Urbane Akupunktur

Ulf Meyer
24. August 2018
Die Q.-Lisse agiert als Stadtbaustein in Quierschied (Bild: Marco Kany)

Der saarländischen Bergarbeiter-Stadt Quierschied kam mit Schließung ihrer Kohlegrube im Jahr 2000 die ökonomische Grundlage abhanden. Dem Ortszentrum ist anzusehen, wie das Städtchen welkt. Mit dem neuen Kultursaal, entworfen von Hepp + Zenner Architekten aus Saarbrücken, wurde der Innenstadt nun ein dringend benötigter architektonischer Glanzpunkt verliehen. Die „Q.Lisse“ steht nicht eitel auf dem Marktplatz, sondern rahmt ihn so geschickt, dass ein visueller Bezug zur Kirche Maria Himmelfahrt nebenan entsteht. Auch die Fassaden aus Muschelkalk und die gebrochene Dachform sind von der Kirche abgleitet. Der Knick in den Längsseiten des Kulturhauses ist so kalkuliert, dass es weniger massiv wirken lässt und im Zentrum die größte Raumtiefe hat.

Das Foyer wird optisch in den Aussenraum verlängert (Bild: Marco Kany)

Das abschüssige Grundstück erlaubte Eingänge auf zwei Ebenen und Seiten. Der Haupteingang liegt auf der oberen Ebene, zum Rathaus hin. Auf der unteren Etage des janus-köpfigen Gebäudes schaut eine Sparkassenfiliale auf den Marktplatz hinaus. Zu einem gelungenen Beispiel von „urbaner Akupunktur“ macht den Kulturbau seine Verbindung zum Außenraum. Die Gestaltung verlängert den öffentlichen Raum. Die Außenanlagen wurden vom Büro HDK Dutt & Kist gestaltet und fügen Gebäude und Freifläche zu einer Einheit zusammen und markieren eine neue Ortsmitte. Das „Haus der Kultur“ ergänzt wie ein Stadtbaustein das Ensemble. Seine Freifläche dient als Marktplatz, für Feste und Veranstaltungen und als repräsentatives Rathausumfeld. Terrassen inszenieren die Topographie (es gibt auch eine barrierefreie Erschließung über Rampen), die Vorflächen erzeugen sanfte Übergange. Die Kubatur des Gebäudes ist so kalkuliert, dass innen attraktive Blicke auf Quierschied entstehen. Der teilbare Saal für Musik und Theater lebt vom Tageslicht, das durch raumhohe Fenster fällt. Dachüberstände garantieren Witterungsschutz an den Eingängen und formulieren Entrées zum zweigeschossigen Foyer.

Form und Material stellen einen Bezug zur Kirche her (Bild: Marco Kany)

Die Architekten wollten „kein Sonntags-Gebäude“ schaffen, wie Architekt Thomas Hepp sagt, sondern ein „robustes Haus, das jeden Tag und von jedem genutzt werden kann“. Den Architekten ist ein Gebäude gelungen, das auf seine Umgebung ausstrahlt – eine kleine Intervention beeinflusst den größeren urbanen Kontext positiv und fasst den Platz räumlich. Hepps Bau stellt den Solitär in den Dienst einer Gesamtwirkung. „Es ist ein Lichtblick, mit welcher Konsequenz die Gemeinde die Neuordnung ihrer Ortsmitte realisiert hat“, sagt Hepp. Ihm war es wichtig, „mit einem markanten Baukörper ein starkes Zeichen zu setzen.“

Die Aussenanlagen verlängern die Interieurs (Bild: Marco Kany)

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