Was vom Deutschen Pavillon der Architekturbiennale zu erwarten ist

Lustvolle Handlungsoptionen

Falk Jaeger
10. February 2023
Materialfragmente der Biennale Arte 2022, provisorisch gelagert im Portikus des Deutschen Pavillons, Dezember 2022 (Foto © ARCH+ SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB)

Eine reine Leistungsschau der Architekten mit Starrummel ist die Architekturbiennale in Venedig schon lange nicht mehr. Seit einigen Jahren geht es nicht mehr um Villen und Wolkenkratzer, sondern um Konzepte zur Rettung der Welt – zumindest in den Pavillons jener Nationen, die sich an der Spitze der Entwicklung sehen. Deutschland zum Beispiel. Den Kuratoren, dem Redaktionsteam der Zeitschrift ARCH+ um Anh-Linh Ngo und den ArchitektInnen des Leipziger Büros SUMMACUMFEMMER um Anne Femmer sowie des Büros Juliana Greb geht es um „die ressourcenschonenden, jedoch arbeitsintensiven Prinzipien von Wiederverwendung und Zirkularität.“

Und da ökologische Nachhaltigkeit untrennbar mit der sozialen Frage verbunden sei, wirft man noch einen retrospektiven Blick auf die Instand(be)setzerszene im Berlin der 1970er- und 1980er-Jahre als soziale Praxis, die zur erfolgreichen Strategie der behutsamen Stadterneuerung geführt hat. Instandbesetzen will man auch den Pavillon, den man von der Kunstbiennale samt  Maria Eichhorns bauarchäologischer Arbeit Relocating a Structure im entkernten Zustand unverändert übernimmt.

Einlagerung gesammelter Spolien aus der Biennale Arte 2022 in den Deutschen Pavillon, Dezember 2022 (Foto © ARCH+ SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB)
Übernahme einer Spolie der Ausstellung „Queendom” des Israelischen Pavillons zur Biennale Arte 2022, Dezember 2022 (Foto © ARCH+ SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB)

„Wegen Umbau geöffnet“, so der Titel des deutschen Beitrags. Während sich der Pavillon bei der letzten Architekturbiennale weiß und leer präsentierte und seine Inhalte über Videos vermittelte, wird er diesmal vollgeräumt – mit Abbruchmaterial aus den Pavillons der Biennale 2022. „Die Integration von „Spolien“ der vorangegangenen Biennale als Teil neuer Materialassemblagen schafft überraschende Bedeutungszusammenhänge“, heißt es. Der praxisnahe Ansatz zeige „lustvoll Handlungsoptionen auf, die alternative Gestaltungsmöglichkeiten für die Architektur eröffnen und damit auch zu ihrer sozialen Erneuerung beitragen können.“ Es wird wohl viel gebastelt werden, doch was da im Einzelnen zu sehen sein wird, steht noch nicht fest oder wird noch nicht verraten. 

Es wird wie üblich Begleitprogramme geben, zum Beispiel des Goethe-Instituts mit „performativen Projekten“. Man will aber auch, und das ist neu, in die Stadt hineinwirken, in der Hunderte von Wohnungen leer stehen, während das Alltagsleben immer mehr verschwindet. Man will den lokalen sozialen Initiativen und gemeinwohlorientierten Netzwerken mit der „Werkstatt“ eine aktive Plattform bieten.

Übrigens hat die Kuratorin der Gesamtbiennale Lesley Lokko ein ganz spezielles Anliegen. „Afrika ist das Labor der Zukunft. Wir sind der jüngste Kontinent der Welt, der Kontinent, der sich am schnellsten urbanisiert“, begründet sie ihr Programm, das sich auf ihren Heimatkontinent konzentriert. „Dieses rasche und weitgehend ungeplante Wachstum geht im Allgemeinen auf Kosten der lokalen Umwelt und der Ökosysteme, wodurch wir sowohl auf regionaler als auch auf planetarischer Ebene zu den Hauptverursachern des Klimawandels gehören.“ Also auch auf dieser Metaebene der Biennale ist das Thema angekommen.

Die 18. Biennale di Architettura empfängt ihre Besucher vom 20. Mai bis zum 26. November in den Giardini, im Arsenale und an einer Vielzahl von externen Orten in der Lagunenstadt.

Zwischenlagerung von Materialresten der Biennale Arte 2022 im Deutschen Pavillon, Dezember 2022 (Foto © ARCH+ SUMMACUMFEMMER BÜRO JULIANE GREB)
Gruppenfoto des kuratorischen Teams, v. l. n. r.: Franziska Gödicke, Anh-Linh Ngo, Petter Krag, Juliane Greb, Anne Femmer, Melissa Makele,  Christian Hiller, Florian Summa. Foto: © Schnepp Renou

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