Behutsame Umwidmung

meyerschmitzmorkramer
6. September 2017
Ein Ort des Glaubens sensibel in die Zukunft geführt: die denkmalgeschützte Abtei Michaelsberg ragt imposant über Siegburg. Ab 2014 wurde sie umgebaut. (​Foto: ​HG Esch)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

​Die Abtei am Michaelsberg ist über 1000 Jahre alt, hat eine bewegte Geschichte, die auch an den Gebäuden der Abtei Spuren hinterlassen hat. Wir haben uns intensiv damit beschäftigt, welchen Geist das Haus versprüht und was wir daraus machen können. Uns hat die Aufgabe gereizt, das Gebäude wiederzubeleben, eine neue Nutzung hineinzubringen und es bewohnbar zu machen, ohne dabei den Geist des Hauses zu verlieren. 

Die historische Abtei lagert auf mächtigen Stützmauern. Zu ihren Füßen bettet sich der Neubau, das sogenannte Forum mit einer wie ins Massiv eingeschnitten wirkenden Eingangshalle. Zwei gläserne Brücken Schaffen den Übergang zwischen Alt und Neu. (​Foto: ​HG Esch)
Die letzten Höhenmeter werden mit einem Glasaufzug überwunden, der in einem gläsernen Pavillon endet und die Sicht auf Bonn und das Siebengebirge freigibt. (​Foto: ​HG Esch)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Zum einen haben wir uns stark von dem Gebäude beeinflussen lassen. Von der Geschichte des Michaelsbergs aber auch von der besonderen Lage des Michaelsbergs in Siegburg. Bereits in der Wettbewerbsbearbeitung war die Frage, wie man auf dem Michaelsberg empfangen wird, ein wesentlicher Punkt für uns. Früher ist man direkt in den Innenhof gefahren und hat von hier das Gebäude betreten. Wir haben uns entschieden, den Weg neu zu inszenieren. Wir haben einen neuen Vorplatz mit Eingangshalle geschaffen. Über einen Aufzug gelangt man nach oben in den Pavillon mit weitem Blick über Siegburg und die Landschaft. So erhält jeder Gast einen Bezug zur Umgebung. Dann erst geht es durch die ebenfalls gläserne Brücke in das Gebäude hinein. Uns war es wichtig, den Weg als Reise zu inszenieren. Die Gäste sollen ihren Alltag hinter sich lassen, bevor sie sich auf neue Themen einlassen.

Die Architekten von meyerschmitzmorkramer haben sich bei ihrer Planung intensiv mit den Materialien von Berg, Fels und Stein auseinander gesetzt. (​Foto: ​HG Esch)
Der großzügige, gläserne Pavillon auf dem Dach des neuen Forums wurde zur Lounge erweitert. (​Foto: ​HG Esch)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die Siegburger sind emotional ja sehr mit dem Wahrzeichen ihrer Stadt verbunden. Für uns war die größte Herausforderung im Wettbewerb die Frage: Was ist das richtige Maß an Respekt, den wir der Abtei zollen müssen und dürfen und wieviel Aufmerksamkeit darf der Neubau für sich beanspruchen?
Entscheidend ist hier die Topografie des Berges. Der Neubau, das sogenannte Forum steht auf dem 17 Meter tiefer gelegenen, ehemaligen Parkplatz unter dem Erdgeschoss der Abtei. Daher konnten wir uns topografisch quasi ideal eingliedern. Der zweite Aspekt war, dass wir eine Gliederung in dem Gebäude vorgenommen haben. Der zweigeschossige Sockel mit Eingangshalle und Parkplätzen orientiert sich mit seiner Naturbruchste​infassade an der historischen Abtei. Es folgen ein gläsernes Verwaltungsgeschoss und darüber das Restaurant und die Tagungsräume mit Natursteinfassade. Den Abschluss bildet der verglaste Pavillon, von dem aus die filigrane Brücke in den Altbau hinüberführt.
Diese Gliederung sorgt dafür, dass der Baukörper nicht ganz so massiv und groß wirkt. Sein Volumen wird aufgelöst. Das Forum wirkt im Vergleich zur Abtei natürlich wesentlich kleiner.
Mit dem Neubau haben wir der Abtei eine moderne Komponente gegenüber gestellt. Wichtig für uns war, dass die beiden Häuser miteinander kommunizieren und funktionieren, und nicht konkurrieren.

Die Rezeption wird zum vermittelnden Zentrum zwischen Abtei und Forum, dominiert von hellem Naturstein und Leder. (​Foto: ​HG Esch)
Die historischen Kreuzgänge konnten ihren Charme behalten, obwohl sie grundlegend saniert werden mussten. (​Foto: ​HG Esch)
Das Material Naturstein ist das verbindende Element zwischen dem Forum und der historischen Abtei und begegnet den Besuchern in verschiedenen Formen, Funktionen und Ausführungen: Fassade, Fußboden, Möbel und Treppenanlage inklusive Brüstung. (​Foto: ​HG Esch)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Natürliche kommen bei solch einer Bauaufgabe ganz viele Wünsche zusammen. Das ist auch gut so, denn wir wollen als Architekten ja nicht unser eigenes Haus bauen, sondern einen Ort für die künftigen Nutzer. In diesem Fall das Katholisch-Soziale Institut. Wir haben uns beispielsweise gefragt, wie im KSI inhaltlich gearbeitet wird, welche Anforderungen an die Tagungsräume gestellt werden. Wir haben sowohl Tagungsräume im Neubau als auch in der Abtei, wo wir uns in den vorhandenen Bestand integriert haben. Zudem gibt es ein großes Restaurant. Die dazugehörige Küche ist in enger Abstimmung mit dem Küchenchef geplant worden, die Tagungsräume hingegen mit dem zukünftigen Tagungsteam. Die Hotelzimmer haben wir mit den Mitarbeitern, die täglich dort arbeiten werden, abgestimmt. Wichtig war, den passenden Ansprechpartner zu finden und uns mit vielen Einzelpunkten zu beschäftigen. Das macht es für uns Architekten immer wieder spannend: viele unterschiedliche Interessen zu einem großen Ganzen zusammen zu bringen.

Die Zimmer wirken frisch und modern, klösterlich ist hier der bewusste Verzicht auf Unnötiges. Umso wirkungsvoller ist auch hier der Umgang mit Material, hellem Eichenholz für die eigens entworfenen Möbel und die Reduktion auf drei Farben, Mitternachtsblau, Ochsenblutrot und Senfgelb, die sich in unterschiedlichen Kombinationen als Akzente in jedem Zimmer finden. (​Foto: ​HG Esch)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Für uns war die Materialität allgegenwärtiger Leitgedanke des Entwurfs. Dabei spielte Naturstein eine ganz besondere Rolle. Wir haben uns für Wachenzeller Dolomit entschieden – ein echter Allrounder, der mit unterschiedlichen Oberflächen das Gebäude prägt. Spaltraue Riemchen definieren den Sockel des Neubaus und lassen das sogenannte Forum förmlich aus dem Boden wachsen. Natursteinplatten in unterschiedlichen Formaten mit geschliffener Oberfläche, präzise und scharfkantig gefügt, kleiden die darüber liegenden Geschosse.
Im Eingangsbereich taucht der Besucher in den Berg ein, Naturstein an Decke Wand und Boden begleitet ihn ins Innere des Gebäudes. Das Material Naturstein ist das verbindende Element zwischen dem Forum und der historischen Abtei und begegnet den Besuchern in verschiedenen Formen, Funktionen und Ausführungen. Zum Beispiel wurden der Empfangstresen und weitere Bareinheiten mit demselben Naturstein, diesmal mit geflammter Oberfläche, verkleidet. Uns war es stets wichtig, dem Naturstein ein warmes Material gegenüber zu stellen. Am Empfangstresen haben wir Leder gewählt, der Handlauf im Treppenhaus aus Eiche ergänzt die Natursteinbrüstungen.

Neben gefertigten Eichenholz-Einbauten wie Schrank, Schreibtisch und Garderobe heben sich die Bettkopfteile mit integrierter Beleuchtung hervor. Sie sind in Akzentfarben von senfgelb, ochsenblutrot oder mitternachtsblau gehalten. Sitzmöbel in der passenden Farbe werden dazu kombiniert. (​Foto: ​HG Esch)
Lageplan (Zeichnung: meyerschmitzmorkramer)
Grundriss Ebene 0 (Zeichnung: meyerschmitzmorkramer)
Schnitt Ost-West mit Blickrichtung Süd (Zeichnung: meyerschmitzmorkramer)
Katholisch-Soziales Institut Abtei Michaelsberg
2017
Bergstraße 26
53721 Siegburg

Auftragsart
Wettbewerb

Bauherrschaft
Erzbistum Köln, Köln

Architektur
meyerschmitzmorkramer, Köln
Projektleitung: Annegret Kufferath
Mitarbeiter: Fernando González Cardero, Julia Dobritz, Sonja Gallo, Lars Göpfert, Tobias Goße, Beate Groß, Eike Heidelberg, Roland Hinz, Katja Holland, Klaus Kirchner, Marcus Leinwand, Ingwer Luck Kristina Rhiemeier, Jiqing Zhang

Projektsteuerung
WSP Deutschland AG, Düsseldorf

Fachplaner
Landschaftsplanung: FSWLA Landschaftsarchitektur, Düsseldorf
Haustechnikplanung: TEN Ingenieure, Aachen
Statik: Finck Billen Ingenieurgesellschaft, Köln
Brandschutz: Ingenieurbüro Gehlen, Düsseldorf
Bauphysik: ISRW Klapdor, Düsseldorf
Vermesser: Vermessungsbüro Koch, Stopperich
Öffentlich bestellter Vermesser: Dipl. Ing. Ulrich Epp, Siegburg
Bodengutachter: Ingenieurbüro Vogt, Bedburg
Lichtplanung: Licht Kunst Licht, Bonn
Küchenplanung: PWK Planungsbüro Weller-Küttner, Rösrath
SiGeKo: MPlus GmbH, St. Augustin

Kunst am Bau Autor
Babak Saed aus Bad Godesberg
„BINICHDAS“ – Es geht um Selbstbestimmung, Infragestellen des eigenen Ichs. (Schriftzüge Acrylglas)

​Ausführende Firmen
Baugrube / Verbau: S+H Tiefbau GmbH
Abbruch / Rohbau: Josef Klein GmbH & Co. KG
Fenster Altbau: Kolb GmbH
Fenster Neubau: Holzbau Becker & Sohn GmbH
Natursteinfassade Neubau: Natursteinwerk Villmar
Innentüren: Tischlerei Fritz und Alfred Müller
Dach Neubau: S&F Bedachungen GmbH
Dachsanierung Altbau: Bedachungsgesellschaft Weiler GmbH
Innenputz: Stuck Linden
Trockenbau: H.-B. Pfeil & Söhne GmbH
Estrich: Gerhard van Ihsem GmbH & Co. KG
Parkett: Austermann GmbH
Schlosser: Swen Thöne Metallbau GmbH
Fliesen: Fliesen-Kern GmbH & Co. KG
Heizung: Bilfinger Wofferts Gebäudetechnik GmbH
Aufzugsanlage: Röbling Seiffert Geschäftsbetrieb der C. Haushahn GmbH & Co. KG
Elektrotechnik: Jürgen Lässig GmbH & Co. KG
Lüftung: Sodexo GA-tec Gebäude- und Anlagentechnik GmbH
Sanitär: Rudolf Braun und Sohn & Co. GmbH
Gebäudeautomation: Kieback & Peter GmbH
Maler: Maler Wüschem
Garten- und Landschaftsbauer: Fa. Dipl.-Ing. Frank Weindorf
Dachdecker, Dachsanierung Altbau: Bedachungsgeschäft Weiler GmbH
Möblierung: Stoll Wohnbedarf + Objekt GmbH & Co. KG
Bodenbelag Teppich, Linoleum: Kurt Wiesjahn GmbH & Co.KG
Raumausstattung: Masto Dekoration GmbH & Co. KG
Schreiner Altbau: Schumann Möbelwerkstätte GmbH
Schreiner Neubau: Körling Interiors GmbH & Co. KG

Produkte/Hersteller
Naturstein Fassade und Innenausbau: Kelheimer Naturstein GmbH & Co.KG
Holz-Aluminium Fenster: Holzbau Becker & Sohn GmbH
Sonnenschutz (Alu-Lamelle): Warema
Fassade Abtei, Wandflächen: Caparol
Teppich: Carpet Concept
Akustikpaneel: Kvadrat
Schalterprogramm: Gira
Brandschutztüren: Hoba
Beschläge Innentüren, Fenster: FSB
Türstopper: FSB
Sanitärobjekte: Duravit, Keuco
Möbel: Brunner, Muuto, Walter Knoll, Ton, Prostoria
Stoffe, Vorhänge: Kvadrat, Création Baumann

Bruttogeschossfläche
23.000 m²

Gebäudevolumen
84.000 m³

Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
iconic awards 2017 „Winner“ Interior

Fotos
​HG Esch, Hennef

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