Farbiger Fluss

Carsten Sauerbrei
13. July 2017
Die Skulptur Qwalala der amerikanischen Künstlerin Pae White befindet sich auf dem Außengelände des Glasmacher- Museum LE STANZE DEL VETRO. (Bild: Enrico Fiorese)

Das Stuttgarter Ingenieurbüro schlaich bergermann partner ist weltweit bekannt für ästhetisch und statisch anspruchsvolle Tragwerke. Dass sie jedoch immer wieder auch an der Konzeption von Kunstwerken beteiligt sind, ist weit weniger bekannt. Inspiriert wurde die geschwungene Glas-Skulptur der amerikanischen Künstlerin Pae White durch den kalifornischen Fluss Gualala, der in der Sprache der lokalen, indianischen Ureinwohner Pomo Qwalala heißt. Gezeigt wird sie seit Mitte Mai auf dem Freigelände eines 2014, von Selldorf Architects, New York sanierten und umgenutzten früheren Internats, des heutigen Glasmacher-Museums LE STANZE DEL VETRO

Inspiration für die Form der Glas-Skulptur war der kalifornische Fluss Gualala. (Bild: Enrico Fiorese)

Größte Herausforderung bei der Konzeption des Tragverhaltens für die aus über 3100, zur Hälfte farbigen Blöcken bestehende Glaswand war die gewünschte geringe Wandstärke, um die innerhalb Venedigs hohen Transportkosten möglichst gering zu halten. Daher entwickelten die Tragwerksplaner in enger Abstimmung mit der Künstlerin eine solche Geometrie für die 75 m lange und 2,40 m hohe Skulptur, die aufgrund ihrer Krümmung ein schalenartiges Tragverhalten bei horizontalen Lasten mit nur 16 cm Stärke ermöglicht und gleichzeitig auch bei Imperfektionen ausreichend aussteift.

Die Krümmung in der Vertikalen ermöglicht ein schalenartiges Tragverhalten und damit die geringe Wandstärke von nur 16 cm. (Bild: Enrico Fiorese)

Bemessungsrelevant für die massiven Glasblöcke war jedoch nicht nur deren Tragfähigkeit, sondern auch ihre Schockbeständigkeit. So testeten die Ingenieure von schlaich bergermann partner vor allem, ob die Blöcke die extremen Oberflächenspannungen bei Abkühlung durch einen sommerlichen Gewitterregen aushielten. In Hinblick auf die Gründung stellte dagegen der historische Untergrund und die daher maximal erlaubte Gründungstiefe von 20 cm eine Herausforderung dar. Anstatt eines konventionellen Fundaments aus Beton wählten die Ingenieure Stahlplatten, sparten damit wiederum Gewicht und reduzierten erneut die Verschiffungskosten.

Die handgegossenen, massiven, mit Silikon verklebten Glasblöcke mussten nicht nur ausreichend tragfähig, sondern auch schockbeständig sein. (Bild: Enrico Fiorese)

Um wie geplant, eine nur sechs Wochen kurze Bauzeit zu ermöglichen, mussten die Glasblöcke einfach zu montieren sein. Außerdem sollte deren Fügung eine leichte Demontage der Skulptur nach dem Ende der Ausstellung gestatten. Daher entschieden sich die Ingenieure für das Verkleben der Blöcke mit Silikon, das nicht nur statische Funktionen übernimmt, sondern auch die relativ großen Toleranzen der handgegossenen Blöcke ausgleicht. Sichtbares Ergebnis der fruchtbaren Kooperation von Pae White und den Ingenieuren von schlaich bergermann partner ist die mehrfach gekrümmte, ästhetisch faszinierende Form der in 26 Farben funkelnden Glaswand, der man nur viele Besucher wünschen kann.

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