Eis oder Parkett
Das dänische Architekturbüro 3XN hat den Münchner Olympiapark um eine moderne Sportarena für Eishockey und Basketball erweitert. Der SAP Garden, eine in die hügelige Landschaft eingegrabene ovale Halle, knüpft an seine historische Umgebung an und vereint Sport und lokale Gemeinschaft.
Im neuen SAP Garden steht der Sport im Zentrum. Die Architektur ordnet sich dem Geschehen im Innern unter. Oder wie es Jan Ammundsen, Senior Partner bei 3XN, sagt: »Wir haben uns darauf konzentriert, was sich auf dem Eis oder auf dem Parkettboden abspielt. Was hier passiert, ist der Grund, warum man das Gebäude besucht«. Das dänische Architekturbüro hat 2019 gemeinsam mit Latz + Partner Landschaftsarchitekten aus Kranzberg den Wettbewerb für die neue Eishockey- und Basketballhalle auf dem denkmalgeschützten Münchner Olympiagelände gewonnen. Letzten Dezember wurde der 62'500 Quadratmeter große Neubau eingeweiht.
Große, rot umrandete Tore zeigen den Weg vom Foyer in die Arena. Diese betritt man vor allem von den oberen Rängen. Dann schweift der Blick über die steilen Tribünen hinunter auf die weiß leuchtende Eisfläche, über der ein riesiger Technikblock für die Anzeigetafel schwebt. Decken, Wände, Stühle und die Konstruktionen für die Technik sind in Schwarz gehalten. Wenige Aus- und Einblicke über die VIP-Lounge-Fenster oder Zugänge erlauben den seitlichen Lichteinfall. Denn alles konzentriert sich auf die Spielfläche.
Ein Großteil der Halle mit ovalem Grundriss ist in das hügelige Gelände eingegraben. Insgesamt liegen drei Geschosse und mehr als die Hälfte der Arena unterhalb der Erde. Von außen ist nur ein Ring mit einer zweigeteilten Fassade sichtbar. An ihr hängen aufgefächerte Lisenen, deren Formen an Eishockeyschläger erinnern. Darunter treten die Besucherinnen und Besucher durch die verglasten Eingänge ein. Der Fokus liegt auf dem gemeinsamen Erlebnis des Eishockey- oder Basketballspiels. Um beide Nutzungen zu ermöglichen, entwickelten die Architekten ein einzigartiges Tribünensystem.
Der vom Sponsor getaufte SAP Garden kann in nur wenigen Stunden von einer Eisbahn in ein Basketballfeld umgewandelt werden. Dieser Wechsel ist eine technische Herausforderung, denn beide Plätze haben unterschiedliche Größen. Möglich machen dies die Tribünen, die in Höhe und Neigung verschoben werden können. Für Basketballspiele wird das Eis durch eine Isolierfläche und eine dünne Parkettschicht geschützt. Um mehr Sitzgelegenheiten zu schaffen, können mobile Tribünen auf die vordere Reihe der Spielfläche hinzugefügt werden. Die Halle fasst bis zu 10'700 Zuschauer beim Eishockey- und 11'500 beim Basketballspiel. Sie ist die neue Heimat des Eishockeyteams EHC Red Bull München und des Basketballteams Bayern München.
Unter dem angrenzenden, neu aufgeschütteten Hügel befinden sich drei weitere Eisbahnen. Diese sind für Schulen, Vereine und die Öffentlichkeit das ganze Jahr über geöffnet und werden so zu einem Treffpunkt und stärken den lokalen Breitensport. Über die Sportanlagen hinaus bietet die Arena auf drei Ebenen VIP-Bereiche, Merchandise-Shops, ein großes Restaurant, einen Spielsaal, Büros und Konferenzräume, ein Parkhaus und eine öffentliche Dachterrasse.
Das Gestaltungskonzept, bei dem der Neubau als Teil der Landschaft verstanden wird, setzt fort, was 1972 mit dem Projekt zur Austragung der Olympischen Sommerspiele in München begonnen wurde. Behnisch & Partner Architekten, Frei Otto sowie weiteren Ingenieuren und dem Landschaftsarchitekten Günther Grzimek gelang hierbei die Symbiose aus Architektur und Landschaftsgestaltung. Das Olympiagelände ist eine künstliche Parklandschaft, errichtet auf dem ehemaligen Oberwiesenfeld und über den aufgeschütteten Kriegstrümmern des Zweiten Weltkriegs; zwischen dem Olympiasee eingebettet liegen mehrere Sportstätten, überdacht mit einer leichten, netzartigen Konstruktion. Sie bilden eine Einheit mit dem gewellten Parkgelände. Vorbild des Zeltdachs war der ebenfalls von Frei Otto entworfene Deutsche Pavillon bei der Weltausstellung 1967 in Montreal. Die Münchner Olympiadächer strahlen die Aufbruchsstimmung der jungen Bundesrepublik aus, die sich bewusst von der schweren Architektur der Olympischen Spielen von 1936 in Berlin abkehrt.
»Während des Prozesses haben wir uns ständig Gedanken zu den Ideen hinter dem ursprünglichen Design gemacht und uns oft gefragt, was Günter Behnischs Ansatz gewesen wäre«, meint Jan Ammundsen zum Entwurf des SAP Garden. So nimmt der Neubau die weichen Formen der bestehenden Landschaftsgestaltung auf; das begrünte Dach integriert sich gut in die Umgebung. Konstruktiv suchten die Architekten ebenfalls die Herausforderung: Jede der 260 Lisenen an den Fassaden ist in ihrer Geometrie einzigartig, wobei die größte über 18 Meter hoch und eine Tonne schwer ist. Dies verleiht dem Gebäude einen dynamischen Fassadenausdruck – schlicht und komplex zugleich.
Nach den Olympischen Sommerspielen 1972 war das Hauptstadion Heimstätte für den FC Bayern München und später auch für anderer Fussballvereine; heute ist es die größte Bühne Münchens und wird für Open-Air-Konzerte genutzt. Doch das ikonische transparente Zeltdach ist in die Jahre gekommen; CL MAP aus München, die die Planung und Ausführung des SAP Garden in einer ARGE mit den Entwurfsarchitekten übernahmen, sind beauftragt, die 78'000 Quadratmeter Dachfläche einschließlich aller Fundamente in den nächsten Jahren zu sanieren. Dafür werden Teile der Betonkonstruktion und ihrer Verankerung instand gesetzt. Vorgabe ist, die Arbeiten während des laufenden Betriebs auszuführen und die Bausubstanz möglichst weitgehend zu erhalten. Die drei großen Dächer des Stadions, der Olympiahalle und der Olympiaschwimmhalle entsprechen unabhängigen Tragwerken, die durch zwei Zwischendächer verbunden sind. Somit hängen die Tragwerke aller Dachflächen zusammen.
Es ist ein weiteres großes Bauprojekt im historischen Olympiapark. Dabei überrascht nicht, dass der Park und die Architekturikonen in diesem Jahr auf die Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe aufgenommen wurden.
Projektinformationen SAP Garden
Standort
Olympiapark München, Bayern, Deutschland
Bauherrschaft
Red Bull Stadion GMBH, München
Architektur
3XN, Kopenhagen, Dänemark
Ausführung
CL MAP, München
Landschaftsarchitektur
Latz + Partner Landschaftsarchitekten, Kranzberg
Vergabe
Internationaler Wettbewerb 2019, 1. Preis