Immer dichter, immer besser?

Katinka Corts
4. September 2018
Bild: Martina della Valle

Die Veranstalterin betitelte das Treffen mit einem Ausrufezeichen. Das dichte Bauen wirft aber vorallem Fragen auf, wie sich über den Abend hinweg zeigte. Bereits zu Beginn der Veranstaltung verneinte Reiner Nagel, Vorstandvorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur, dass die Dichte im städtischen Bauen ein Wert an sich sei. Berliner, Innsbrucker und Mailänder Stadtquartiere zeigten, dass dichte Stadtviertel erst dann lebenswert würden, wenn trotzdem der menschliche Maßstab im Mittelpunkt bliebe.

So führte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gemeinsam mit der Bundesstiftung Baukultur ein Projekt zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme, Innenentwicklung und Baukultur durch. Sabine Djahanschah der DBU stellte in ihrem Bericht Bauen und Flächenverbrauch in einen globalen Kontext: Die Erde sei in vielerlei Hinsicht an ihre Belastungsgrenze geraten; Auch Deutschland lagere Flächen zur Nahrungsmittelproduktion im großen Stil in andere Länder aus und fast ein Viertel der landwirtschaftlichen Fläche weltweit seien bereits heruntergewirtschaftet. Gleichzeitig sei das Bauwesen bei weitem die Stoff-Strom-intensivste Branche, sodass auf deren Umgang mit Ressourcen besonderes Augenmerk zu legen sei.

Im anschließenden Gespräche mit Christiane Thalgott, ehemals Stadtbaurätin Münchens, und  Jan Kehrberg, Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann, wurde es konkreter. Thalgott verwies darauf, dass die Maxvorstadt als beliebtester Stadtteil Münchens gleichzeitig auch der dichteste sei – und geschichtlich ein Investorenprojekt, bei dem Verdichtung aus Renditegründen vorantrieben wurde. Im Mittelpunkt stehe für sie, wie es uns gelingen kann in der Stadtentwicklung wieder mehr soziale und menschliche Dichte herzustellen und mit welchen baulichen Formen sich das unterstützen lässt. „Dichte ist eine Chance für Mannigfaltigkeit“, so Thalgott. Mit Blick auf die gegenwärtige Marktlage äußert Jan Kehrberg jedoch Bedenken, gerade was die bauliche Vielfalt angeht: Für ihn kündige sich ein neuer Schweinezyklus an, wo am Markt gerade nur Wohnquartiere entwickelt würden, während Gewerbegebiete ins Hintertreffen gerieten. Thalgott fordert Städte auf, den Marktzyklen vorauszudenken, aber stellt gleichzeitig klar, dass sich Fragen einer langfristigen klugen Entwicklung im politischen Raum historisch immer schwergetan hätten. Auch an diesem Punkt herrscht Einigkeit zwischen der ehemaligen Stadtbaurätin und dem Immobilienexperten Kehrberg, der ebenso einen Appell an die Politik formuliert: In der Bauleitplanung gehe es letztlich nicht um den Markt, sondern um den kommunalen Gestaltungswillen. Städte müssen ihre Steuerungsfunktionen in die Hand nehmen und die Instrumente besser ausschöpfen, die ihnen zu Verfügen stünden.

Praktische Beispiele für dichtes Bauen brachten anschließend Ingrid Spengler (SPENGLER WIESCHOLEK Architekten Stadtplaner, Hamburg), Andres Krüger (Belius GmbH) und Nanni Grau (Hütten & Paläste Architekten, Berlin). „Wenn es uns nicht gelingt im Bestand Mischungsregeln festzulegen, verlieren wir die Qualität der Städte“, plädierte Christiane Thalgott in der Schlussrunde. Andreas Krüger sieht einen „heißen Herbst der Bodendiskussion“ in Berlin aufziehen und begreift in diesem Zusammenhang ein integriertes Landmanagement und ein Rückgriff auf das Erbbaurecht als Chancen, Fehlentwicklungen der Vergangenheit entgegenzusteuern. Für Jan Kehrberg können Städte nicht auf das Know-How von privaten Projektentwicklern verzichten, um allen Herausforderungen Herr zu werden. Gleichzeitig betont er, dass Boden kein Gut wie jedes andere sei, welches über den Markt geregelt werden solle: Die Ausweitung des Kommunalen Vorkaufrechts, unterstreicht Kehrberg, müsse in die Politik getragen werden. Zum Ende der Veranstaltung fasst Reiner Nagel die zentrale Erkenntnis des Baukultursalons in einer Formel zusammen: „Dichte braucht Mischung!“

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