Dorfähnlich

Lorber Paul Architekten BDA
22. February 2023
Blick auf die Gesamtschule an der Knappenstraße (Visualisierung: Lorber Paul Architekten BDA / Ponnie Images)
Die Stadt Oberhausen plant die Neuerrichtung einer zukunftsorientierten sechszügigen Gesamtschule mit einer Sechsfachsporthalle am Standort der ehemaligen Hauptschule St. Michael an der Knappenstraße in Oberhausen. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Vorgefunden haben wir ein sehr beengtes Plangebiet, dessen Mitte durch Bäume belegt ist. Es befindet sich in fußläufiger Verbindung zum Zentrum von Oberhausen, dem Hauptbahnhof sowie dem Centro Oberhausen und liegt eingebettet innerhalb eines gewachsenen, jedoch heterogen und uneinheitlich strukturierten, durch einfache Nachkriegswohnbauten geprägtem Wohngebiet. Lediglich im unmittelbar angrenzenden Nordwesten befinden sich einige wenige Einfamilienhäuser. An der östlichen Grenze des Plangebiets stehen mit den sogenannten „Drei Knappen“ drei 12-geschossige Wohnhochhäuser. Nach Norden erstreckt sich ein breiter, insgesamt größerer und komplett baumbestandener Grünstreifen, der das Plangebiet von der sich weiter nördlich befindenden gewerblichen Nutzung abgrenzt. Eine besondere Prägung erhält das Plangebiet durch die vorhandenen, teils sehr großen Laubbäume. Genau dieser Baumbestand auf dem beengten Grundstück stellt mit der unklaren städtebaulichen Situation die größte Herausforderung für die Entwicklung eines neuen, identitätsstiftenden Schulkomplexes dar.

Schwarzplan (Zeichnung: Lorber Paul Architekten BDA)
Wie kamen Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Die gleichzeitige Beachtung des limitierten, zur Verfügung stehenden Platzes sowie der Erhalt der Bäume führte zur Segmentierung der Baukörper um eine Grüne Mitte. Der Entwurf für den Neubau der Gesamtschule reagiert demnach mit seiner Verteilung der Baukörper differenziert auf die Umgebung und bildet klare städtebauliche Kanten zur Straße aus. Durch die Unterteilung der Baumasse in wohldimensionierte Einzelkörper reagiert der Entwurf sensibel auf die partiell kleinteilige Umgebung. Durch die Kantenbildung zur Straße werden klare Zugänge geschaffen und eine Adresse zum Quartier ausgebildet.

Lageplan (Zeichnung: studio grüngrau Landschaftsarchitektur / Lorber Paul Architekten BDA)
Wie organisieren Sie die Gesamtschule?

Die Schule gliedert sich in sieben Häuser, die drei Hausgruppen ausbilden, welche die unterschiedlichen Funktionsbereiche der Schule aufnehmen. Die Baukörper bilden an den Grundstücksgrenzen Raumkanten und formulieren den Schulhof als gemeinschaftliche Mitte aus. Wie die Stadtgesellschaft um das Forum als gemeinschaftliche Mitte, adressieren sich die Nutzungseinheiten der Schule um die Schulhoffläche als zentraler Ort des Sich-Begegnens und Zusammenkommens. Die Turnhalle, Aula und der Schulhof sind auch für außerschulische Aktivitäten nutzbar und über eine separate Zuwegung erreichbar. Als öffentliches Gebäude hat die Schule das Potenzial, ein Gemeinschaftsort mit quartiersstiftender Identität zu werden.

Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: Lorber Paul Architekten BDA)
Schnitt 1 (Zeichnung: Lorber Paul Architekten BDA)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Der ähnlich einem Dorf organisierte Entwurf ermöglicht es, die maximale Anzahl an Bestandsbäumen in der Grundstücksmitte zu erhalten. So entsteht ein zentraler Dorfplatz. Polygonale Baukörper erzeugen sowohl im Außen- wie auch im Innenraum besondere Räume, die durch Aneignung für einzelne Schüler und Schülerinnen zu mehr als nur einem Ort der Wissensvermittlung werden. „Der Mensch steht im Mittelpunkt“ bedeutet die Maxime des in die Zukunft orientierten Entwurfsansatzes. Die Schule soll einen Ort darstellen, in dem gerne gelernt, gearbeitet und gelebt wird. Mit seinem innovativen, ökologischen und ressourcenschonenden Ansatz wird die Wichtigkeit des klimaschonenden Handelns auf einfache und anschauliche Weise vermittelt. Neben allen pädagogischen Aspekten sind es jedoch auch vor allem die Wohlfühlaspekte, die ein angenehmes Verweilen im Schulcampus sicherstellen. 

Schnitt 2 (Zeichnung: Lorber Paul Architekten BDA)
Schnitt 3 (Zeichnung: Lorber Paul Architekten BDA)
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion und Material, auch in Bezug auf Nachhaltigkeit, zeichnen Ihren Vorschlag aus?

Das Schulgebäude ist in nachhaltiger Holzhybridbauweise geplant, die mindestens die KfW-40 NH Anforderungen erfüllt. Der Betonanteil ist durch den Einsatz von Holz auf ein Minimum reduziert (geringer CO2-Ausstoß, viel CO2-Storage). Die Konstruktion erlaubt – auch bei partiellem Rückbau – die Trennung der Materialien zu Recyclingzwecken (Cradle2Cradle). Sowohl in der tragenden Struktur als auch im Innenraum dominieren Holzoberflächen die Gestaltung. Das natürliche Material schafft ein gesundes Raumklima und leistet als nachwachsender Rohstoff einen enormen Beitrag zum nachhaltigen Bauen. Die Materialwahl ist Teil des Konzepts und bietet eine optimale Lernatmosphäre unter Verringerung des Stresslevels. Dazu tragen ebenfalls ein starker Begrünungsgrad und der Erhalt der Bestandsbäume bei. Die Dachgärten mit ihrer hohen Biodiversität dienen einem guten Mikroklima sowie einer sehr guten Aufenthaltsqualität. 

Schnitt 4 (Zeichnung: Lorber Paul Architekten BDA)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Die Terminschiene für die Planung und Ausführung befindet sich noch in der Abstimmung. Es besteht jedoch der einheitliche politische Wunsch nach einer schnellen Umsetzung des Konzeptes. Auf dieser Basis ist davon auszugehen, dass neben der reinen Bearbeitungszeit auch die für die Umsetzung notwendigen Gremienbeschlüsse und Bearbeitungslaufzeiten für das notwendige Bebauungsplan- und Bauantragsverfahren optimiert werden, sodass mit einem zeitnahen Bezug der Gesamtschule gerechnet werden kann.

Modell (Foto: Lorber Paul Architekten BDA)
Gesamtschule an der Knappenstraße in Oberhausen
Nicht offener Wettbewerb
Auslobung: SBO Servicebetriebe OberhausenBetreuung: pp a l s pesch partner architekten stadtplaner, Dortmund
 
Jury
Prof. Amandus Samsøe Sattler, Berlin, Vors. | Jelena Bozic, Stuttgart | Karin Büschenfeld, Bezirksreg., Düsseldorf | Prof. Karin Damrau, Gestaltungsb. Oberhausen | Wilhelm Hausmann, Oberhausen | Michael Jehn, Stadt Oberhausen | Horst Kalthoff, SBO Servicebetriebe Oberhausen | Thorsten Kock, Stuttgart | Dr. Petra Krüger-Hufmann, GS Osterfeld | Dr. Thomas Palotz, Stadt Oberhausen | Barbara Pampe, Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft Bonn | Dietmar Riecks, Bochum | Jürgen Schmidt, Stadt Oberhausen | Daniel Schranz, OB Stadt Oberhausen | Christine Wolf, Gestaltungsbeirat Oberhausen
 
1. Preis
Lorber Paul Architekten GmbH, Köln | Gert Lorber, Annette Paul
Mitarbeit: Valentina Radile, Jan Bockholt, Martti Lehmann, Linus Dittgen
studio grüngrau Landschaftsarchitektur GmbH, Düsseldorf | Prof. Thomas Fenner
Mitarbeit: Binynag Xie, Joshua Raff, Anisa Avduli
Visualisierung: Ponnie Images | Alexander Bartscher, Andrea Costa
 
2. Preis
karlundp, München | Ludwig Karl
Mitarbeit: Luis Gutièrrez Sagüillo, Martina Sauerer
TOPOS Stadtplanung Landschaftsplanung Stadtforschung, Berlin | Stephan Andreas Buddatsch
Mitarbeit: Natalija Ravel, Karla Maria Perez
 
3. Preis
Tusker Ströhle Freie Architekten BDA, Stuttgart | Matthias Tusker, Andrea Ströhle
Mitarbeit: Begüm Aksu
ah Landschaftsarchitekten Anderson & Hinterkopf Partnerschaft mbB, Stuttgart | Kerstin Anderson
Mitarbeit: Benedikt Lampa
Mayr | Ludescher | Partner Beratende Ingenieure | Tragwerksplanung, Stuttgart |Guido Ludescher
IWP Ingenieurbüro für Systemplanung GmbH | Beratung Technische Gebäudeausrüstung, Stuttgart | Patrick Kuniß

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