Wie neu
Man könnte meinen, man stehe vor einem Neubau – vorausgesetzt, man war die letzten vier Jahre nicht auf dem Uni-Campus der TU Chemnitz an der Reichenhainer Straße. Im Oktober 2009 wurde mit dem Umbau des Weinholdbaus begonnen, einem etwa 170 Meter langen, und ursprünglich achtgeschossigen Instituts- und Forschungsgebäude. Errichtet hatte man die markante Scheibe 1968 bis 1972 als Sektionsgebäude für Automatisierungstechnik. Sie schließt visuell nach wie vor den Campus nach Süden ab, daran hat sich auch nichts geändert, seit 1997 das Unigelände nach Süden durch ein Hörsaalgebäude erweitert worden ist. Denn trotz etwas reduzierter Höhe überragt der Weinholdbau seinen neuen Nachbarn deutlich.
Zur Reichenhainer Straße ist ein neues Entree mit Hörsälen errichtet worden, das dem Zugang zum Campus nun ein prägnantes Gesicht gibt. Der Neu- und der umfassend sanierte und umgebaute Altbau sind aus einem Guss. (Foto: Werner Huthmacher)
Die Nordfassade baut zwar (wie auch die Südfassade) auf dem Konstruktionsraster auf, bricht aber dessen Rigidität durch unterschiedliche Fensterformate und betont dadurch die Fläche und die Gliederung in einzelne, große Volumen. (Foto: Werner Huthmacher)
Angelegt wurde der nach dem Chemiker und Physiker Adolf Ferdinand Weinhold benannte Bau mit einer asymmetrischen Struktur aus tieferen, nach Norden orientierten Laboren und Büros an der Südseite, einer Struktur, die in unterschiedlichen Fassaden nach außen sichtbar gemacht wurde. Burger Rudacs Architekten, 2006 Wettbewerbssieger, haben den bestehenden Bau bis auf die Stahlskelettkonstruktion rückgebaut und seine Höhe zunächst um zwei Geschosse reduziert, ein neues Technikgeschoss aber später wieder neu aufgesetzt. Beibehalten wurde die Struktur in Laborgebäude an der Nord- und Büros an der Südseite, ebenso die deutlich sichtbare plastische Gliederung durch zwei Treppenhäuser sowie das Prinzip, die innere Gliederung mit unterschiedlichen Fassaden sichtbar zu machen. Neu errichtet wurden zudem ein Verbindungsbau als neues Entree mit zwei Hörsaälen, sowie Fluchttreppenhäuser an den Enden und in der Gebäudemitte.
Auch im Innern herrscht eine überzeugende Klarheit. (Foto: Werner Huthmacher)
Die neue Fassade erinnert nicht mehr an die alte, sie ist aus vorgefertigten und unterschiedlich pigmentierten, wärmegedämmten Sichtbeton-Sandwichelementen; die Nordseite ist in dunklerem Grau als die Südseite gehalten. Durch die neuen Treppenhäuser an den Enden entsteht der Eindruck von aneinander gerückten Baukörpern, das große Volumen wurde so präzise, klar und äußerst ansehnlich gegliedert. Die Fensterbänder nach Süden wurde abwechselnd oben und unten um ein dunkles Band ergänzt, wodurch die Flächigkeit der Ansicht gestärkt wird; eine allein das Konstruktionsraster abbildenden Horizontalgliederung wäre dann doch zu rigide gewesen. Nach Norden hin sind die Fenster höher; hier erzielen unterschiedlich breite Fensterformate im Wechsel mit geschosshohen, perforierten Blechpaneelen eine vergleichbare Wirkung. (Foto: Werner Huthmacher)
Lageplan (Zeichnung: Burger Rudacs Architekten)
Die überzeugende Klarheit der Außenansichten prägt auch das Innere. Die im Bestand jeweils in Traktmitte angeordneten Zentralschächte wurden zu einer auf die gesamte Gebäudelänge ausgedehnten Servicezone mit etwa zwei Metern Tiefe ausgebaut, in der Lagerflächen, Garderoben und Haustechnik untergebracht wurden. Die mit Kunstharz beschichteten Oberflächen von Decken und Fußböden in hellem Grau und dunkle Faserzementelemente für vertikale Flächen sorgen für Differenzierung, ohne die Übersichtlichkeit zu beeinträchtigen.
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Burger Rudacs Architekten)
Saniert wurde das Gebäude in zwei Bauabschnitten, wobei jeweils eine Hälfte umgebaut, die je andere genutzt wurde. Man konnte also schon nach Abschluss des ersten Bauabschnitts erkennen, wie sich das ganze Haus nach vollständigem Umbau präsentieren wird. Doch so richtig wirkt das Konzept, diese Architektursprache erst jetzt, nach Abschluss des zweiten Bauabschnitts. Großartig – und: wie neu.
Christian Holl
Grundriss Regelgeschoss (Zeichnung: Burger Rudacs Architekten)
Ansicht Nord (Zeichnung: Burger Rudacs Architekten)
Ansicht Süd (Zeichnung: Burger Rudacs Architekten)
Umbau und Sanierung
2013
Reichenhainer Straße 70
09126 Chemnitz
Bauherr
Freistaat Sachsen
vertreten durch den Staatsbetrieb
Sächsisches Immobilien-und Baumanagement Chemnitz
Architekten
Burger Rudacs Architekten
München
Tragwerksplanung
Leonhardt, Andrä und Partner
Dresden
Bauphysik
Müller-BBM
Dresden-Langebrück
Brandschutz
IBB Prof. Dr.-Ing. Gert Beilicke
Leipzig
Technische Ausrüstung
Hyder Consulting GmbH
Dresden
Brendel Ingenieure
Dresden
Ingenieurbüro für Gesundheitswesen
Leipzig
Bruttogeschossfläche
26.564 m²
Baukosten
53.400.000 €
Fotografie
Werner Huthmacher