Im Gespräch mit Regine Leibinger und Martina Bauer, Barkow Leibinger, Berlin

Future Office - das Büro der Zukunft II

Thomas Geuder
7. Januar 2018
Aufbau Haus 84, Berlin (Bild: Stefan Josef Mueller)
Interviewpartner: Regine Leibinger und Martina Bauer, Barkow Leibinger (Berlin, DE)

Im Gespräch mit Jochen Wiener von PricewaterhouseCoopers Deutschland erfahren Sie, welche Schnittstellen das Facility Management mit der Architektur sieht und wie sich aus Sicht des Nutzers die Büro-Immobilie zukünftig entwickeln wird: Future Office - das Büro der Zukunft I.

Thomas Geuder: Frau Leibinger, Frau Bauer, bei Barkow Leibinger haben Sie bis heute bereits zahlreiche Bürobauten errichtet und so manches Büro- bzw. Arbeitsplatzkonzept realisiert. Welche Büro-Trends (wenn man sie einmal so nennen darf) kursieren derzeit auf dem Markt und wie sind diese in den Kontext der Büroplanung der letzten Jahre einzuordnen?
Regine Leibinger: Ganz ehrlich: wir haben vom Sitzsack bis zum fraktalen Büro schon vieles kommen und gehen sehen. Wir planen seit fast 25 Jahren immer wieder Arbeits- und Bürowelten, und kaum ein „Trend“ war in dieser Zeit wirklich von Dauer. Derzeit beobachten wir, dass alles etwas rauer sein darf, höhere Decken, offene Technik, weniger „Finishing“. Aber eigentlich ändert sich ja vor allem die Art, wie wir arbeiten, wie Gebäude genutzt werden – und darauf müssen wir reagieren.

Thomas Geuder: Die Planung von Büros steht womöglich derzeit wieder an einer Schwelle, angetrieben durch die Digitalisierung in der Kommunikation, aber auch durch die immer weiter voranschreitende Digitalisierung von Gebäuden hin zum komplexen Smart Building. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Entwurfs- und Planungsarbeit?
Martina Bauer: Mit einem ausdrücklich smarten Bürogebäude hat uns bisher noch niemand beauftragt – ganz im Gegensatz zu einer „Smart Factory“, die wir gerade für Trumpf in Chicago gebaut haben. Aber wir merken natürlich, dass außer der Maximierung von Flächen die Steigerung von Flexibilität und das damit verbundene Vorhalten von Umbauoptionen und technischen Installation immer wichtiger wird. Das ist einerseits eine spannende Aufgabe, möglichst viele Szenarien in einen Entwurf mit einzubeziehen. Andererseits führt dies auch dazu, dass alles immer austauschbarer wird, je mehr es vorgegebenen Ausbaurastern und einer konsensfähigen Ausstattung und Möblierung unterworfen ist. Eine Bürowelt mit Charakter, eine Umgebung, die einem Unternehmen, den Mitarbeitern und deren Arbeitsabläufen wirklich auf den Leib geschneidert ist, das wird immer seltener.

Trumpf Smart Factory, Chicago (Bild: Steve Hall)

Thomas Geuder: Der Mitarbeiter im Büro ist am Ende immer noch ein Mensch, dessen Anspruch an einen Arbeitsplatz sich womöglich gar nicht so sehr ändert und auch zukünftig schlicht auf sehr menschlichen Parametern wie Individualität, Territorium oder auch der Möglichkeit zum konzentrierten Arbeiten gründet. Welche Kriterien sind für den Architekten die eigentlich wichtigen beim Entwerfen eines Büros?
Regine Leibinger: Eben! Vielleicht klingt das altmodisch, aber für uns liegt die Qualität des Future Office genauso wie heute auch schon in guten Arbeitsbedingungen für die Menschen. Was nutzt mir der tollste Open Space, wenn alle einen Kopfhörer tragen, um sich zu konzentrieren? Die Akustik muss stimmen. Wie weit wollen wir es mit dem Raumtiefen noch treiben, der Effizienz zuliebe? Wer gesund und motiviert bei der Arbeit sein soll, braucht Licht und Luft. Und Atmosphäre. An der Untergrenze der Arbeitsstättenrichtlinie finden wir sicher nicht die richtige Lösung. Ich bin sicher, wer ein bisschen mehr in die Gestaltung eines Pausenraums oder eine schöne Kantine investiert, beflügelt dadurch Kommunikation, Austausch und Kreativität viel stärker als mit noch so vielen Stehtischen in den dunklen Bürozonen.

Thomas Geuder: Früher einmal diente der Arbeitsplatz zum Arbeiten, heute muss ein Büro unzählige Parameter erfüllen, damit der Mitarbeiter optimale Arbeitsbedingungen vorfindet. Zeitweise wurde dies architektonisch sehr weit interpretiert, ganze Spielwiesen entstanden, die vielleicht sogar mehr ablenken, als zur Arbeit motivieren. Wo liegt Ihrer Meinung nach da die gesunde, gestalterische Mitte?
Martina Bauer: Es gibt natürlich Branchen, zu denen solche Liegewiesen oder ein Bällebad wirklich passen. Aber der Alltag – der nur viel seltener in Magazinen zu sehen ist – sieht unserer Erfahrung nach anders aus. Wir werden auch heute immer noch ausdrücklich nach Grundrisslayouts mit Zellenbüros gefragt. Eine gute Mitte sehe ich dort, wo zukunftsweisend geplant wird und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Nutzer eingegangen wird, statt von außen eine Lösung aufzustülpen. Es ist gut, allzu feste Strukturen auch einmal aufzubrechen. Aber mit einer Sofaecke allein ändert man das Nutzerverhalten bestimmt nicht, da braucht es schon differenziertere Lösungen.

Hauptverwaltung Trumpf Nederland, Hengelo (Bild: Ina Reinecke)

Thomas Geuder: Die Vernetzung der Arbeitswelt erfordert immer stärker auch ein integrales Planen, das auch den späteren Nutzer einbeziehen sollte, der wiederum gerade bei Bürogebäuden nicht zwingend der Bauherr ist, sondern ein Mieter. Welche Schnittstellen halten Sie etwa mit Facility Managern beim Planen und Bauen von Büroräumen für sinnvoll?
Regine Leibinger: Leider steht das Facility Management bei vielen Bürobauten in den frühen Planungsphasen noch gar nicht fest, ebensowenig wie der Mieter. Dann gibt es oft gar keine Schnittstelle, sondern wir geben uns allenfalls die Klinke in die Hand.

Martina Bauer: Gerade von langjährigen Bauherren bemühen wir uns aber, immer wieder Feedback einzuholen, zu erfahren, was ist praktikabel im Betrieb, wie ist der Energieverbrauch, welche Materialien bewähren sich auch bei starker Beanspruchung. Solche Erkenntnisse lassen wir dann in unsere künftigen Planungen einfließen, ermutigen auch andere Auftraggeber, nicht immer das Billigste zu wählen, was am Ende meist aufwändiger zu unterhalten ist. BIM eröffnet im besten Fall ganz neue Möglichkeiten des Informationsaustauschs zwischen Planern und Facility Managern.

Büro- und Geschäftsgebäude „Bertha Berlin“, Berlin (Bild: Stefan Josef Mueller)

Thomas Geuder: Smart City, Smart Building, Digitalisierung – lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft wagen: An welchen Stellschrauben müssen Architekten und Planer das Büro der Zukunft weiterentwickeln, wo liegen die Herausforderungen der zukünftigen Büroplanung und wie sieht Ihrer Meinung nach das Büro der Zukunft aus?
Regine Leibinger: Wir sollten uns darauf einstellen, dass es insgesamt weniger Büros geben wird, je mobiler die Arbeit wird. Das Büro wird außerdem noch mehr zu einem Ort werden, an dem man sich trifft, vielleicht nur für zwei oder drei Stunden, wo man Informationen erhält oder weitergibt, Meinungen austauscht, mit anderen gemeinsam Ideen entwickelt. Ob man danach dann auch genau dort arbeitet, also an einer Präsentation, an einem Text, an einem Angebot oder Konzept, das steht auf einem anderen Blatt. Für solche Szenarien müssen wir die besten Voraussetzungen anbieten. Viel mehr als an technische Gadgets glauben wir daran, dass es den Menschen in den Räumen gut gehen muss, dass sie gesund und motiviert bleiben und nicht unter den Bedingungen leiden, an denen sie ja in der Regel nicht so einfach etwas ändern können.
Die größte Herausforderung wird wohl sein, nicht alle räumliche Qualität der Rendite und der Vermarktbarkeit unterzuordnen. Es gibt einfach immer weniger Auftraggeber, die Büros, die wir für sie bauen, selbst nutzen und sich automatisch für so etwas wie Identität interessieren.

Martina Bauer: Vielleicht sieht das Büro der Zukunft gar nicht so anders aus als das Büro heute – wer weiß? Wir werden sicher von immer neuen Technologien profitieren, es wird immer mehr bewegliche und weniger starre Strukturen bei der Belegung von Räumen geben. Aber Tische, Stühle, Fenster, eine Kaffeemaschine – all das sehe ich auch im „Future Office“. Wir glauben fest an die Zukunft des Büros als physischen Ort der Begegnung und der Interaktion, und nicht so sehr an Science Fiction.

Thomas Geuder: Vielen Dank für das schöne Gespräch, Frau Leibinger und Frau Bauer.

Trumpf Logistikzentrum, Ditzingen (Bild: Ina Reinecke)
Prof. Regine Leibinger
Studium an der TU Berlin und der Harvard University; seit 1993 gemeinsames amerikanisch-deutsches Büro mit Frank Barkow in Berlin. Realisierung zahlreicher Projekte im In- und Ausland, unter anderem Laserfabrik und Betriebsrestaurant Ditzingen (1998 / 2008), Trutec Building Seoul/Korea (2006), Tour Total Berlin (2012), Trumpf Smart Factory Chicago (2017). Gastprofessuren u.a. an der Architectural Association in London, in Harvard und in Princeton, seit 2006 Professorin für Baukonstruktion und Entwerfen an der TU Berlin (derzeit beurlaubt) und seit 2016 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin, Sektion Baukunst.

Martina Bauer
Studium an der TU Berlin und am Royal Melbourne Institute of Technology, Australien. Seit 1999 bei Barkow Leibinger, seit 2005 Senior Associate. Projektleitung u.a. für das Vertriebs- und Servicezentrum in Ditzingen, das TRUTEC Building in Seoul (Korea), den Site Master Plan für Bayer Schering Pharma in Berlin oder die Firmenzentrale für Trumpf Niederlande in Hengelo. Außerdem verantwortlich für zahlreiche prämiierte Wettbewerbe, u.a. Tour Total Berlin, Konzernzentrale Daimler AG in Stuttgart, Ideenwettbewerb „Urban Living“ in Berlin, Wohnhochhaus am Alexanderplatz oder die Erweiterung des Estrel Hotels in Berlin.

Die Paperworld und das Future Office – Büro der Zukunft
Die Paperworld ist die weltweit wichtigste Informations- und Kommunikationsplattform für die moderne Bürogestaltung. Jährlich zeigt die Fachmesse in Frankfurt am Main die neueste Produkte und Trends der nationalen und internationalen Papier-, Bürobedarf- und Schreibwarenbranche. Die Sonderschau „Future Office – Büro der Zukunft“ richtet sich an Architekten, Facility Manager und Planer wie auch an Händler für Bürobedarf und -einrichtungen. Nachdem sie 2017 ihre erfolgreiche Premiere feierte, beleuchtet in ihrer zweiten Auflage nun das Thema Gesundheit. Dabei geht es um Themen wie Gesundheitsförderung und betriebliches Gesundheitsmanagement und um die vielfältigen Möglichkeiten, einen Arbeitsplatz „gesund“ zu gestalten. Das Gestaltungskonzept der Sonderschau liegt erneut in den Händen des Architekturbüros Matter, mit dem international anerkannten Architekten André Schmidt aus Berlin und World-Architects. „Die Gestaltung basiert auf der Idee, dass man sich erst der schlechten Faktoren im Büroalltag bewusst wird“, erklärt Architekt André Schmidt. Daher ist der zentrale Punkt das „Bad Office“, wo es laut, voll, hektisch und unbequem ist. Von hier aus starten die Besucher zu einem Parcours durch das „Healthy Office“, das ihnen positive Gegenimpulse liefert. Die Sonderfläche „Future Office – Büro der Zukunft“ findet sich wie gewohnt in zentral in Halle 3.0.

Anmeldung zu den Vorträgen am 29. und 30. Januar in Frankfurt am Main mit Stefan Behnisch (Behnisch Architekten), Prof. Dr. Christine Kohlert (BBSGROUP), Werner Frosch (Henning Larsen), Michael Reiß (ingenhoven architects), Jórunn Ragnarsdóttir (LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei), Malte Just (Just╱Burgeff Architekten), Martin Haller (Caramel architekten zt) und Martina Bauer (Barkow Leibinger): Paperworld 2018 - Future Office

World-Architects ist Content-Partner der Paperworld.​

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