Neuanfang in alten Mauern

Maedebach & Redeleit Architekten
27. February 2019
Die ehemalige Preußische Hauptkadettenanstalt ist nun im Innern ein moderner Verwaltungsbau des Bundesarchivs (Bild: Anastasia Hermann)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Besonders sind die verschiedenen Zeitschichten, die sich über das Areal gelegt haben: Die Kaiserzeit schuf hier eine Kadettenanstalt, die Weimarer Republik nutzte die Bauten als staatliche Bildungsanstalt, 1933 wurde daraus die Kaserne der Leibstandarte „Adolf Hitler“, und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zogen die US-Streitkräfte in die teilzerstörten Gebäude ein. Nun ist das Gelände als moderner Verwaltungs- und Archiv- Standort für das Bundesarchiv hergerichtet. 

Historische Elemente erinnern an die Vergangenheit, im ehemaligen Eingangsfoyer der Kadettenanstalt (Bild: Anastasia Hermann)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Konzeptionell verändert wird im Wesentlichen der Hauptzugang von Gebäude 903. Die Haupterschließung erfolgt nun über den Eingang im Magazinneubau. Zwei neue gläserne Verbindungsgänge binden ihn an das Gebäude 903 und an den Öffentlichkeitsbereich im Gebäude 906 an. Um den aktuellen brandschutztechnischen Anforderungen gerecht zu werden, war der Einbau eines neuen Treppenhauses im östlichen Eckrisalit notwendig. Es werden die für das Bauwerk charakteristischen Farben rot (Klinker) und grün (Fenster) aufgenommen und zeitgemäß interpretiert.
Der Westflügel des Gebäudes, der in den 1950er-Jahren nach einem Brandschaden wieder aufgebaut wurde, fügt sich zwar grundsätzlich der bauzeitlichen Struktur, ist jedoch schlichter gehalten und folgt im Inneren der typischen Farbgebung seiner Errichtungszeit. 

Neues Treppenhaus (Bild: Anastasia Hermann)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Ort wurde durch den Bau der Kadettenanstalt, damals weit vor den Toren Berlins, erst geschaffen. Die wenigen erhaltenen Gebäude prägen noch heute seinen Charakter. Die Altbauten, die künftig das Bundesarchiv nutzt, stehen unter Denkmalschutz. Der Entwurf hatte den Bestand zu respektieren. Lediglich dort, wo im Inneren neue Erschließungen notwendig waren, wurden zeitgenössische Architekturelemente eingefügt.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder der spätere Nutzer den Entwurf beeinflusst?

Bauaufgaben des Bundes haben in der Regel eine lange Planungsgeschichte. So auch hier. Umgesetzt wird ein Raumprogramm des Nutzers, das aus dem Jahr 2002 stammt. 2007 wurde mit dem Bau des neuen Magazingebäudes begonnen. Damit wurden weitreichende Entscheidungen für Struktur und Erschließung des Geländes getroffen. Unser Ziel war es, die Umbauten und Sanierungen der beiden Altbauten in dieses Konzept einzufügen. Wenn mit der Fertigstellung des Benutzerbereichs im angebundenen Gebäude 906 mehr als 10 Jahre später auch der Haupteingang im Magazingebäude in Betrieb genommen werden kann, wird sich das Nutzungskonzept für die Archivbestände infolge der Digitalisierung drastisch gewandelt haben.

Rot und Grün prägen den Bau in allen Epochen (Bild: Anastasia Hermann)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Eine der Herausforderungen bei Bauvorhaben der Öffentlichen Hand sind die in einer frühen Planungsphase erstellten, sehr detaillierten Haushaltsunterlagen, die nur schwer verändert werden können, will man das Vorhaben nicht insgesamt gefährden. So gesehen ist es ein Segen, dass für die Unterbringung des Bundesarchivs zwei komfortable Altbauten mit großzügiger Erschließung und langen Raumfluchten gewählt wurden, die ausreichend robust sind und Nutzungswandel leichter verkraften können als passgenau erstellte Neubauten.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die langfristigen Perspektiven bei Planung und Nutzung erfordern Zurückhaltung gegenüber kurzlebigen gestalterischen wie auch technischen Tendenzen. Aus Gründen des Denkmalschutzes waren die bauzeitliche Substanz, vor allem die Fassaden zu erhalten. Die massive Bauweise der Entstehungszeit bietet allerdings nicht die schlechtesten Voraussetzungen für eine nachhaltige und energetisch vorteilhafte Gebäudenutzung. Vor annähernd 10 Jahren wurde, im Rahmen eines Sonderprogramms des Bundes zur Energieeinsparung, eine Photovoltaik-Anlage auf Teilflächen des Daches aufgestellt.

Verbindungsgang zwischen Westflügel Gebäude 903 und Magazingebäude (Bild: Anastasia Hermann)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Am nachhaltigsten erwiesen sich Baustoffe und Konstruktionen der Entstehungszeit. Diese Materialien versehen seit nunmehr fast 150 Jahren zuverlässig ihren Dienst und sind weitgehend schadensfrei. Problematischer sieht es dagegen mit den baulichen Veränderungen der Zeit nach 1933 aus. Wohl wegen der schon frühzeitig auf Kriegswirtschaft orientierten Materialbewirtschaftung zeigten diese Konstruktionen schwere Schäden bis zum Verlust der Standfestigkeit und mussten aufwändig ausgetauscht werden. Besonders ernüchternd für den Zeitgenossen ist der Befund, dass sich so gut wie alle Stoffe, die nach 1950 in dem Gebäude verwendet wurden, als Schadstoffe erwiesen haben und mit großem Aufwand entsorgt werden mussten.

Das markante, neu hinzugefügte Treppenhaus mit seinem lackierten Stahl soll sich vom historischen Bestand deutlich absetzen. Die kräftigen Farbtöne rot und grün erinnern zwar an das Rot des Backsteins und das traditionelle Grün der alten Fenster, verstehen sich aber als Symbol für den Neuanfang von Gebäude 903.

Westflügel. Wieder im Flair der 50er Jahre (Bild: Anastasia Hermann)
Lageplan (Quelle: Maedebach & Redeleit Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Maedebach & Redeleit Architekten)
Bundesarchiv, Finckensteinallee 63, Berlin
Umbau des Gebäudes 903
2018
Finckensteinallee 63
12205 Berlin
 
 
Nutzung
Verwaltungsbau des Bundesarchivs
 

Auftragsart
Öffentliche Ausschreibung

 
Bauherrschaft
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, vertreten durch
das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

 
Architektur
Maedebach & Redeleit Architekten, Berlin
 

Bruttogeschossfläche
19.900 m² 

 
Gebäudevolumen
70.100 m³ BRI (Bruttorauminhalt)

 
Gesamtkosten
19.000.000 € (Gesamtbaukosten, brutto)
 

Fotos
Anastasia Hermann

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