Neue Mitte Hallstadt
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Schettler Architekten haben im bayerischen Hallstadt eine neue Mitte für den Ort geschaffen. Eckhard Schmidt berichtet über das ungewöhnliche mehrstufige Verfahren und die neue Mitte.
Katinka Corts: Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Eckhard Schmidt: Die Herausforderung war, die Marktscheune als Herzstück der Neuen Mitte Hallstadt in den kleinteiligen Stadtgrundriss einzufügen und den Neubau, der seinen Platz in der zweiten Reihe zugewiesen bekommen hat, über einen attraktiven Freiraum an die beiden wichtigen Straßen der Stadt anzubinden.
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Sowohl Hallstadts «Hohe Häuser» mit ihren markanten Giebeln als auch die rückwärtigen Scheunen der Hofbebauungen haben uns für den Neubau der Marktscheune inspiriert.
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?
Das Gebäude ist über seine spezielle Geometrie, seine Materialisierung und über den Freiraum fest in den Stadtgrundriss eingewoben. Seine Vorderseite wendet sich dem neuen Anger zu. Mit ihrer Rückseite bildet die Marktscheune eine wichtige Kante zum landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Grabeland. Hier fügt sich der Neubau unprätentiös in eine Reihe von großen Scheunen ein, die den zukünftigen kleinen öffentlichen Park rahmen.
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Das Projekt ist ein erster Preis aus einem ungewöhnlichen Wettbewerbsverfahren, das unter extremer Anteilnahme der Öffentlichkeit im Jahr 2009 zu neuer Aufbruchstimmung in der Stadt führte. Ein engagierter Bürgermeister, Herr Marcus Zirkel, verdeutlichte den Bürgern seiner Stadt, dass die Grundversorgung nach der Schließung des letzten innenstadtnahen Einkaufsmarktes nicht mehr gewährleistet war. Durch die jahrzehntelange Konzentration des Wachstums auf das vor den Toren der Stadt gelegene Gewerbegebiet war eine funktionierende Mitte der Stadt abhanden gekommen.
Zehn Teams, bestehend aus Stadtplanern und Architekten, arbeiteten drei Tage nebeneinander im Bürgerhaus der Stadt Hallstadt an einem ersten Stehgreifentwurf zur Gestaltung einer Neuen Mitte. Die Bürger der Stadt konnten jederzeit den Teams zuschauen. Unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit wurden diese ersten Ergebnisse einer Fachjury präsentiert. Nach einer vierzehntägigen Überarbeitungsphase der Stehgreifentwürfe gab die Jury ihre Entscheidung bekannt. In vielen weiteren öffentlichkeitswirksamen Schritten wurde das Projekt entwickelt.
Mit dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept (2010) wurde auf der Ebene der Gesamtstadt ein stadtplanerischer Rahmen geschaffen, in dem die Ideen des Wettbewerbs zur Gestaltung der Neuen Mitte eingebettet wurden. Als Vertiefung des ISEK wurde ein Teilräumliches Entwicklungskonzept (2011) erarbeitet, das für die Innenentwicklung Hallstadts konkrete Ziele definierte. Mit den Festlegungen des Bebauungsplanes wurde eine verbindliche Bauleitplanung für das Baugrundstück der Marktscheue und den unmittelbaren Umgriff geschaffen. Der Bebauungsplan (2011) entstand in enger Abstimmung mit der Architekturplanung für die Marktscheune.
Über all diese Planungsschritte war das Projekt der Marktscheune, die das Herzstück der neuen Mitte Hallstadts bildet, über Jahre hinweg Gegenstand intensivster Diskussionen zum Thema Baukultur, Innenstadtentwicklung und Daseinsfürsorge.
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?
Grundstücksverfügbarkeiten haben zu einer Veränderung des ursprünglich geplanten Hauses mit einem Giebel zu einem Gebäude mit einem Doppelgiebel geführt. Das Thema «Hallstadts hohe Häuser» blieb jedoch Gestaltungsgrundsatz.
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Die Anforderungen aus Sicht des Schallschutzes bedeuteten für den Kulturboden im Obergeschoss, dass die gesamte Dachkonstruktion aus Beton erstellt werden musste.
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Die profilierte vorgehängte Keramikfassade, die in ihrer Erscheinung an Holzlattungen alter Scheunen erinnert, hat erheblich zur Integration des Gebäudes in das heterogene bauliche Umfeld beigetragen. Innenräumlich überraschen die ungewöhnlichen Geometrien der Räume und die differenzierte Materialisierung der unterschiedlichen Nutzungsbereiche.
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Neue Mitte Hallstadt
2015
An der Marktscheune 1
96103 Hallstadt
Nutzung
Marktscheune mit Regionalmarkt im Erdgeschoss, Veranstaltungssaal für 400 Personen im Obergeschoss und einer Tiefgarage
Auftragsart
öffentlich
Bauherrschaft
Stadt Hallstadt
Architektur
LPH 1-2 Schettler-Wittenberg Architekten
Team: Anke Schettler, Thomas Wittenberg
LPH 3-9 Schettler Architekten für Schettler-Wittenberg Architekten
Anke Schettler
Entwurf und Projektleitung: Eckhard Schmidt
Mitarbeiter: Ralph Holger
Fachplaner
Tragwerksplanung: R & P Ruffert Ingenieurgesellschaft mbH, Erfurt/Nürnberg
HLSE-Planung: ecoplan projekt GmbH, Bamberg und Lichtenfels
Bauphysik: ITA Ingenieurgesellschaft für Technische Akustik Weimar
Freianlagenplanung: plandrei Landschaftsarchitektur GmbH, Erfurt
Bauleitung
ibs A&H GbR Suhl
Mario Heußer
Ausführende Firmen
Spezialtiefbau: Porr Deutschland GmbH, München
Rohbau: Angermüller Bau GmbH, Untersiemau
Keramikfassade: Frahammer Fassadentechnik GmbH & Co. KG, Pöttmes
Dacharbeiten: Haas Dach-Fassadentechnik GmbH, Spiegelau
Lüftung: Bechert Haustechnik GmbH, Schweinfurt
Sanitär: Meister L GmbH, Zapfendorf
Heizung: Wolfschmidt Versorgungssysteme GmbH, Bamberg
Stahl-Glas-Fassade: Itema Industrietechnik und Metallbau GmbH, Suhl
Trockenbau: Merkel Trockenbau GmbH, Baiersdorf
Schlosser: Löhner Metallbau e.K., Naila
Innenausbau Saal: Dathe Innenausbau GmbH, Weimar-Umpferstedt
Hersteller
Keramikfassade: Moeding Keramikfassaden GmbH, Marklkofen München
Fliesen: porcelaingres GmbH, Vetschau
Bestuhlung Saal: Hiller Objektmöbel GmbH, Kippenheim
Tische: Brunner GmbH
Leuchten: Wila Lichttechnik GmbH, Iserlohn
Parkett/ Dielen: Hinterseer GmbH
Aufzug: Schmitt + Sohn Aufzüge, Nürnberg
Teppich: Carpet Concept
Bruttogeschossfläche
2.200 m²
Gebäudevolumen
12.900 m³
Kubikmeterpreis
635 €/m³
Gebäudekosten
8.200.000 € (KG 300+ 400)
Gesamtkosten
10.760.000 € (KG 200- 700)
Auszeichnung
Auszeichnung zum Deutschen Städtebaupreis 2016
Fotos
Schettler Architekten, Claus Bach