Macht der Künstler Lars Ø Ramberg Berlins Schlossplatz zum »Platz des Zweifels«?
2005 prangte das Wort Zweifel in Großbuchstaben auf dem Palast der Republik. Die Kunstaktion brachte Schwung in die Debatte über den Abriss des Baudenkmals. Jetzt könnte der Schriftzug wieder aufgestellt werden – vor dem Berliner Schloss.
Der Palast der Republik war ein Prestigeobjekt der DDR. Der multifunktionale Bau sollte den Anspruch des Staates auf Modernität und Fortschrittlichkeit versinnbildlichen. Drinnen tagte die Volkskammer; daneben gab verschiedene Veranstaltungsräume, Restaurants und sogar eine Bowlingbahn. Nach der politischen Wende wurde der Abriss des Palastes kontrovers diskutiert. 1990 wurde das Baudenkmal wegen Asbestbelastung geschlossen, und bald spaltete die Debatte über den Umgang mit ihm die Gesellschaft: Befürworter eines Abrisses sahen die Chance zur Wiederherstellung der historischen Mitte Berlins gekommen und argumentierten mit hohen Sanierungskosten und mangelnder architektonischer Qualität; Gegner des Abbruchs betonten die historische und architektonische Bedeutung des Gebäudes und plädierten für eine Umnutzung. Bekanntlich entschied sich der Bundestag 2003 für den Abriss des Palastes der Republik und den Neubau des Berliner Schlosses an gleicher Stelle.
Solange der DDR-Bau stand, setzten sich Künstlerinnen, Architekten und Bürgerinitiativen unter dem Titel »Volkspalast« mit Demonstrationen, Ausstellungen und Performances dafür ein, das Gebäude zu erhalten. Sie verwiesen auf dessen kulturellen Wert. Zu dieser Zeit war der Bau bereits nur noch eine Hülle, ein entkerntes Stahlgerüst mit Fassadenverkleidung. Die Projekte füllten die Leere des Palastes kreativ und lockten zahlreiche Interessierte an – der Abriss ließ sich jedoch nicht mehr abwenden. 2005 installierte der norwegische Künstler Lars Ø Ramberg den berühmten Schriftzug »ZWEIFEL« auf dem Dach des Palastes, um auf die Zweifel an der Richtigkeit der Abbruch-Entscheidung hinzuweisen.
»Zweifel ist die Voraussetzung jedes Diskurses. […] Jeder Gedanke fängt an mit Zweifel, und das ist eigentlich die Voraussetzung jeder Entwicklung. […] Man soll weiter fördern, mehrere Bälle gleichzeitig in der Luft zu haben und eine balancierte offene Uneinigkeit [erreichen] und Zweifel [zulassen].«
Im Dezember sind es vier Jahre, dass das neue alte Schloss nach Plänen Franco Stellas dort steht, wo sich zuvor der Palast der Republik neben Dom und Spree befand. Unter dem Namen Humboldt-Forum vereint der Neubau heute mehrere Museen der Stadt. Trotz der erneuten kulturellen Nutzung des Ortes dauert die Debatte über den Umgang mit dem Erbe aus DDR-Zeiten an.
Jetzt hat sich Ramberg erneut eingeschaltet: Ende Oktober schlug er ein Konzept für das Berliner Schloss vor. Es sieht vor, die Adresse des Humboldt-Forums von »Schlossplatz« in »Platz des Zweifels« zu ändern. Damit würde der »überformte und homogenisierte Stadtraum wieder eine Mehrschichtigkeit zurückgewinnen«, wie in der Projekterläuterung zu lesen ist. Außerdem möchte Ramberg auch seinen riesigen Schriftzug, der aktuell im Flughafen Tempelhof eingelagert ist, an seinen Ursprungsort zurückbringen. 20 Jahre nach der ersten Installation auf dem Palastdach könnte er nun vor der Lustgartenfassade aufgeständert werden. Generell für einen neuen Aufbau der Installation hatten sich bereits vor Vollendung des Schlossbaus die Gründungsintendanten des Humboldt-Forums eingesetzt. Laut Ramberg ist es heute wichtiger denn je, dass der Zweifel an sich wieder einen Ort findet. Denn in Gesellschaft, Journalismus und Politik sei immer weniger Platz dafür und Polarisierung und Härte wüchsen zusehends, meint der Künstler.
Bis es zu weiteren Entscheidungen kommt, hat Lars Ø Ramberg eine Augmented-Reality-Version seines Vorschlags erstellt. Sie ist als App verfügbar. Alle können digital mit dem Mobiltelefon Bilder aufnehmen und den Schriftzug darauf beliebig positionieren. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen auf nationaler und internationaler Bühne ist das Zweifeln und sind derlei Kunstprojekte womöglich auch gute Ratgeber, die zum Nachdenken bringen.