Schuppen Eins in der Überseestadt Bremen (westlicher Teil)

Mit dem Auto ins Wohnzimmer

9. April 2014


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Schuppen Eins in der Überseestadt Bremen (westlicher Teil)
2013

Konsul-Smidt-Straße 20-26
28217 Bremen

Nutzung
Zentrum für Oldtimer im EG, Wohn- und Bürolofts im OG

Auftragsart
Wettbewerb, 1.Preis (2008)

Bauherrschaft
KJH Verwaltungs GmbH & Co. KG, Bremen

Architektur
Westphal Architekten BDA, Bremen
Birgit Westphal, Jost Westphal, Klaas Dambeck

Mitarbeiter
Brit Dommes, Lars Ehm, Enno Garten, Daniel Gueifão Goncalves, Michael Kratzsch, Pawel Kubisch, Nils Martin, Tilman Siegler, Arne Tütken

Fachplaner
pb+ Prof. Bellmer Ingenieurgruppe GmbH, Bremen

Ausführende Firma
Ed. Züblin AG  Direktion Nord, Bereich Bremen

Hersteller
Faserzement: Eternit
Profilbauglas: Pilkington
Aluminiumfenster: Schüco
Fahrstraße: Stelcon

Gebäudevolumen
172.684 m³

Bruttogeschossfläche
30.102 m²

Gesamtkosten
28.000.000 €

Fotos
Conné van d’Grachten

Praxis-Artikel
im german-architects eMagazin
Glas fürs heilige Blechle
«SC1» – Schuppen Eins»

Der äußere Charakter ist auch nach den umfangreichen Umbauarbeiten unverändert.

Katinka Corts: Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?
Jost Westphal: Der Schuppen Eins am Europahafen in Bremen wurde 1959 als zweigeschossiger Stück-gutumschlagschuppen gebaut. Im Gegensatz zum Speicher, in dem Waren langfristig eingelagert wurden, diente der Schuppen als kurzfristiger Umschlagplatz für Güter aller Art. Im Zuge der Revitalisierung der ehemaligen Hafenreviere Bremens zur Überseestadt bot der denkmalgeschützte, 400 m lange Schuppen Eins großes Potenzial für eine moderne Umnutzung. Diesem historischen Gebäude auch nach dem Umbau nicht den großmaßstäblichen und morbiden Charme zu nehmen und dennoch eine angemessene Lösung für ein 50 m tiefes Gebäude zu entwickeln, hat uns dabei stets bewegt und bis zur Übergabe beschäftigt.

Die unmittelbare Wasserlage am Europahafen ist einzigartig, unverbaubar und orientiert die Wohnterrassen nach Südwesten.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?
Birgit Westphal: Kathedralenartig und übermaßstäblich empfing uns das Haus bei unseren ersten Begehungen. Diesen Eindruck galt es zu bewahren, und so entwickelten wir sowohl ein Foyer, das den Blick quer durch die Gebäudetiefe ermöglicht, als auch einen Boulevard, der über 200 m Länge alle Funktionen von innen heraus schließt. Die Öffentlichkeit hat also Zugang in das Gebäude und erlebt dessen Größe unverbaut.

Jost Westphal: Die sichere, komfortable und direkte Erschließung der obergeschossigen Büro- und Wohnlofts war bereits Grundlage der Wettbewerbsauslobung und wurde mittels eines Autoaufzuges von uns gelöst, der in eine obere Fahrstraße mündet. Diese offene Straße erschließt eine eigene neue Welt und belüftet, belichtet und adressiert alle Büro- und Wohnlofts.

Vom anderen Ufer erkennt man die gewaltigen Dimensionen des letzten und wichtigsten Zeitzeugen der Bremer Hafengeschichte am Europahafen.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?
Jost Westphal: Alle Einbauten sollten dem Charakter der vorgefundenen Struktur des historischen Schuppens gerecht werden. Sowohl in der Rhythmik der Konstruktion als auch in der fast industriellen Materialität reagieren die neuen Materialien auf das Vorgefundene: Das Gussglas im Erdgeschoss lässt sowohl die Stahlbetonkonstruktion des Bestandes ablesbar als auch das Tageslicht bis tief in das Gebäude. Die Faserzementtafeln der Fassaden im Obergeschoss sind erkennbar neu, vermitteln aber «morbide Eleganz».

Der erdgeschossige Boulevard ist öffentlich und ermöglicht das Erlebnis des ganzheitlichen Raumes in seiner ganzen Länge.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?
Birgit Westphal: Die Bauherren sind zum einen Sammler und Rennfahrer von Oldtimern, zum anderen waren sie leidenschaftlich begeistert von den Strukturen des historischen Baus. Somit wussten die Bauherren sehr genau, wie das Nutzungskonzept für die Oldtimer im Erdgeschoss umzusetzen war. Insgesamt hat die Bauherrschaft die konzeptionelle Herangehensweise an unseren Entwurf geschätzt, gestärkt und auch zur Umsetzung ungewöhnlicher Ideen beigetragen.

Die Profilbauglasfassaden ermöglichen Lichteinfall bis in die Tiefe und Ein- und Ausblicke zu den verschiedenen Nutzern.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?
Jost Westphal: Eine Herausforderung war die Auswahl von geeigneten Materialien, die dem typologisch angemessenen Einsatz gerecht werden konnten; hier galt es, viele alternative Ansätze zu prüfen, sei es die Profilbauglasfassade im Erdgeschoss, die Faserzementfassade oder der Aufbau der Fahrstraße im Obergeschoss. Die räumliche Qualität, die Proportionen sowie die Materialität der oberen Fahrstraße hat uns sehr beschäftigt, da es ein bis dato unbekannter Charakter einer Erschließungsform ist, die keine Vorbilder oder Referenzprojekte hatte, an denen wir uns orientieren konnten. Hier galt es also, in Arbeitsmodellen und Perspektiven Überzeugungsarbeit und eigene Korrektur zu üben, bis wir sicher waren, dass der Entwurf stimmt und die Realisierung gewagt werden konnte.

Die Fahrstraße im Obergeschoss belüftet und belichtet Wohn- und Bürolofts und wird über einen Autoaufzug erschlossen.

Inwiefern findet sich die «Handschrift des Büros» im Gebäude wieder?
Jost Westphal: Unser Büro verfolgt keine gezielte gestalterische Handschrift, vielmehr bemühen wir uns um die Umsetzung einer klaren, ablesbaren konzeptionellen Idee. Dieses konnten wir am Umbau vom Schuppen Eins anhand der strukturellen Ordnung sehr gut umsetzen. Auch die Ablesbarkeit von Alt und Neu war uns wichtig und konnte in allen Entwurfs- und Realisierungsphasen konsequent eingehalten werden.

Die Bürolofts ermöglichen kommunikatives Arbeiten auf zwei Etagen mit Erlebnis der historischen Konstruktion.

Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?
Birgit Westphal: Nein, aktuelle energetische Tendenzen beeinflussten das Gebäude überhaupt nicht. Vielmehr war es problematisch genug aufgrund der historischen Struktur eine energetische Bilanz zu erreichen, die unserer heutigen Gesetzgebung genügen konnte. Die Tatsache, dass das Gebäude unter Denkmalschutz steht, ermöglichte es aber erst, eine Duldung von teils schwächeren energetischen Werten überhaupt zuzulassen, da eine äußere Verkleidung der geschützten Fassade für alle Beteiligten absolut undenkbar gewesen wäre.

Das Profilbauglas gliedert auch die Büroarbeitsplätze zu den Erschließungsbereichen und ermöglicht Sichtbeziehungen und Tageslichteinfall.

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Birgit Westphal: Das Erdgeschoss wird in seiner materialen Wirkung stark geprägt von dem unveränderten Bestand des historischen Betons sowie dem Einsatz des Profilbauglases. Dieses ermöglicht die Ablesbarkeit der  denkmalgeschätzten Konstruktion in seiner Durchgängigkeit von Land- zur Wasserseite und erlaubt des Tageslichteinfall bis in die innere Gebäudetiefe. Darüber hinaus ermöglichte der Einsatz des Profilbauglases nicht nur den Erhalt des industriellen Charmes, sondern auch Einblicke und Ausblicke vom Boulevard in die seitlichen Oldtimerwerkstätten und eine Finanzierbarkeit der großen Fassadenflächen. Die Fassaden des Obergeschosses wurden verkleidet mit der neuen Fassadentafel Etercolor der Firma  Eternit, welche einen fast betonhaften Charakter mit einem fein nuancierenden, changierenden (Charakter) Niveau erzielen. Dieser Charakter war bewusst und im Einklang mit der Auftraggeberschaft gewählt, um die Gefahr eines synthetischen Charakters zu vermeiden und dem ruppigen und industriellen Charme des Gebäude gerecht zu werden.

Im Obergeschoss befinden sich gesonderte Einstellplätze für Oldtimer, das historische Dach konnte hier erhalten bleiben.
Die zweigeschossigen Wohnlofts im OG orientieren sich nach Südwesten und nutzen die historische Be- und Entladerampe jetzt als Sonnenterrasse.
Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss
Querschnitt

Animationsfilm für die Vermarktung der Wohnungen (Dauer: 2:44 min. / Quelle: Bauherrenschaft)

Nach dem Wiederaufbau des Europahafens in Bremen galt der 400m lange Schuppen Eins als der modernste in Europa, unter anderem auf Grund seiner Bahnanbindung, Zweigeschossigkeit und Größe.
Der Schuppen Eins im Rohbau 1957 galt seinerzeit als besondere ingenieurtechnische Leistung von Hafenlogistikgebäuden.
Die Baustelle des Erdgeschosses vom historischen Schuppen Eins zeigt die enormen Stahlbetonkonstruktionen, die erforderlich wurden, um 1,5 Tonnen Last/Quadratmeter aus dem Obergeschoss abzufangen.
Der historische Schuppen Eins im Betrieb des Hafenumschlages am Europahafen in Bremen zeigt die logistische Vernetzung von Gebäude, Schiff und Bahnbetrieb.


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28217 Bremen

Nutzung
Zentrum für Oldtimer im EG, Wohn- und Bürolofts im OG

Auftragsart
Wettbewerb, 1.Preis (2008)

Bauherrschaft
KJH Verwaltungs GmbH & Co. KG, Bremen

Architektur
Westphal Architekten BDA, Bremen
Birgit Westphal, Jost Westphal, Klaas Dambeck

Mitarbeiter
Brit Dommes, Lars Ehm, Enno Garten, Daniel Gueifão Goncalves, Michael Kratzsch, Pawel Kubisch, Nils Martin, Tilman Siegler, Arne Tütken

Fachplaner
pb+ Prof. Bellmer Ingenieurgruppe GmbH, Bremen

Ausführende Firma
Ed. Züblin AG  Direktion Nord, Bereich Bremen

Hersteller
Faserzement: Eternit
Profilbauglas: Pilkington
Aluminiumfenster: Schüco
Fahrstraße: Stelcon

Gebäudevolumen
172.684 m³

Bruttogeschossfläche
30.102 m²

Gesamtkosten
28.000.000 €

Fotos
Conné van d’Grachten

Praxis-Artikel
im german-architects eMagazin
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«SC1» – Schuppen Eins»

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