Norm-Architektur - Von Durand zu BIM

Norm-Architektur. Von Jean-Nicolas-Louis Durand zum BIM
 
Vom 20. – 22. Oktober 2017 findet am Deutschen Architekturmuseum Frankfurt Main das internationale Symposion Norm-Architektur statt.
 
Mit der Aufklärung setzten Vereinheitlichungen und Normierung in Architektur und im Bauwesen ein, um die Bauproduktion zu beschleunigen, zu verbilligen und Qualitätsstandards zu sichern. Die klassische Avantgarde des 20. Jahrhunderts sah Normierung und Standardisierung als Motoren sozialen und technischen Fortschritts. Auch wenn Konzepte für formgebende, gestaltbestimmende Normen, wie etwa von Ernst Neufert propagiert, sich weitgehend nicht durchsetzen konnten, gibt es heute mehr Normen als je zuvor. Trotz aller Appelle an kulturelle Spezifizität prägen Normen Prozesse und Produkte auf der ganzen Welt durch Formalisierung von materiellen und kognitiven Prozessen. Mit der Einführung von BIM (Building Information Modelling) erfahren diese Verfahren eine zunehmende Relevanz. Zugleich sind Katastrophen wie der Brand der Greenfell towers (London) oder der Einsturz des Savar Gebäudes in Bangladesh drastische Beispiele für Normversagen in Folge neoliberaler Politikkonzepte. Über 30 internationale Experten verschiedenster Fachrichtungen debattieren im Rahmen der dreitägigen Tagung am Deutschen Architekturmuseum über Normkulturen von 1800 bis heute. Im Fokus dabei steht die Normierung von Entwurfsprozessen, Bauprozessen und Bauteilen und ihre Auswirkung auf die Architektur.
U.a. mit Georg Augustin (Augustin und Frank Architekten Berlin) Manfred Grohmann (Bollinger + Grohmann, Frankfurt Main),  Alexander Klose (Author/ Container Researcher); Markus Krajewski (Universität Basel Professor für Medienwissenschaft), Antoine Picon (Harvard University, GSD, Director of Research), Alexander Rieck (Lava Architects), Monika Thomas (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-sicherheit), Georg Vrachliotis (KIT-Karlsruhe, Professur für Architekturtheorie), Matthias Witte, (DIN-Normen-ausschuss Bauwesen)
 
Normiert Entwerfen
In der Moderne kommen Verfahren auf, den Entwurfsprozess zu rationalisieren, zu systematisieren und zu beschleunigen. Es sollen mehr Gebäude schneller entworfen werden, es sollen qualitätsvolle Entwürfe von Leuten mit einfacher Grundausbildung entworfen werden können und es sollen in weitreichenden Hoheitsgebieten Gebäude gleichen Standards realisiert werden. Um dies zu ermöglichen, werden Entwurfshilfsmittel konzipiert, die Entwurfswissen für eine große Zahl von Entwerfern schnell verfügbar und direkt anwendbar machen. Heute entwickeln sich Building Information Modelling-Systeme (BIM) zu Expertensystemen, die mehr als je zuvor mit vorgefertigten Informationen die Planungsprozesse strukturieren.
 
Normiert Bauen: Normierte Bauteile
Nicht zuletzt imaginierte Ernst Neufert die Normung der Architektur vom Kleinen ins Große. Das Vorbild des Erfolgs des kurz zuvor eingeführten Papierformats vor Augen zielte er auf eine durchgehende Maßkoordination und Normierung im Bauwesen, zunächst aufbauend auf dem Oktaedermaß des Mauerwerkbaus. In Systembauten der 1970er Jahre erreichte dieses Denken seinen letzten Höhepunkt, bei dem die Idee der Norm formbestimmend wurde, dem heute ein Pragmatismus gewichen ist. Heute gibt es zwar – national wie international – so viele Baunormen wie nie zuvor, aber deren Festlegungen im Kleinen beeinflussen Form und Gestalt von Bauwerken kaum, abgesehen von einigen – durchaus relevanten – Sonderbereichen. Zu diesen zählen insbesondere Bauteile mit hoher technischer Ausstattung (Küche, Büro) wie temporäre, schnell zu errichtende Bauten (Container, Gewerbebauten). Die Normung der Bauelemente erlaubt Kosten- und Zeitersparnis bei der Erstellung, Prüfbarkeit und Austauschbarkeit.
 
Normiert Bauen: Normierte Bauprozesse
Während in vormodernen Gesellschaften das Produktionswissen des Handwerks bei den Produzenten lag, hat sich das Wissen mehr und mehr in die Produkte und Regeln verlagert. Die Normierung ermöglicht hierbei, dass Produkte verschiedener Hersteller bzw. Provenienz in ein Gesamtsystem von gesicherter Qualität zusammengefügt werden können und dass – z.T. gesetzlich vorgeschriebene – Mindeststandards und Qualitäten bei Produkten verschiedener Hersteller gesichert sind (Qualitätskontrolle und Management). Nicht zuletzt bei der Globalisierung der Bauteilproduktion ist dies relevant. Gleichzeitig dient die Produktionsweise von Gebäuden durch weniger ausgebildete Arbeitskräfte vor allem auch der Kosteneinsparung analog zur Massenproduktion durch Arbeiter und Maschinen. Wie beim normierten Entwerfen geht es beim normierten Produzieren darum, gefundene Lösung in großer Breite durchzusetzen und dabei einen Qualitätsstandard abzusichern. Zugleich behindert dieses System Abweichungen nach oben, qualitativ bessere und neue Lösungen zu finden, welche nicht der Norm entsprechen.
 
Das detaillierte Programm unter http://www.uni-kassel.de/go/norm
 
Zum Thema der Konferenz erscheint im Frühjahr 2018 ein Heft der Zeitschrift Arch+, die auf den Inhalten des Symposions basiert.
Mit freundlicher Unterstützung von Forschungsinitiative Zukunft Bau – BBSR/  BMUB (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit), Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, Wüstenrot Stiftung und Pfeiffer Stiftung
Veranstaltet vom Fachgebiet Architekturtheorie und Entwerfen, Prof. Philipp Oswalt, an der Universität Kassel
 
Eintritt: Tagesticket 20€, Konferenzticket 50€. Freier Eintritt für Studierende (Stehplätze).
Vorbestellung / Reservierung: Sekretariat Fachgebiet Architekturtheorie und
Entwerfen, Kontakt: [email protected]
 
 
Standard Architecture. From Jean-Nicolas-Louis Durand to BIM
 
From 20 – 22 october 2017, the international symposium Standard Architecture will be held at the Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main.
Standardization has played a key role in architecture and construction since the Enlightenment. It accelerates building production, reduces costs, and assures quality control, at least in theory. The classical modernists of the 20th century treated standardization and normalization as engines of social and technical progress. Even though concepts for mandatory, form-giving standards—like those proposed by Ernst Neufert—never established themselves, there are more standards today than ever before. Despite appeals to cultural specificity, standards shape processes and products all around the world through the digitization and rationalization of cognitive processes. With the introduction of BIM (Building Information Modeling), these processes are becoming increasingly relevant. At the same time, catastrophes like the Grenfell Tower fire in London or the collapse of the Savar building in Bangladesh are drastic examples of the failure of standards as a result of neoliberal policies. In the scope of the three-day conference at the Deutsches Architekturmuseum (DAM), more than 30 international experts from a wide range of disciplines debate the cultures of standardisation from 1800 up to the present, focusing on the standardisation of design processes, construction processes and building components and their effects on architecture.
Standardized Design Processes
Modernity has given rise to processes that rationalize, systematize, and accelerate the designing of buildings. More structures need to be built more quickly all the time. Designs are often executed by unskilled or semi-skilled workers. Buildings are being erected in disparate places around the world through the use of identical specifications. To make all this possible, design tools have been created that enable people to generate and implement a great number of design-related tasks simultaneously. Today, Building Information Modeling Systems (BIM) use standardized forms of information to automate planning and design and to supplement human with artificial forms of intelligence.  
 
Standardized Building Elements 
Ernst Neufert tried to standardize architecture at all scales, from the very small to the very big. Adopting paper formats as his model, he sought to systematize building components using (among other means) his octametric system of dimensional coordination. This project reached its climax in the 1970s, but lost a good deal of its currency in the years thereafter. Today, there are more standards than ever—and they often operate on a national and international level—but their influence on form-making has proven harder to trace. It goes without saying that they continue to shape the design of spaces that have a great number of technical needs and requirements (kitchens and offices, for example), as well as temporary buildings and storage facilities (containers and container ports, for example). 
 
Standardized Building Processes
While knowledge rested squarely with the individual producer in premodern societies, it can be said that it is anchored today in objectified rules and specifications, many of which are sanctioned by liability concerns and multi-national contractual agreements. Arguably, standardization ensures that products that are manufactured by different companies are in fact compatible. This is important where the manufacturing of building components is concerned.  According to some, however, it can also stifle innovation and compromise the exercise of know-how and common sense.  
 
Speakers will include:
Manfred Grohmann (Universität Kassel, Professor for Structural Design),  Alexander Klose (Author/ Container Researcher); Markus Krajewski (Universität Basel Professor für Medienwissenschaft), Antoine Picon (Harvard University, GSD, Director of Research), Gernot Weckherlin (BTU Cottbus, Professur für Architekturtheorie), Aashish Velkar, (University of Manchester, Lecturer in Economic History), Nader Vossoughian (New York Institute of Technology, School of Architecture and Design), Georg Vrachliotis (KIT-Karlsruhe, Professur für Architekturtheorie), Christine Wall (University of Westminster, Reader in Architectural and Construction History)
Detailled program at http://www.uni-kassel.de/go/standard
 
Drawing on the results of the symposium, ARCH+ will publish a special issue dedicated to the topic.
Supported by Forschungsinitiative Zukunft Bau – BBSR/  BMUB (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit), Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG, Wüstenrot Stiftung and Pfeiffer Stiftung
Organized by the Department of Architectural Theory and Design, Prof. Philipp Oswalt, University of Kassel
 
Admission fees: day ticket 20€, conference ticket 50 €. Free admission for students
(standing room tickets), Booking and reservation: Sekretariat Fachgebiet Architekturtheorie
und Entwerfen, contact: [email protected]

Bild: "BIM-elements in ArchiCAD 21", Jan Bovelet, FG Architekturtheorie und Entwerfen 
 

Wann
20. Oktober bis 22. Oktober 2017
Wo
Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main
Schaumainkai 43
60596 Frankfurt/Main
Organisator
Universität Kassel
Links
Event information
www.uni-kassel.de

Magazin