Meter hohe Zeltdach-Konstruktion. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Eine „Küchenbox“ mit Theke an der östlichen Seite gliedert den Raum. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Die Wand zum Garten wurde großzügig geöffnet und davor mit einer Terrasse versehen. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Die obere Ebene wird durch eine Brücke erschlossen, die gleichzeitig zu einer Dachloggia führt. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Ein Stahl-L-Profil bildet den Anschlag der Türen, die somit nicht – wie man vermuten würde – zum Flur öffnen, sondern zu den Räumen dahinter. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Die mit Kalkputz geschlämmten Wände entfalten ihre Wirkung besonders bei Streiflicht. (Foto: Johannes-Maria Schlorke)
Lageplan (Zeichnung: Architekturbüro Manderscheid)
Grundriss (Zeichnung: Architekturbüro Manderscheid)
Schnitt (Zeichnung: Architekturbüro Manderscheid)
Der Innenraum vor dem Umbau war nach eher praktischen Kriterien ausgestattet. (Foto: Architekturbüro Manderscheid)
Beim Bestandsgebäude waren die verschiedenen Entstehungsjahre der Gebäudeteile gut zu erkennen. (Foto: Architekturbüro Manderscheid)
Projekt
Wohnhaus „Iller 21“
Reutlingen-Altenburg, DE
 
Bauherr
privat
 
Architektur
Architekturbüro Manderscheid
Stuttgart, DE
 
Team
Christoph Manderscheid, Sabrina Münzer, Luise Sausgruber, Rong Shan, Yohanna Tesfaigzi-Bund, Michael Widmayer
 
Hersteller
Knauf Gips KG
Iphofen, DE
 
Kompetenz
Rotkalk, Trockenbau
 
weitere Hersteller
Flachdachabdichtung: bauder.de
Türgriffe: deni.de
Fenstergriffe: fsb.de
Ölfarben Fenster: kreidezeit.de
Farben Küchenfronten + graue Stahlteile: kt-color.de
Dampfbremse: proclima.de
Holzweichfaserdämmung: pavatex.de
Zellulosedämmung: steico.de
Kalkfarbe: caparol.de
Fliesen: cinca.de
Parkett: bembe.de
Vorhangschienen: silentgliss
Vorhangstoff: création baumann
Wärmepumpe: cta.ch
Armaturen: herzbach
Vorwandinstallationen: geberit.de
Waschtische: ideal standard
 
Bauphysik, Energieberater
Energieplanung Fischer, Ammerbuch
 
Tragwerk
Ingenieurbüro Ströbel, Bilger, Mildner, Tübingen
 
Grafik Hausnummer
Caroline Pöll Design
Heidelberg
 
Primärenergiebedarf
53,40 kWh/m²a
 
Endenergiebedarf
26,00 kWh/m²a
 
Transmissionswärmeverlust
0,340 W/m²
 
Baukosten
1.197 €/m² Bruttogeschossfläche
 
Fotos
Johannes-Maria Schlorke

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