Wie weiter?

Autor:
ch
Veröffentlicht am
Feb. 27, 2013

 
Das fragt man sich immer drängender, denn zu offensichtlich wird, dass die bisherigen Mechanismen der Planung keine Antwort auf die Herausforderungen geben, Leben und Überleben langfristig zu sichern, Ressourcen zu schützen, Bauen und Wirtschaften in den Dienst eines verantwortungsvollen Umgangs mit Boden und Umwelt zu stellen. Auf der Basis des viel beachteten, aber auch kontrovers diskutierten mehrbändigen Werks "Die Schweiz – Ein städtebauliches Portrait" legt das ETH Studio Basel mit "Südliches Bodenseeufer – Projekt für eine urbanisierte Kulturlandschaft" eine Studie vor, in der ein konkreter Vorschlag zum Umgang mit fortschreitendem Landverbrauch gemacht wird. Das südliche Seeufer, bislang noch vergleichsweise wenig beachtet, könnte bald wegen günstiger Baulandpreise mit ansteigendem Siedlungsdruck konfrontiert werden. Auf der Basis einer gründlichen Analyse schlagen die Autoren vor, einen neuen baurechtlichen Zonentyp einzuführen, der Wohnen und Landwirtschaft enger aufeinander bezieht und zwischen Siedlungskernen und von Bebauung freigehaltenen Flächen einen Zwischenbereich bildet, der den Raum für kleinteilige Verzahnung von Landwirtschaft mit Freizeitangeboten und Wohnraum bietet. Im Zentrum dieses Vorschlags, der Wachstum der Gemeinden und Schutz der Kulturlandschaft miteinander verbindet, stehen dabei vor allem jene Menschen, die ihr Bedürfnis nach bäuerlichem Arbeiten und Wirtschaften mit dem städtischen Leben verbinden: als Teilzeitbauern, in Gartenkooperativen und anderen Gemeinschaften, die nicht in Konkurrenz zur Landwirtschaft treten. Das skizzierte Modell wäre eine vertiefende Diskussion und ein Experiment wert.
Die Autoren geben damit eine konkrete und fundierte Antwort auf das, was in einer anderen Publikation der ETHZ als Pamphlet gefordert sein könnte. Im "Pamphlet 15 – Topologie" wird in der Landschaftsgestaltung das Primat der Topologie gefordert – sie sei die "Praxis der richtigen Ordnung durch die Erfahrung von Schönheit", sie beachte lokale Werte wie "den Boden, die Pflanzen, das Wetter, die Gebräuche." Das Pamphlet, das die vielen Fragen, die sich bei beinahe jedem Satz stellen, unbeantwortet lässt – wer entscheidet, was die "richtige Ordnung" ist? – bleibt dabei doch abstrakt, akademisch und weit entfernt von der Realität einer tatsächlichen Praxis des Landschaftsgebrauchs.

Weiter fasst die von Hans Drexler und Adeline Seidel herausgegeben Textsammlung "Building the future – Maßstäbe des nachhaltigen Bauens" Fragen zukünftigen Gestaltens. Gedanken zu beim Bauen verwendeten Materialien, Recyclingkonzepten, alternativen Ansätzen der Gebäudetechnik, aber auch Fragen der Bauleitplanung und Landschaftsgestaltung sind in diesem anregenden Band versammelt. Eine solche Anthologie kann es nicht leisten, jeden Aspekt in einer Weise zu vertiefen, die ihm gerecht werden könnte, aber diese Sammlung leistet es, zusammenzubringen, was in einer sinnvollen Debatte über die Zukunft des Bauens zusammengeführt werden muss. Damit wird aber auch deutlich, wie sehr und vielleicht auch wie sehr viel mehr als es Diskussionen am Ende des letzten Jahrhunderts nahegelegt haben, Architektur und Bauen ein notwendiges, grundlegendes gesellschaftliches, ein politisches Thema geworden sind, in dem Gestaltung, Ästhetik, Soziales und Technisches nicht unabhängig voneinander diskutiert werden dürfen.

Deswegen sei zum Schluss auf ein Buch verwiesen, das auf die ästhetische Komponente unseres Umgangs und Zugangs zu Natur und Umwelt verweist, ohne die wir uns nicht verständigen können. Bei Hatje Cantz erschien Repaires, ein Fotoband mit Arbeiten des Schweizer Fotografen Yann Mingard. Fotoserien, die zwischen 2006 und 2011 entstanden sind, zeigen Ausschnitte mitteleuropäischen Nutzwaldes, wie man sie auf jedem Sonntagsspaziergang sehen kann, wenn man genau hinschaut. Der gelernte Gartenbauer macht sich auf die Suche nach Spuren im Unterholz, im Dickicht, die Ausgangspunkt von Erzählungen sein könnten, deren Ende sich der Sichtbarkeit und Zugänglichkeit entzieht. Heruntergetretenes Gras, ein gestürzter Baum, die Andeutung eines Unterschlupfs.
In der letzten Serie, deren Dämmerungsbilder nur noch wenige Details erkennen lassen, verweist Mingard  besonders eindrücklich darauf, dass auch innerhalb reglementierter Nutzung noch etwas verborgen liegt, das sich dem ordnenden Zugriff verweigert, letzte Refugien der Fantasie wie des Bedrohlichen. Was, wenn wir auf sie verzichten wollten?